Der Wertewandel der neuen Generation in der Arbeitswelt
Die Suche nach guten Mitarbeitenden kann mitunter schwierig sein, besonders die
junge Generation hat bezüglich Arbeitsvorstellungen andere Ansichten als ältere Generationen. Aktuelle Transformationen, wie die Digitalisierung und die
Globalisierung verändern die Arbeitswelt und setzen neue Impulse. Santino Cambrio, Geschäftsführer von Clover Coaching und Andreas Büttiker, Direktor der Baselland Transport AG über New Work, Hard Work, Teamspirit und den Wertewandel in der Arbeitswelt.
von Peter Levetzow
PRESTIGE BUSINESS: Nicht zuletzt durch die Pandemie hat der Bereich New Work eine völlig neue Bedeutung erhalten. Wie beurteilen Sie diesen Trend, auch durch die zunehmende Globalisierung und Digitalisierung, Herr Büttiker?
Andreas Büttiker: Die Digitalisierung findet schon seit mehreren Jahren statt und in allen Lebensbereichen, privat, aber auch geschäftlich, Einzug gehalten. Das Gleiche gilt für die Globalisierung und die weltweite Arbeitsteilung. Man stösst da aber auch an gewisse Grenzen wie die internationalen Lieferketten jetzt zeigen. Was versteht man genau unter New Work? Es ist ein bisschen so ein Modewort. Es bedeutet weg zu gehen von eingefahrenen Hierarchien hin zu Mitarbeiterführung auf Selbstbestimmungsbasis. Und da
muss ich sagen, es gibt schon eine ganz klare Transformation, die ich feststelle: Homeoffice und Coworking Spaces, das steht so ein wenig für New Work. Durch die Pandemie hat sich sicher auch die digitale Zusammenarbeit über Teams, Zoom und Videokonferenzen verändert und man fragt sich wirklich, muss ich jetzt wirklich wegen dieser Sitzung nach Bern oder nicht. Nicht jede Arbeit ist von New Work gleich betroffen. Ich glaube, rund 90Prozent der Arbeit sollte man dennoch vor Ort erledigen, insbesondere was die Arbeit im Vorstand, im Depot und in der Verwaltung betrifft. Es gibt aber auch dort gewisse Funktionalitäten, die man anders gestalten kann, zum Beispiel auch von zu Hause. New Work ist für mich ein wenig ein Schlagwort geworden, und wir müssen jetzt wieder ein schauen, dass Homeoffice, das bisher eine Pflicht war, wieder richtig eingeordnet wird. Durch die Homeoffice-Pflicht ging viel Innovation verlorengegangen und eine gewisse Führungslosigkeit hat Einzug gehalten. Der Betrieb wurde am Leben gehalten. Aber die Unternehmenskultur hat aus meiner Sicht auch Schaden genommen.
New Work bezeichnet auch den Wandel in der Arbeitswelt, vor allem auch durch die Bedürfnisse und Ansprüche der neuen Generationen, the new generation. Das Stichwort Employer Branding gewinnt an Bedeutung, besonders um die guten Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und dann auch am Arbeitsmarkt zu gewinnen?
Andreas Büttiker: Wir versuchen uns auf die verschiedenen Bedürfnisse der Generationen einzustellen. Und das ist wirklich eine Herausforderung. New Work suggeriert manchmal ein bisschen das selbstverwaltete Gruppen sich selbst führen, da habe ich gewisse Vorbehalte. Die Werte sind unabhängig von den Generationen, dazu gehören Werte wie Respekt, Leidenschaft, Fortschritt und Begeisterung. Der Mensch ist de facto gleichgeblieben. Er sucht Wertschätzung, er sucht Anerkennung, er sucht Sicherheit, unabhängig von der Generation und der New Work Bewegung. Die Art und Weise, wie man arbeitet, wie man Prioritäten zwischen Leben und Job setzt, das hat sich verändert. Aber ich glaube, die Grundwerte, die jeder Mensch sucht, die sind gleichgeblieben.
Homeoffice hält nun auch Einzug in Grosskonzerne?
Andreas Büttiker: Ja, das wurde jetzt durch die Pandemie ausgelöst. Homeoffice hält nicht nur Einzug in die Grosskonzerne, sondern je nachdem auch in gewisse KMU. Es hat aber auch seine Grenzen. Der Mensch braucht soziale Kontakte, die ihn beflügeln, die ihm Nähe geben. Ich stelle fest, dass durch das Homeoffice viel Innovation und Austausch verlorenging. Gerade bei Banken und Versicherungen, wo die Erreichbarkeit erst einmal sichergestellt werden muss, damit die Betriebe überhaupt weiter funktionieren können. Homeoffice ist nicht für jeden das Beste. Es ist gut dass die Pandemie das salonfähig gemacht hat und auch ich musste neu denken. Ich dachte zuerst, das kommt nicht infrage.
