KMU in Europa haben die Länderrisiken insbesondere der südlichen EU-Mitgliedsländer unterschätzt und leiden heute unter den Auswirkungen der Staatsschuldenkrise. Nur eine konsequente Neuausrichtung der Auslandsstrategie, die über den Tellerrand der EU hinaus reicht, führt zurück in die Erfolgsspur. Entscheidend ist dabei eine professionelle Umsetzung mit bewährten Methoden, um nachhaltig neue Kunden in neuen interna¬tionalen Märkten mit vertretbaren Risiken und kontrolliertem Einsatz finan¬zieller und personeller Ressourcen zu gewinnen.
Das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft – die Automobilindustrie – zeigt eindrucksvoll, dass Unternehmen mit einer starken Position in globalen Wachstumsmärkten Umsatzrekorde und Gewinnsteigerungen einfahren, während Unternehmen mit einem Fokus auf die nahen EU-Absatzmärkte unter nachhaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen leiden. Das kann auch für spezialisierte und innovative kleine Unternehmen gelten. Allerdings sollten Unternehmensverantwortliche nicht in Euphorie ausbrechen. Viele Unternehmen, da gibt es auch grössere Schweizer Beispiele wie Basler Versicherung oder Implenia, bleiben auf dem Weg, sich von einem nationalen in ein transnationales Unternehmen zu entwickeln, stecken.Jetzt aber in Schockstarre zu verfallen, ist ebenfalls falsch. Oft ist es in den letzten Monaten zu überstürzten Marktaustritten aus Südeuropa oder Nordafrika gekommen und Alternativen standen dann nicht vorbereitet auf der Agenda. Hier gilt es, strategisch umzudenken.
Globalisierung statt Regionalisierung
KMU expandieren meistens in Länder der Europäischen Union. Mittels Export, Lizenzvergabe oder auch einer eigenen Vertriebsorganisation eröffnete sich mit überschaubarem Aufwand ein riesiger, weitgehend homogener Wirtschafts- und Währungsraum. Die einzelnen Länderrisiken spielten bisher abgesehen von kulturellen und sprachlichen Hürden gerade für (indirekte) Exporteure nur noch eine nachrangige Rolle.
Mit der Staatsschuldenkrise rückt das Länderrisiko wieder stärker in den Fokus. Rückläufige Absatzzahlen, ein erhöhter Margen-, Steuer- und Abgabendruck sowie Abschreibungen auf Forderungen staatlicher und privater Schuldner reduzieren die Marktattraktivität nicht nur der GIPS in Südeuropa nachhaltig. So erreicht die rasant ansteigende Korruption in Griechenland mittlerweile das Niveau Kolumbiens und Dschibutis. Auch die Entwicklung des BIP geht genau in diese Richtung. KMU müssen somit schnell handeln, um einen weiteren Verlust von Erträgen und Vermögenswerten zu vermeiden.
Die nun notwendige Globalisierung statt Regionalisierung oder die Fokussierung auf globale Wachstumsmärkte statt lokale EU-Absatzmärkte erfordert eine deutliche Professionalisierung des internationalen Managements. Die zunehmende Komplexität können Auslandsmanager nur mittels erprobter und einfach zu verwendender Tools erfolgreich bewältigen.
Professionelle Markterschliessung
Der Markterschliessungsprozess «company2newmarket» ist ein Beispiel für die zunehmende Professionalisierung des internationalen Managements. Durch seine Anwendung finden Unternehmen neue Kunden in neuen internationalen Märkten schneller, mit weniger Ressourcen und weniger Risiken. Der Prozess ist in vier logische Schritte (= Steps) unterteilt, die jeweils aus einer Vielzahl von Aufgaben (= Tasks) bestehen, die durch standardisierte Werkzeuge (= Tools) abgearbeitet werden. Erst mit der vollständigen Abarbeitung eines Steps und der Erreichung der jeweiligen Milestones und Ziele beginnt der Auslandsmanager mit dem nächsten Step. Damit sind die Führung und die Erschliessung einer Vielzahl unterschiedlicher Märkte einfacher, weil sie vergleichbarer, effizienter sowie transparenter sind und Komplexität reduziert wird.
Marktbewertung und Marktauswahl
Ziel von Step 1 ist die Auswahl attraktiver Auslandsmärkte für das eigene Unternehmen. Basierend auf der eigenen Wettbewerbsstärke, den eigenen Kompetenzen, Ressourcen und Wettbewerbsvorteilen werden Ländermärkte in einem dreistufigen Filter mit unternehmensspezifischen Kriterien untersucht. Ergebnis ist eine Länderliste der attraktivsten Zielmärkte.
Marktvorbereitung
Ziel von Step 2 ist die Vorbereitung des Markteintritts der in Step 1 ausgewählten Zielmärkte. Dabei werden vor allem operative Fragen wie zum Beispiel nach Standorten, Mitarbeitern, Produkten, Prozessen und der Unternehmensgründung beantwortet. Ergebnis ist ein vollständiger und umsetzbarer Business- und Finanzplan.
