Globaler Wettbewerb, demografische Entwicklung, Strukturwandel, technologische Sprünge und die jüngsten Währungsturbulenzen wirbeln Arbeitsbedingungen und Unternehmensstrategien durcheinander. Um hier mithalten zu können, gibt es ein Zauberwort: Es heisst Innovation. Nur, wie entsteht eine kreative Atmosphäre im Unternehmen? Zusammen mit Verantwortlichen der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) haben wir einige Vorbemerkungen, strategische Ideen und praktische Tipps entwickelt. Wertvolle Argumente stammen von einem Business Breakfast der FFHS, bei dem Innovationen in kleinen und grossen Unternehmen thematisiert wurden.
Wer sich dem Thema Innovation annähert, ist mit Datenwellen konfrontiert.
Heute werden wir mit Büchern und Beiträgen auf Online-Plattformen überschwemmt. Sie versuchen uns, mit einfachen Weisheiten beizubringen, wie wir Kreativität und Innovation fördern können. Die dahinterstehenden Weltbilder vermitteln uns, dass Innovationen inzwischen die einzig echten Wettbewerbsvorteile darstellen, um im Markt erfolgreich zu sein. Monokausale Weisheiten sind aber auch bei diesem Thema fehl am Platz. Die Logistik des Lieferketten-Managements oder eine gute versus schlechte Unternehmensreputation, um nur zwei Beispiele zu nennen, können genauso über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens entscheiden.
Innovation ist nichtsdestotrotz eine wichtige Voraussetzung für nachhaltigen Unternehmenserfolg und ein Haupttreiber für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Gerade in starken Wettbewerbsmärkten, bei aktuellen Währungsturbulenzen oder in Krisenzeiten zeigt sich, dass Unternehmen mit innovativen Produkten und Dienstleistungen diese Herausforderungen besser überstehen oder gar gestärkt daraus hervorgehen.
Am Anfang jeder Innovation steht eine Idee. Viele Beiträge zu dem Thema gehen jedoch davon aus, dass fehlende Ideen oder die vermutete Knappheit an Ideen die zentralen Hürden darstellen. Folglich kreisen viele Ansätze um Fragestellungen, wie, wann und wo man individuell Ideen entwickeln kann. Und in der Tat können Unternehmen aus einem breiten Spektrum an Ideenquellen schöpfen, um Innovationen zu generieren. Viele Unternehmen tun sich jedoch schwer, die Gewinnung von Ideen systematisch zu managen und erfolgreich in Innovationen umzusetzen.
Spannende Unternehmenskultur
Es gibt kaum Unternehmen, die frei von Ideen sind. Jeder von uns hat sogar mehrere Ideen am Tag. Die zentrale Frage lautet: Wer fängt diese Ideen kreativ auf, speist sie in einen operativen Prozess ein und setzt sie in innovative Produkte und Dienstleistungen um? Neben Faktoren wie beispielsweise dem Vorhandensein einer Innovationsstrategie spielt die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Mitarbeitende werden nur dann neue Ideen vorbringen, wenn dies im Unternehmen honoriert wird und eine Offenheit besteht, die auch Kritik an Bestehendem zulässt. Kritik kann zunächst wehtun und stellt gewohnte Prozesse infrage. Es braucht daher eine Unternehmenskultur die Kreativität strategisch unterstützt. Ebenso muss sie Raum schaffen, um neue Ideen ausprobieren zu können. Stellen diese sich dabei als ungeeignet heraus, darf dies nicht per se als Misserfolg gewertet werden. Nur wenn der Prozess des Probierens als solcher gefördert wird, verankert sich eine Innovationskultur, in der Ideen vorgebracht werden und kontinuierlich in die Unternehmensprozesse einfliessen. Diese Innovationskultur muss auf allen Ebenen gelebt und vom Management eines Unternehmens auch vorgelebt werden.