Doch auch bei BLT haben wir nun Homeoffice eingeführt, für die, die das können und mit klaren Spielregeln. Aber Homeoffice ist nicht die Lösung aller Probleme und es ist auch nicht jeder für Homeoffice gemacht. Das Arbeitsmittel Homeoffice muss sehr überlegt und gut eingesetzt werden. Für mich stellt sich hier auch noch die Frage, ob das Homeoffice dem Beruf eine neue Wertigkeit gegeben hat. Fakt ist, es gibt Mitarbeiter, die Homeoffice machen können und es gibt die, die das nicht können. Ich sehe das auch bei uns: Wagenführerinnen, Wagenführer und Depotmitarbeitende, sie alle müssen auf der Matte stehen. Und dann gibt es andere, die ihre Arbeitszeit frei wählen können und an den Wochenenden nicht arbeiten müssen. Die können zusätzlich Homeoffice machen.
Santino Cambria: Corona hat das Homeoffice durchaus befeuert, wie Sie es gesagt haben, Herr Büttiker. Durch die neue Denkweise könnte es für gewissen Unternehmen mit grossen Verwaltungs-, Planungs- und Forschungsabteilungen interessanter sein Homeoffice-Tage zu ermöglichen. Denn hier besteht sicher auch eine Aussicht darauf, dass man gewisse Produktivitätsvorteile schaffen kann oder auch der Bedürfnisfrage von Arbeitnehmenden entsprechen kann, insbesondere von den neuen Generationen. Und ich denke auch, wenn es konzeptionell gut durchdacht und gut organisiert ist, kann ein guter Mix zwischen Präsenz und Homeoffice, durchaus die Produktivität steigern. Aber immer abhängig von der Selbst- und Methodenkompetenz eines jeden Einzelnen.
Wie ist es um unsere sozialen Kontakte im Arbeitsleben bestellt? Also wie grundsätzlich ist der Wert von der informellen Kommunikation für das Unternehmen, für die Mitarbeiter im Gang oder in der Teeküche, nicht zu unterschätzen? Insbesondere wenn es um den lockeren Informationsaustausch und den Teamspirit geht?
Andreas Büttiker: Der Mensch ist in erster Linie ein soziales Wesen. Er braucht den Kontakt, Distanz und Nähe, der Mensch braucht persönliche Beziehungen. Es gibt so eine wunderbare Aussage von Wilhelm von Humboldt, dem preussischen Gelehrten und Staatsmann aus dem 18.Jahrhundert. Er hat gesagt, im Grunde sind es die Verbindungen zwischen Menschen, die dem Leben seinen Wert geben. Das ist der zentrale Aspekt, die sozialen Kontakte. Man muss sich dann auch wieder zurückziehen und arbeiten können. Aber das ist der zentrale Treiber und durch die sozialen Möglichkeiten der Digitalisierung, Homeoffice und Coworking Spaces, muss man wieder einen Weg finden, wie man die sozialen Kontakte aktivieren kann.
Immer mehr wird das Thema Work-Life-Balance diskutiert: Das Motto der Neuzeit: Geld allein macht nicht glücklich?
Andreas Büttiker: Geld allein hat noch nie glücklich gemacht. Aber kein Geld zu haben, hat eben auch nicht glücklich gemacht. Es findet ein Wertewandel statt. Wie wir vorhin schon gesagt haben: Die Babyboomer-Generation und die Nachkriegsgeneration sind anders geprägt, Aufbruch, Leistungswille, Leistungsbereitschaft waren ein Muss, die Arbeit die Basis. Persönliche Bedürfnisse hat man eher zurückgestellt. Vor 20Jahren habe ich zum
ersten Mal den Begriff Work-Life-Balance gehört, weil man gesehen hat, der Mensch arbeitet sich kaputt.
Santino Cambria: Geld allein macht nicht glücklich, das ist eine alte Binsenweisheit. Aber wir älteren Generationen in den 2000ern wollten das nicht wahrhaben. Die neuen Generationen sehen das tatsächlich so. Tendenziell wollen sie nicht mehr so viel arbeiten, wie wir früher. Der Begriff Work-Life-Balance ist dem Begriff Work-Life-Blending gewichen. Die ewige Suche nach Balance zwischen Arbeit und Freizeit ist immer konfliktbehaftet, denn irgendwas kam trotzdem immer zu kurz, entweder die Arbeit oder das Privatleben. Work-Life-Blending entzerrt diesen Konflikt, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwinden, wenn die persönlichen Bedürfnisse im Tagesablauf besser berücksichtigt werden. Das entspannt auch mehr. Und das schafft auch mehr Freude an der Arbeit und mehr Lebensqualität. Interessant die der Begriff Remote Work, also Arbeiten von irgendwo her, da haben wir bereits darüber gesprochen und wie sich das entwickelt, wissen wir noch nicht.
Ist hard work die Grundlage für Erfolg? Wird zunehmend nicht der Spassfaktor in den Vordergrund gestellt?
Andreas Büttiker: Also auf diese Frage habe ich eine klare Antwort: Erfolg ist nur durch harte Arbeit möglich. Ob man WorkLife- oder Life-Work-Balance macht, das spielt keine Rolle. Aber harte Arbeit und Freude an der Arbeit sind keine Gegensätze. Erfolg beflügelt und animiert auch. Wenn man nur in einer Spassgesellschaft unterwegs ist, und trotzdem ein Looser ist, dann findet man keine Befriedigung. Erfolg bedingt harte Arbeit und das muss nicht per se negativ sein.
