Daten spielen heute zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort eine zentrale Rolle, ob wir nun als Einzelperson oder als Unternehmen agieren. Daten sind überall beteiligt. Trotzdem fragen wir uns immer wieder, wie diese eigentlich erfasst werden und welchen Wert sie haben. Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Frage nach Datenstrategien und Datenpflege – Themen, mit denen sich vermutlich fast alle KMU-Verantwortlichen theoretisch und operativ beschäftigen.
Schon grundsätzlich sind Daten nicht gleich Daten. Im analogen Zeitalter sprach man von Daten, wenn es um zahlenmässige Informationen oder Werte ging, die durch Messungen gewonnen wurden. In der Informatik sind Daten codierte Informationen. Ihre digitale
Grundform ist ein binärer Code. Es geht immer um Schwarz und Weiss, genauer hier um 0 oder 1. Das ist immer noch unsere Grundlage.
In der Praxis liegen Daten grundsätzlich in drei Erscheinungsformen vor. Es geht dabei
immer um den Grad der Strukturiertheit. Wir sprechen von strukturierten, semi-strukturierten und unstrukturierten Daten. Schauen wir uns diese drei Formen genauer an.
Strukturierte Daten sind Daten, die in einem vorgegebenen, eindeutigen Format vorliegen. In einer Datenbank haben sie klare Bezeichnungen. Aus diesem Grund können strukturierte Daten mit einer dementsprechenden Software sehr leicht und sehr schnell gefunden und bearbeitet werden.
Semi-strukturierte Daten sind Daten, die eine «versteckte» Struktur mit sich führen. Aus diesem Grund spricht man von einer impliziten, irregulären oder partiellen Struktur. Wenn man unterschiedliche Objekte in einem Softwareprogramm zusammenfügt, ergeben sich zum Beispiel semistrukturierte Datensätze.
Unstrukturierte Daten sind Daten, die keine formale Struktur haben. Sie lassen sich darum nicht wie strukturierte Daten einfach in einer relationalen Datenbank – wie einer SQL-Datenbank – speichern. Darum müssen unstrukturierte Daten vor ihrer Auswertung zunächst aufbereitet oder strukturiert werden. Ihr genauer Inhalt ist vor einer Datenanalyse nicht bekannt. Unstrukturierte Daten machen einen grossen Teil aller anfallenden Daten in Unternehmen aus. Beispiele hierfür sind Textdaten, Daten, die in E-Mails vorliegen, Kundenbewertungen oder Forenbeiträge, aber auch Bild- und Videodaten,
die im Rahmen der Fertigung zur Sicherstellung der Produktionsqualität entstehen können.
Der Aufwand, der betrieben wird, um Daten zu erheben, zu speichern und auszuwerten,
muss also entsprechend gerechtfertigt sein. Damit sie zu einem wertschöpfenden Bestandteil eines Unternehmens werden können, sind mehrere Aspekte und operative Handlungsfelder zu beachten. Zunächst muss erstens die Verfügbarkeit der Daten gewährleistet sein. Es gilt zweitens, auf die Datenqualität zu achten. Die Data Roles, sprich die Verantwortlichkeiten, gilt es drittens im Auge zu behalten. Daten-Know-how darf im
Unternehmen kein Fremdwort sein. Last but not least hat viertens die juristische Ebene, genauer die Rechtskonformität, auf der Agenda zu stehen.
Daten im Marketing
Fast schon selbstverständlich ist die These, dass Daten generell wichtig für Handlungsoptionen im Marketing sind. Beispiele gibt es hierzu sehr viele. Es kommt beim
Einsatz immer auf die passenden Module an. Hier gibt es einige Wege und Beispiele. Die wichtigsten Marketingwerkzeuge lassen sich wie folgt auffächern.
Streuwurf-Marketing ergibt dort Sinn, wo der Ort eine zentrale Rolle spielt. Man will potenzielle Kunden vor Ort im Rahmen ihrer Wohnungen erreichen. Die Stichworte
dazu heissen Geo-Marketing und Streuwurf-Optimierung. Beim Marketing per Post-Mailing oder E-Mail ist eine individuelle und der Zielgruppe entsprechende Ansprache unabdingbar.
Im Rahmen des Multichannel-Marketings geht es um die Ansprache gleicher Personen, nicht nur Zielgruppen, über mehrere Kommunikationskanäle: per Post, E-Mail und Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram oder LinkedIn.
In den letzten Jahren haben unterschiedliche Formen der Marketing Automation an Bedeutung gewonnen. Es geht hierbei um den Einsatz von Triggern, Scores und Algorithmen. Die Inhalte von Daten werden in Echtzeit und gestützt auf auslösende Ereignisse an den User ausgespielt. Der Trend ist klar: weg von der Marketing-Kampagne, hin zum Marketing-Prozess. Das Ziel ist One-to-One-Marketing, das seinen Namen auch verdient – und dank der Industrialisierung von Marketing-Prozessen nun auch möglich ist.