Grosse Unternehmen nehmen die Innovationskultur trotz strategischer Verankerung häufig nicht hinreichend ernst. In Hochglanzprospekten und bunten Powerpoint-Präsentationen bekennt man sich zur Förderung von Kreativität und Innovation. In den dazu geschaffenen «Prozess-Panels» und «Strategie-Gremien» werden die Idee aber oft schlicht zermahlen. Eingestellte Kreativberater produzieren ein mächtiges Wortgeklingel. In kleinen Unternehmen nimmt die Geschäftsführung oder der Patron im Rahmen von klassischen Hierarchien den neuen Ideen schnell die Luft zum Atmen.
Dabei ist die Förderung von Kreativität keine Zauberei. Es geht zunächst ganz einfach um das Zuhören und Hineinhören in das Unternehmen. Fragen zu stellen ist immer besser als schweigend die Diskussion ins Leere laufen zu lassen oder gar zu unterdrücken. So legt ein Unternehmen den Grundstein, um den vorhandenen Erfahrungsschatz seiner Mitarbeitenden zu nutzen.
Kreativität in grossen und kleinen Unternehmen Anlässlich eines kürzlich stattgefundenen Business Breakfast der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) zum Thema Ideenmanagement standen diese Fragen im Mittelpunkt. Ein grosses Unternehmen und ein KMU berichteten in zwei Inputreferaten von ihren Erfahrungen beim Ideenmanagement und der Förderung von Kreativität im Unternehmen.
Lorenz Wyss, Leiter Ideenmanagement bei der Schweizerischen Post, berichtete, welche Massnahmen in seinem Unternehmen zum Ideenmanagement gehören. Neben dem betrieblichen Vorschlagswesen umfasst dies Prozesse zur kontinuierlichen Verbesserung im Produktionsbereich als auch Prozesse, in denen ganz neue Themenfelder identifiziert und deren Entwicklung gefördert werden. Der entscheidende Knackpunkt sei es, so Lorenz Wyss, mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren und ein Bewusstsein zu schaffen, dass sie mit ihren Ideen an der Entwicklung des Unternehmens beitragen. «Das Ideenmanagement der Schweizerischen Post nahm 2013 1471 Ideen auf. Das entsprach einem Nutzen von fast einer Million Schweizer Franken», betonte Wyss.
Über die Erfahrungen eines KMU mit dem Ideenmanagement sprach Christoph Eckert, CEO der coprin ag. Die coprin ag spezialisiert sich auf IT-Forensik, Internet-Ermittlungen, IT-Sicherheit, Prävention, Ermittlungen sowie strategische und operative Sicherheitsberatungen und verfügt über eine fundierte Erfahrung im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. «Die Herausforderung bei der coprin ag sei es, auch ohne institutionalisiertes Ideenmanagement innovativ und erfolgreich zu bleiben», erläuterte Eckert. Durch den Kontrast von Grossunternehmen und KMU wurden auch die entscheidenden Unterschiede deutlich in der Herangehensweise und den verwendeten Ansätzen im Ideenmanagement. Während grosse Unternehmen wie die Schweizerische Post oft formalisierte Prozesse im Bereich des Ideenmanagements mit teilweise beachtlichen Budgets implementiert haben, ist der IdeenmanagementProzess in KMUs wie der coprin ag weit weniger formalisiert. Die Konsequenz ist, dass Mitarbeitende in grossen Unternehmen Ideen generieren können, die in einen Prozess eingespeist und dort bearbeitet und bewertet und weiterverfolgt werden. Die Mitarbeitenden selbst müssen «nur» die Ideen vorbringen.
Da kleine Unternehmen genau diesen Formalisierungsgrad nicht aufbauen können, müssen die Mitarbeitenden ihre Ideen viel weiter durchdenken und die Konsequenzen überlegen. Schon beim Vorbringen der Idee müssen sie zeigen können, welchen Beitrag die Idee für das Unternehmen hat. So betonte auch Christoph Eckert, dass er und das Führungsteam der coprin ag grundsätzlich offen für Ideen seien, die Mitarbeitenden müssten aber in einem Gespräch dann relativ detailliert darlegen, welchen Effekt ihre neuen Ideen im Unternehmenskontext haben. Damit kommt den Mitarbeitenden eine grosse Bedeutung nicht nur bei der Generierung einer Idee, sondern auch bei ihrer Bewertung zu.
