Yves Grütter ist seit einigen Monaten neuer Standortleiter am Hauptsitz der Banque CIC (Suisse). Wir führten mit ihm ein Interview, um die Hürden, die sein Traditionshaus zu nehmen hat und welche strategischen Ziele er daraus ableitet, zu thematisieren.
Beginnen wir mit einer zentralen Herausforderung, der Zinssituation. Wie schätzen Sie diese ein? Die Zentralbank (Fed) in den USA ist ja erst einmal, was die Zinserhöhung betrifft, in die Verlängerung gegangen.
Wir haben als Bank im September gehofft, dass die Fed hier einen Schritt nach vorne macht. Diese Ausnahmesituation der tiefen oder sogar negativen Zinsen kann nicht der Regelfall werden. Wir müssen uns in einem Plan B durchaus auch auf japanische stagnierende Verhältnisse einlassen. Das hoffe ich aber nicht. Ich bin mir auch sicher, dass mittelfristig die Zinswende kommen wird. Wir sind aber, ohne Frage, nicht in einer leichten Situation.
Was heisst das für Anlagestrategien?
Bringen wir es auf den Punkt: Es herrscht ein Anlagenotstand. Das ist für Unternehmen schwierig, aber auch Pensionskassen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Pensionskassen haben ein vergleichsweise enges Anlageuniversum. Das trifft die gesamte Gesellschaft. Sie kämpfen dann mit negativen Zinsen oder Staatsanleihen, die oft aktuell nicht mehr rentabel sind.
Und wie sieht es bei Ihnen im Hause aus?
Die Frage ist: Wie sollen auf Sicherheit bedachte Anleger, in einem derart tiefen Zinsumfeld, Rendite erwirtschaften können? Wir empfehlen im aktuellen Zinsumfeld die Beimischung von höher verzinsten Anleihen, auch bekannt als High-Yields-Anleihen. Diese weisen zwar ein höheres Kreditrisiko auf, zahlen aber auch einen höheren Coupon. Wir sind unter anderem auf High-Yields-Anleihen spezialisiert und bieten Investoren einen in der Schweiz einmaligen Fonds an. Der CIC High Yields Bonds «CHF Primus» investiert in ausgewählte Hochzinsanleihen und konnte seit Auflegung 2012 über sieben Prozent gewinnen. Dass wir stark sind in der Verwaltung von ausgewogenen Portefeuilles mit einem wesentlichen Anteil an Obligationen, belegen wir mit der Performance unserer eigenen Pensionskasse (vgl. Tabelle). Negativzinsen muss man trotzdem heftig kritisieren. Auf jeden Fall ist heute das Risiko höher, und das müssen alle berücksichtigen, wenn man seriös bleiben will. Das sieht man ja auch im Immobilienmarkt. Da gibt es einige sehr ungesunde Ausschläge, die durch den Anlagenotstand verursacht sind. Ich kann nur raten, bei Immobilien nicht jeden Verkaufswert als Basis zu nehmen. Lassen Sie sich da unabhängig beraten.
Eine weitere Herausforderung betrifft die Reputation Ihrer Branche. Seit der Finanzkrise stehen harte Vorwürfe im öffentlichen Raum: Kunden wurden für Banken zu Wettgegnern und Staaten im Zuge von «Too big to fail» zu Selbstbedienungsläden. Welches andere Bild setzen Sie dagegen?
Für mich erfüllen Banken grundsätzlich sehr wichtige realwirtschaftliche Funktionen. Die ganz grosse Mehrheit aller Bankangestellten arbeitet an diesem lebenswichtigen Zyklus und stellt sicher, dass der Austausch von Geld gegen Waren einfach funktioniert. Banken verwahren Geld und legen dieses im Auftrag des Kunden an und stellen darüber hinaus sicher, dass Unternehmen Kredite erhalten, damit sie investieren und wachsen können. Unser Institut betreibt kein Investmentbanking und kennt die von Ihnen erwähnten Exzesse nicht. Unsere Gruppe ist genossenschaftlich organisiert, und wir sind seit jeher sehr geerdet. Wir tragen gegenüber unseren Kunden eine Verantwortung. Sie müssen sich auf uns verlassen können.
Das klingt in Zeiten von verbrieften Hochrisikopapieren mit erstaunlichen Renditen sehr klassisch. In der Finanzwelt wurden doch in den letzten Jahren ganz andere Räder gedreht?
Das sind Auswüchse, mit denen unser Haus und auch andere Marktakteure nichts zu tun haben. Wir dienen der Realwirtschaft. Einzelne, sehr komplexe Produkte hatten einen Teil der Branche kontaminiert. Es gibt aber viele Banken, und dazu gehören auch wir, die an solchen Auswüchsen nicht mitgemacht haben. Das steht aber nicht in den Medien.