Voraussetzung für den Erfolg von Marketing-Kampagnen respektive -Prozessen, so gut sie technisch auch sind, ist der Gesamtblick auf bestehende und potenzielle Kunden. Erst die Verbindung eigener Daten (First Party Data) mit den Daten Dritter (Third Party Data) liefert eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden.
Die Basis der Zielgruppenbildung ist eine Analyse bestehender Kunden. Im Zusammenspiel
mit Daten zum Verhalten und zur Psychografie (wie tickt meine Zielgruppe?) entsteht daraus ein belastbares Gesamtbild, das weit über die reine Soziodemografie hinausgeht. Nur so kann man Kunden, die zwar dasselbe Geschlecht, denselben Jahrgang und die selbe
Einkommensklasse haben, aber im Leben völlig unterschiedlich aufgestellt sind, gezielt
ansprechen.
Nehmen wir als Beispiel Prince Charles und Ozzy Osbourne. Beide sind männlich, 1948 geboren, gehören einer hohen Einkommensklasse an und leben in gehobenen Wohnverhältnissen. Der eine ist aber Prince of Wales und der andere Prince of Darkness. Ohne verhaltensorientierte und psychografische Daten würden beide genau gleich beworben werden – das Resultat ist abzusehen.
Digitalisierung und Herausforderungen
Nicht nur Corona treibt die digitale Transformation auch beim Thema Marketing voran. Zunehmend mehr Unternehmen setzen sich mit Marketing Automation, mit datengetriebenem respektive datengestütztem Marketing auseinander. Allerdings
gibt es in diesem Transformationsprozess einige Stolpersteine, deren Wegräumen auf die Agenda gehört. Marketing Automation ist kein Spaziergang. Folgende Stichworte skizzieren diese Herausforderungen: unzureichende Qualität der Daten, fehlende Expertise, fehlendes
Budget, fehlende Strategie, zu hohe Komplexität der Systeme, fehlender Content und fehlende Akzeptanz.
Datenstrategie umsetzen
Kommen wir nochmals auf das grundlegende Thema, die Daten, zurück. Wer Daten
für sein Marketing nutzen will – also praktisch jedes Unternehmen –, benötigt eine Datenstrategie. Selbstverständlich hängen Aufwand und Komplexität mit der Grösse des Unternehmens, dem Einsatz von Daten und den anfallenden Datenmengen zusammen.
Bei der Datenstrategie gilt es, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Wozu benötige ich welche Daten? Was will ich mit meinen Daten erreichen? Welche Daten habe ich bereits in welcher Form – strukturiert oder unstrukturiert? Wie gelange ich an Daten, die ich benötige, aber über die ich bisher nicht verfüge? Über welche Kanäle fliessen die Daten in mein Unternehmen? Wie kann ich die Datenhaltung zentralisieren und die Daten zentral zur Verfügung stellen, um Datensilos zu verhindern? Wie werden die Daten gepflegt? Wer benötigt welchen Zugang zu den Daten – und wozu? Wer ist für die Datenhaltung und -pflege verantwortlich? Welche rechtlichen Voraussetzungen sind
zu beachten?
Die Umsetzung einer Strategie ist nicht nur das Arbeitsfeld der jeweiligen Expertinnen
und Experten, sondern setzt einen Rückhalt über alle Hierarchiestufen hinweg voraus.
Selbst kleine Unternehmen profitieren davon, sich mit einer Datenstrategie auseinanderzusetzen. Der Fokus liegt dort vermutlich eher auf Fragen, wo die Daten
zentral gesammelt werden können, damit sie nicht über unzählige Excel-Tabellen verteilt herumliegen, und vor allem auf der Pflege der Daten.
Datenqualität sicherstellen
Am Punkt der Datenqualität schliesst sich der Kreis. Das Thema Marketing Automation
steht und fällt mit der Qualität der Daten. Schlechte Daten verbrennen viel Geld. Weitere Gefahren sind:
> Ansprache der falschen Person,
> Ansprache über den falschen Kanal,
> Retouren wegen veralteter Adressen (Druck, Porto, Aufwand Retourenverarbeitung),
> falsche Entscheidungen, weil Datenlage falsch (shit in, shit out),
> enorm aufwendige Datenpflege, wenn kein kontinuierlicher Prozess stattfindet.
> Wer hier keine Lösungen hat, sieht sich rasch mit genervten Kunden und demotivierten Mitarbeitenden konfrontiert – ein Szenario, das man niemanden an den Hals wünscht.
Demgegenüber gilt es, Daten von Anfang an richtig zu pflegen:
> Es kostet einen CHF pro Datensatz, um Daten bei oder unmittelbar nach der Eingabe zu verifizieren.