Vielfältige Ideenquellen
Ein anderes, oft vernachlässigtes Thema im Bereich Ideenmanagement ist die Vielzahl von Kanälen für Innovationen. Welche Ansätze verfolgt ein Schweizer Grossunternehmen im Vergleich zu einem KMU, um verschiedene Ideenquellen zu nutzen? Wie führen sie Ideen aus unterschiedlichen Kanälen zusammen und setzen sie in innovative Produkte und Dienstleistungen um?
Neben engagierten Mitarbeitenden mit ihrem vielfältigen Wissen sind Kunden häufig zentrale Ideengeber für Innovationen. Erfolgreiche Unternehmen haben einen starken Kundenservice. Sie stehen in ständigem Austausch mit ihren Kunden und nehmen systematisch Verbesserungsvorschläge, spezialisierte Kundenwünsche und neue Ideen auf. Sie verfügen über ein Sensorium zur Aufdeckung von Kundenbedürfnissen, die in innovativen Produktentwicklungen
Einfluss finden. Ausserdem nehmen sie Ideen im Umfeld des Unternehmens wahr, die von Lieferanten, Geschäftspartnern, Wettbewerbern, Wissenschaftlern von Hochschulen und anderen Forschungsinstitutionen, Akteuren in sozialen Netzwerken sowie Gesetzgebern und Behörden vorgebracht werden und integrieren sie im Ideenmanagement-Prozess.
Beim integrierten Ideenmanagement haben selbst grosse Unternehmen oft noch einen Nachholbedarf. Sie schöpfen längst nicht das Potenzial an Ideen aus, das ihnen zur Verfügung steht. Genau hier setzt der Master-Studiengang MSc in Business Administration mit Schwerpunkt Innovationsmanagement der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) an. «Unsere Studierenden sollen die vielfältigen Facetten von Innovationen kennenlernen und managen können. Dazu zählt insbesondere auch das integrierte Ideenmanagement, das zentral am Anfang des Innovationsprozesses steht», betont Ute Eisenkolb, Studiengangsleiterin für das Masterprogramm der FFHS.
Die zentrale Bedeutung des Ideenmanagements kann kaum unterschätzt werden. Die Ideengenerierung, -bewertung und -verarbeitung legt die Basis, in dessen Rahmen Innovationen in einem Unternehmen vorangetrieben werden können. Damit bestimmt das Ideenmanagement auch entscheidend das weitere Potenzial des Innovationsprozesses. Dass dies unabhängig von der Unternehmensgrösse so ist, haben die Schweizerische Post und die coprin ag während des Business Breakfast beispielhaft aufgezeigt. Die konkrete Ausgestaltung – auch das haben die beiden Unternehmen ausgeführt – kann je nach Grösse des Unternehmens jedoch sehr unterschiedlich sein, um einen erfolgreichen Innovationsprozess zu begründen.
Schlüsselfaktoren für innovative Schübe
Die aktuelle Top-500-Studie von Accenture und IMD sieht in einer klar geführten Governance, Organisation, Talentmanagement und Innovation Schlüsselfaktoren für die eigene Wettbewerbsfähigkeit. «Die Studie zeigt, dass erfolgreiche Schweizer Unternehmen ihre eigene Organisation gestärkt und sich auf Talentförderung sowie das Engagement ihrer Mitarbeitenden fokussiert haben», analysiert Thomas D. Meyer, Country Managing Director von Accenture Schweiz. «Wachstumschampions investierten weder massiv in neue Geschäftsbereiche, noch sahen sie Risk Management als eine ihrer wichtigsten Prioritäten.»
Lernen aus dem Scheitern
Natürlich können Innovationen scheitern. Das haben wir im Alltag alle schon erlebt. Selbst wenn die Gründe an externen Ursachen festzumachen sind, holt die trockene Statistik viele Wunschträume auf den Boden der Realität zurück. Im Scheitern kann aber ein innovativer Kern liegen, der zu einem zukünftigen Erfolg führen kann. Ohne Einblick in die gescheiterten Innovationen erhalten wir ein falsches Verständnis des zugrunde liegenden Prozesses. Der Historiker Reinhold Bauer schätzt, dass 85 Prozent aller Innovationen ihre Investitionen nicht wieder einspielten. Dafür gibt es mehrere Gründe, die in diesem Rahmen nur kurz skizziert werden können.