Die Exzesse sind aber meines Erachtens nicht nur auf einzelne Personen, sondern auf falsche Unternehmensphilosophien zurückzuführen. Ich kann doch fast jede Woche einen neuen Skandal in der Finanzbranche beobachten. Heute (am 29. September) lese ich, dass die Schweizer Wettbewerbskommission wegen Preisabsprachen im Edelmetallhandel gegen die UBS und die Deutsche Bank ermittelt.
Haben Sie solch eine Schlagzeile schon über unser Haus gelesen?
Nein.
Es tauchen auch immer wieder die gleichen Namen auf. Über 90 Prozent der Beschäftigten in der Branche machen einen ethisch guten Job und sind für ihre Kunden da. Den Akteuren, die falsch unterwegs sind, müssen wir alle die rote Karte zeigen.
Es geht aber nicht nur um die Reputation der Branche, eine weitere Herausforderung sind die staatlichen Anforderungen. Sie sind gewaltig gestiegen. Ich nenne hier nur die Stichworte Geldwäschereigesetzgebung, Eigenkapital, Risikoverteilung oder Finanzdienstleistungsgesetz. Wie sind Sie hier aufgestellt?
Die erlassenen Gesetze sind das Resultat der Finanzkrise und werden noch zu einigen Marktveränderungen führen. Dabei wurden Leitplanken für alle Akteure gesetzt. Die Leitplanken sind wichtig, allerdings schränken sie in Teilen den Wettbewerb ein, ich denke etwa an neue Firmen aus dem Fintech-Bereich. Wir müssen aufpassen, dass wir uns international nicht vorauseilend zu starre Ketten anlegen, die Innovation abwürgen. Für uns sehen wir aber auch eine Chance. Wir sind einerseits eine vergleichsweise kleinere Bank, die sehr flexibel agieren kann, andererseits haben wir mit der Crédit Mutuel eine französische Mutter, die genossenschaftlich und sehr gesund aufgestellt ist. Acht Millionen Genossenschaftler und 30 Millionen Kunden lassen mich da ruhig schlafen. Das heisst aber nicht, dass wir die Hände in den Schoss legen können, im Gegenteil. Wir müssen uns jeden Tag neu beweisen.
Können wir das noch etwas konkreter fassen?
Lassen Sie mich einen Branchenvergleich einbringen. Es geht um eine Branchenkonsolidierung, die bei uns im Gange ist. Man kann diese Entwicklung vielleicht mit der Entwicklung des Biermarktes vergleichen. Viele mittlere Brauereien sind in der letzten Dekade übernommen worden, und die allgemeine Meinung war, nun verlieren wir unsere Braukultur an wenige globale Konzerne. Und was ist passiert? Noch nie waren so viele Bierbrauereien und Biermarken im Angebot wie heute. Diese Vielfalt kam aus einem Zwang zu Innovation und hat viele neue Anbieter auf den Markt gebracht, die eine sehr hohe Qualität produzieren. Diese Entwicklung hat unsere Branche noch vor sich. Als kleineres Haus müssen wir die Felder richtig besetzen, und ich bin überzeugt, dass wir profitieren werden.
Der Finanzplatz Basel steht im Standortwettbewerb. Wo liegen die Vorteile im Vergleich zu den Standorten in Genf und Zürich?
Wir müssen uns nicht mit Genf oder Zürich vergleichen. Wir können auf die Stärken unseres Standorts verweisen. Wir liegen von der Kaufkraft weit über dem Schweizer Durchschnitt und haben einige Branchen, die im globalen Markt ganz oben mitagieren und regelmässig Investitionen tätigen. Das färbt natürlich auch ab und hilft der gesamten Region Basel. Wir kennen diesen Markt und sind so in der Lage, auch davon zu profitieren und rentable Geschäfte abzuschliessen.
Das betrifft auch den Euroraum, der ja vor der Haustüre liegt?
Ja, wir begleiten unsere Kunden in den Euroraum. Da geht es um Kredite und um den Devisenhandel und die Beratung, die dazu gehört. Wir sind eine der wenigen Banken, die hier vor Ort noch einen Devisenhandel hat. Das schätzt auch unsere Kundschaft.
Kommen wir nochmals auf die konkrete betriebliche Ebene. Viele Unternehmer unterschätzen die Schwankungen von Währungen deutlich. Sie sehen deutliches Optimierungspotenzial im Bereich des eigenen Devisenmanagements.