> Es kostet zehn CHF pro Datensatz, um diesen irgendwann nachgelagert zu korrigieren.
> Es kostet 100 CHF pro Datensatz, wenn dieser nie korrigiert wird.
Ein Beispiel: Hat ein Unternehmen 30’000 Adressen, von denen zehn Prozent falsch sind und nie gepflegt werden, beträgt der Schaden 300’000 CHF.
Um Daten gleich bei der Eingabe zu verifizieren, lassen sich beispielsweise Eingabeassistenten wie diejenigen von Google oder AZ Direct nutzen. Sie verhindern
Namensdreher, sorgen für die richtige Gross- und Kleinschreibung und strukturieren zum Beispiel Telefonnummern, damit alle gleich geschrieben sind. Und dank der Autovervollständigung kommt es zu weniger Fehlern bei der Adresseingabe. In einem Blog war von einem Online-Shop zu lesen, bei dem 80 Prozent der durch die User eingegebenen
Adressen nicht für den Postversand tauglich waren.
Einen kontinuierlichen Pflegeprozess aufzubauen und am Laufen zu halten, ist heute ein Muss. Dazu benötigt es einen Anbieter von Referenzdaten, denn nur so lässt sich die Dynamik bei der Veränderung von Adressdaten in den Griff kriegen. Der Grund dafür: Pro Jahr (!)
> zieht jeder elfte Haushalt um,
> gibt es
> 40’000 Eheschliessungen,
> 17’000 Scheidungen,
> 67’000 Todesfälle,
> werden
> 40’000 Unternehmen gegründet,
> 36’000 Unternehmen geschlossen.
Eine Datenbereinigung umfasst mindestens fünf Schritte: Erstens gilt es, die Datenbestände zu sichten, zweitens die Validität der Daten zu prüfen, drittens
Massnahmen abzuleiten, viertens diese umzusetzen und fünftens eine nachhaltige
Datenqualität sicherzustellen.
Ein vorher-nachher-Beispiel
Wie schlecht Daten sein können, zeigt ein echtes Beispiel aus der Praxis:
Links befindet sich der Überblick über angelieferte Daten, die ohne zusätzliche Arbeit vollautomatisch verarbeitet worden sind. Das Resultat: 71’000 von rund 100’000 Adressen sind unbekannt – gerade einmal 25’000 Adressen sind gültig und aktuell.
Rechts ist dasselbe Beispiel nach einer eingehenden Datenbereinigung Datenvereinheitlichung, Strukturierung, Korrektur und Aktualisierung ohne Umzugsbereinigung) dargestellt. Klar, das Resultat ist immer noch nicht voll befriedigend. Trotzdem konnte der Anteil an gültigen und aktuellen Adressen fast verdoppelt werden. Was lässt sich aus diesem Beispiel ableiten?
> Es besteht kein klares Konzept und keine Sensibilisierung, wie Daten eingegeben werden müssen. Die Daten wurden durch verschiedene Personen eingegeben.
> Niemand hatte die Verantwortung über die Daten.
> Die schiere Menge der Daten und ihr Zustand lassen darauf schliessen, dass über eine lange Zeit niemals eine Datenbereinigung stattgefunden hat. Die Konsequenz: Immer mehr Datenmüll sammelt sich an – Datenmüll, der irgendwann nicht mehr bereinigt, sondern
nur noch gelöscht werden kann.
Customer Journey – Begleitet, nicht, verfolgen
Corona beflügelt die Digitalisierung. Zunehmend mehr Unternehmen wenden sich der Marketing Automation zu. Die Datenflut nimmt zu – Big Data ist Realität, Data Analytics verknüpft Daten aus unterschiedlichen Quellen und Kanälen und destilliert daraus diejenigen Datengrundlagen, die für eine sinnvolle Ansprache der Konsumenten notwendig sind. Dies läuft dann unter dem Stichwort Smart Data.
Basierend auf dieser Datengrundlage in Verbindung mit gezeigtem Interesse und Verhalten gilt es danach, (potenzielle) Kunden mit individuellen Inhalten (Content Marketing) auf demjenigen Kanal anzusprechen, auf dem sie sich gerade bewegen – und sie so in Echtzeit über die gesamte Customer Journey hinweg zu begleiten. Am Schluss geht es noch um zwei zentrale Tipps: Datensammeln um des Sammelns willen, aber ohne Strategie ist der
falsche Weg. Das ufert rasch aus und führt nicht zum Ziel.
Technische Möglichkeiten gilt es mit Bedacht und Cleverness einzusetzen. Jemand, der ein Produkt oder eine Dienstleistung gekauft hat, will nicht von Werbung zum selben Angebot belästigt werden. Bestehende und potenzielle Kunden wollen nicht das Gefühl haben, dauernd auf dem Radar von Anbietern zu sein und von ihnen verfolgt zu werden. Das wirkt sich meist kontraproduktiv aus.