Unzureichende technische Leistungen, die auch nicht in einem gesellschaftlichen Kontext stehen, spielen bei früh gescheiterten Innovationen oft die Hauptrolle. So gab es schon in den Achtzigerjahren vereinzelte Windräder und Solaranlagen ohne Erfahrungen mit den verwendeten Einzelteilen. Es blieben oft Innovationsruinen, welche auch nicht in die politische Landschaft passten. Man setzte noch voll auf fossile Energieträger. Mehrere Forschungszyklen weiter und im Zeichen der Energiewende sieht das ganz anders aus.
Selbst technisch ausgereifte Innovationen wie das Verkehrsmittel Magnetschwebebahn bleiben erfolglos, wenn die vorherrschenden Modelle, in diesem Fall die modernisierten Angebote der Bahnen in Europa mit ihren Transportmöglichkeiten, vorhandene Marktlücken besser schliessen können. Der Aufbau von parallelen Strukturen mit neuen Technologien, die nicht wesentlich besser und schneller sind, bleibt in der reinen Technikeuphorie stecken, ohne über ihren Tellerrand zu schauen.
Oft kommt es auch zu Fehleinschätzungen, da der Markt noch neu ist und den Entwicklern zudem das Verständnis für die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer fehlt. Ein aktuell gutes Beispiel ist die harzige Einführung der Datenbrillen. So hat Google sein Modell wieder vom Markt genommen, und auch das Modell von Epson kommt nicht recht vom Fleck.
Innovationsland Schweiz
Insgesamt sind die Rahmenbedingungen in der Schweiz aber positiv. Das liegt in einer gut eingebetteten Gründerszene und der guten Verzahnung von Universitäten und Wirtschaftswelten. Im Jahr 2014 wurden in der Schweiz insgesamt 41’560 neue Unternehmen ins Handelsregister eingetragen. Damit steigt der Bisnode/IFJ-Gründerindex um 1.0 Punkte gegenüber dem Vorjahr. Während sich im ersten und zweiten Quartal 2014 der Gründerindex mit 106.0 Punkten respektive 106.7 Punkten nur geringfügig veränderte, kam es im dritten Quartal zum typischen «SommerlochEffekt» mit einem Gründerindex von nur 95. Dies sind fünf Punkte unter dem Referenzwert der durchschnittlichen Anzahl Gründungen der Jahre 2011 bis 2013. Im vierten Quartal jedoch zogen die Neueintragungen von Unternehmen deutlich an, insgesamt wurden 10’885 Firmen neu registriert – das sind 1417 mehr (+15 %) als im Vorjahresquartal, was zu einem Bisnode/IFJ-Gründerindex von 109.2 führte. Die Gesamtzahl von 41’560 neuen Unternehmen entspricht einem absoluten Rekordwert, der bisher noch nie erreicht wurde und der das positive Gründungsklima in der Schweiz aufzeigt.
Innovation im Kontext
Innovation ist last but not least aber auch nicht die Summe der Werke von einzelnen Genies. Populäre Darstellungen machen Erfinder wie Thomas Edison zu den Helden des Fortschritts, aber seriöse Wissenschaftler erkennen neue Produkte vor allem als soziale Phänomene. Insbesondere im Scheitern zeigt sich, dass der Erfinder – wenn er denn überhaupt ein Einzeltäter ist – ohne eine günstige soziale Umgebung von Sponsoren, Mitarbeitern, Kunden und nicht zuletzt Konkurrenten keine erfolgreiche, also gewinnbringende Erfindung hervorbringen kann.
Unstimmigkeiten in einer durch gemeinsame Prinzipien verbundenen Gruppe sind die beste Voraussetzung für grosse Entdeckungen und Erfindungen – und nicht etwa Übereinstimmung. Es lässt sich festhalten, dass diskussionsfreudige Teams eine weitere Voraussetzung für Innovationen sind.
Weitere Informationen:
www.coprin.ch
www.post.ch
www.ffhs.ch