Ja, da gibt es Luft nach oben. Die Herausforderung kann man nicht einfach an den Buchhalter übergeben. Das ist Chefsache. Oft werden Umsätze in fremden Währungen gemacht. Wer Chancen wahrnimmt und Risiken absichert, hat einen Wettbewerbsvorteil. Unsere Kundenberater können hier Strategien aufzeigen. Wir haben in diesem Zusammenhang auch eine Studie in Auftrag gegeben 1) mit einem sehr klaren Resultat: Kunden wünschen auch in der Bewirtschaftung ihrer Devisen eine aktivere Beratung. Diese wollen wir bieten und laden Unternehmen ein, sich diese bei uns zu holen. Unsere Devisenhändler sitzen in Basel und nicht in London.
Ihr Stammhaus ist das Gebäude am Marktplatz in Basel, welches der Geburtsort des Schweizer Franken war. Auch heute stehen wir vor grossen Umbrüchen. Digitale Revolution heisst das Stichwort. In der Innenstadt von Basel, in der wir uns befinden, gibt es noch sehr viele und vielfältige Geschäfte. Heute und morgen kaufen wir aber immer mehr im Internet ein oder fahren nach Frankreich oder Deutschland. Es gibt Studien von Think Tanks wie dem GDI (Gottlieb Duttweiler Institut), die für die nächsten zehn Jahre einen Rückgang der Ladenfläche in der Schweiz von über einem Drittel sehen. Sind Sie da auch dabei?
Es gibt Veränderungen in der Struktur der Innenstädte. Das lässt sich hier an der Freie Strasse in Basel oder in Zürich an der Bahnhofstrasse festmachen. Alteingesessene Familienunternehmen werden weniger, und globale Ladenketten und Flagship-Stores, wie der von Apple, nehmen zu. Das finde ich nicht befriedigend, aber ich muss damit umgehen. Es gibt aber auch noch sehr gesunde Beispiele. Ich muss heute als Einzelhändler sehr viel mehr machen wie noch vor 20 Jahren. Den Unterschied machen die innovativen Anbieter, die spannende Produkte, Servicedienstleistungen und genauso spannende Mitarbeiter haben. Ich muss dem Kunden einen echten Mehrwert liefern. Das lässt sich auch mit unserer Branche vergleichen. Dann bestellt der Kunde nicht alles im Netz oder fährt nach Deutschland oder Frankreich. Die kommunalpolitische Debatte und die folgenden Regulierungen um Fahrverbote oder die Parkplatzsituation hier in Basel sind für mich nicht zielführend und lästig. Allerdings sind sie nicht der Hauptgrund für die schwierige Situation in den Schweizer Innenstädten, was den Detailhandel betrifft.
Kommen wir zur jungen Generation. Sie will mobil mit Paypal, Giropay oder Lending Club arbeiten. Wie passt das zu den klassischen Dienstleistungen einer Bank, genauer Ihrer Bank?
Die Entwicklung ist da, nimmt immer mehr Fahrt auf und wir müssen uns ihr stellen. Kunden, die E-Banking nutzen wollen, erwarten Lösungen. Gleichzeitig wird es die klassische Bankfiliale weiter geben. Wir haben beispielsweise den Eröffnungsprozess für unsere Angebote im Bereich Vorsorge und Sparen so gestaltet, dass ein Filialbesuch nicht nötig ist. Wir können unseren Kunden auch direkt am Computer begleiten mittels Co-Browsing. Das heisst, unser Berater spricht mit dem Kunden am Telefon und kann mit ihm gemeinsam surfen und ihn auf dem Kundenbildschirm führen. Wir wollen im digitalen Bereich aber noch viel weiter gehen und arbeiten an einer weitgehenden Digitalstrategie, die unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten.
Wagen wir noch einen Ausblick in die nahe Zukunft der Banque CIC (Suisse). Wo und mit welcher Strategie möchte Ihr Haus wachsen?
Wir wollen sowohl bei privaten als auch bei Unternehmenskunden wachsen. Dabei pflegen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Bei uns gibt es alles aus einer Hand. Unsere Teams haben dazu die notwendigen Kompetenzen und das Herzblut. Der Bekanntheitsgrad gerade aus der Region wird sich in den nächsten Jahren erhöhen. Mein Ziel ist, dass jeder Unternehmer aus der Region Basel, der ein finanzielles Bedürfnis hat, an die Banque CIC (Suisse) denkt.
Können Sie uns noch ein Unternehmensbeispiel aus Ihrem Dienstleistungsangebot nennen?
Wir führen aktuell mit Factoring eine spezialisierte und sehr interessante Finanzierungsform ein, die unser Angebot vervollständigt. Gerade bei mittleren Unternehmen ist ein grosser Debitorenbestand eine Herausforderung, um Liquiditätsengpässen zu entgehen. Unser Geschäftsmodell und damit die Kundenerfahrungen sind einmalig. Keine andere Bank kann mit einer vergleichbaren Grösse und damit in einem sehr persönlichen Rahmen eine vollständige Produktpalette anbieten. Wir sind die Privatbank unter den Universalbanken.