Markteintritt
Ziel von Step 3 sind die praktische Umsetzung des Geschäftsmodells im Markt und der Nachweis der Effizienz und Profitabilität der Kernprozesse beziehungsweise für einen Exporteur die Durchsetzung der eigenen Preisvorstellungen. Dabei helfen oftmals bestehende internationale Kunden, die man bereits im Heimatmarkt bedient, und bestehende Mitarbeiter mit einer kulturellen Bindung an das neue Zielland.
Marktentwicklung und Marktwachstum
Ziel von Step 4 ist Wachstum zur Erreichung der gewünschten Marktposition sowie der geplanten Umsatz- und Gewinnziele. Dafür stehen alle internen und externen Marktwachstumsformen zur Verfügung. Dies beinhaltet auch den Aufbau lokaler Organisationsstrukturen, die Lokalisierung des Managements sowie die Integration in die Führungs- und Kommunikationsstrukturen des Gesamtunternehmens.
Neuausrichtung der Auslandsstrategie
Die Neuausrichtung der Auslandsstrategie beruht auf drei Säulen. Zunächst wird in einem Assessment die aktuelle Situation der Auslandsgesellschaften analysiert. Hieraus wird eine marktspezifische Vorgehensweise abgeleitet und diese mit wissenschaftlich und praktisch erprobten Instrumenten wie dem oben beschriebenen Markterschliessungsprozess «company2newmarket» professionell umgesetzt.
Reduktion von Risiken und Schutz der Vermögenswerte
In Ländermärkten mit einer sinkenden Attraktivität steht die Sicherung von Vermögenswerten im Vordergrund. Eine Alternative ist der Verkauf der Tochtergesellschaft – mit oder ohne call-option – an das lokale Management. Damit wird der Marktzugang weiterhin sichergestellt, werden Risiken reduziert und Ressourcen für Wachstumsmärkte frei. Weitere Alternativen sind die Auflösung von lokalen Lagern und Konten oder der Kostenabbau durch Zentralisierung und den Einsatz innovativer Technologien.
Ausrichtung der Ressourcen auf globale Wachstumsmärkte
Die frei werdenden Ressourcen werden in die Erschliessung neuer globaler Wachstumsmärkte investiert. Diese unterscheiden sich in Abhängigkeit von Branche und Geschäftsmodell. Unter der Marke «Growth8» werden die wachstumsstärksten Ländermärkte Brasilien, Russland, Indien, China, Südkorea, Indonesien, Mexiko und die Türkei, die jeweils einen Anteil von mindestens einem Prozent am Welt-BSP aufweisen, zusammengefasst.
Der Markteintritt sollte schrittweise erfolgen, beginnend mit risikoarmen Markteintrittsformen wie Export und Auftragsfertigung bis hin zur Gründung eigener Vertriebsgesellschaften und Fabriken. In der Markteintrittsphase empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern und den staatlichen Aussenhandelsorganisationen wie zum Beispiel der Schweizer OSEC oder den Deutschen AHKs.
Nutzung innovativer Technologien
Moderne Kommunikations- und Informationstechnologien sind ein wichtiger Treiber für den Zugang zu globalen Wachstumsmärkten. So genügt ein aussagekräftiger Internetauftritt bereits, um den grundlegenden Informationsbedarf aller interessierten Anspruchsgruppen global zu befriedigen. Mit einem ergänzenden Webshop können Kunden sich weltweit über Produkte und Dienstleistungen inklusive deren Spezifikationen informieren und über soziale Medien mit den jeweiligen Ansprechpartnern vernetzen. Entscheidend ist die Integration der einzelnen Kommunikationsinstrumente zur optimalen Unterstützung des Auslandsmanagers, weil in den meisten Kulturen immer noch der persönliche Kontakt entscheidet.
Nutzung rechtlicher Gestaltungsspielräume
Die Sicherung der eigenen globalen IP-Rechte und deren Zusammenfassung in einer Gesellschaft an einem geeigneten Standort eröffnen zusätzliche Erlöspotentiale durch Lizenzierung an eigene und fremde Unternehmen und schützen – zumindest ansatzweise – vor unkontrolliertem Kopieren. Daneben ist das aktive Management von Haftungsrisiken entscheidend für das Überleben eines Unternehmens. Falls es sich nicht durch geeignete Massnahmen wie zum Beispiel Versicherungen vermeiden lässt, darf es zumindest nie den Unternehmenskern gefährden.
Fazit
Die Musik spielt woanders. Das globale wirtschaftliche Gleichgewicht verschiebt sich. Das hat mittlerweile jedes Unternehmen erkannt. Ausharren im Heimatmarkt ist keine Alternative. Gefragt sind klare Entscheidungen sowie ein konsequentes und professionelles Handeln auf dem Weg zu globalen Wachstumsmärkten beziehungsweise zur Anpassung an die neuen Realitäten.
Viele KMU sind als «hidden champion» zum weltweiten Marktführer in ihrer Nische geworden, weil es ihnen gelang, neue internationale Märkte schneller und effizienter zu erschliessen als ihre Mitbewerber. Internationale Markterschliessung wurde somit zu einer Kernkompetenz und einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Erfolgreiche Beispiele gibt es genug. Jetzt gilt es, diese Erfahrungen auf das eigene Unternehmen zu übertragen, um auch zu den Siegern dieser neuen Globalisierung zu gehören.