Santino Cambria: Der Begriff Spassfaktor passt für mich nicht, das hat für mich was
mit Parties zu tun. Ich glaube aber auch, dass es nicht darum geht. Es ist nicht entscheidend, möglichst viele Sachen zu machen, viele Dinge zu tun und das mittels
harter Arbeit abzuarbeiten. Vielmehr geht es darum, die richtigen Dinge zu tun. Nicht
immer einfach, das eine vom anderen zu unterscheiden. Und Freude an der Arbeit entsteht dann, wenn man sich mit dem, was man macht, identifizieren kann. Dann spielt es auch keine Rolle, wie hart die Arbeit ist. Und die neuen Generationen haben, was das angeht, hohe Ansprüche. Sie wollen Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit und in dem, was sie tun. Und Sinnhaftigkeit vermittelt aus meiner Sicht Freude. Darum nicht Spassfaktor, sondern Freude an der Arbeit, die nicht immer Freude machen kann. Denn es gibt manchmal auch
harte und schwierige Tage, die nicht so erfreulich sind.
Führen von oben funktioniert nicht mehr. Liegt es an den fehlenden Patrons?
Andreas Büttiker: Autoritäte Führung hat vor 50Jahren funktioniert. Schon lange angesagt ist partizipative Führung. Die Menschen wollen ernst genommen werden und sich weiterentwickeln. Ich glaube, es ist eher ein bisschen eine allgemeine Orientierungslosigkeit da, auch durch den Werteverlust. Früher war alles klarer. Was heute gilt, ist manchmal schwierig festzustellen. Und was heisst Patron? Ich glaube, Patron hat bei mir eine positive Assoziation. Aber ich glaube, wir brauchen moderne Patrons. Auch der Patron-Begriff muss sich anpassen. Und was ist für mich ein moderner Patron? Natürlich einer, der unternehmerisch denkt, für mich sind das aber auch integre, wertebasierte Führungspersönlichkeiten, die glaubhafte Vorbilder darstellen und bei denen es nicht nur um sie selbst geht, sondern er trägt auch die Fürsorge für seine Mitarbeiter.
Santino Cambria: Mir ist nicht ganz klar, was unter Führung von oben gemeint ist, aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die meisten Leute schon immer Führung gebraucht haben. Und weiterhin auch brauchen werden, insbesondere in schwierigen Zeiten. Die Ansprüche an die Führungskräfte sind aufgrund der Bedürfnisse und der Ansprüche der neuen Generationen massiv gestiegen. Und wenn man mit Patrons Leadertypen meint, die
vorangehen und es verstehen, ihre Mitarbeitende emotional mitzunehmen – die hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Und sie werden vor allem dringend benötigt. Wenn man mit Patron aber Führungskräfte meint, die alles besser wissen, die auf autoritäre Art ihre Mitarbeiter zum Handeln bewegen möchten, dann hat das vielleicht früher funktioniert, wird aber heute und in Zukunft nicht mehr gelingen. So gesehen sehe ich den Patron-Begriff eher schwindend, er ist ein wenig verstaubt. Ich würde sie heute als Leader bezeichnen. Der positive Patron aus der Vergangenheit ist der heutige Leader, der vorangeht unddie Leute mitzieht und auf werteorientierte Art auch behandelt und auch mal eine Ansage macht, wenn sie nötig ist.
Die Generation Y hat die Berufsstartphase gemeistert und startet nun ins Berufsleben. Wie beurteilen Sie diese Generation und die nachfolgenden?
Andreas Büttiker: Die Generation Y ist jetzt zwischen 20 und 35Jahre alt. Ich habe Kinder in diesem Alter. Und wie wir vorher schon gesagt haben, ist der Sinn für diese Generation sehr wichtig. Auch Werte wie Nachhaltigkeit spielen für junge Leute eine wichtige Rolle. Mit dem Thema Nachhaltigkeit können wir junge Leute gewinnen. Eben Employer Branding, für
welche Werte steht das Unternehmen? Persönliche Entwicklung ist wichtig, Freiheit steht im Zentrum und Unabhängigkeit. Der Lohn steht nicht an erster Stelle, der ist sekundär. Sie müssen sich wohlfühlen. Sie wollen ernst genommen werden. Sie wollen sich einbringen, mitdenken und Verantwortung tragen. Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Literatur, wo über den Wertezerfall und die verantwortungslose Einstellung der neuen Generation geschrieben wird. Die jungen Leute sind immer das Produkt der Gesellschaft. Schlussendlich haben wir Älteren sie erzogen, und sie sind nicht die besseren oder die schlechteren Menschen als die ältere Generation. Viel entscheidender ist, wie wir mit ihnen umgehen. Und Tatsache ist, dass die Welt sie braucht und wir älteren Generationen die Werte und Tugenden den neueren Generationen vorleben und weitergeben sollten.
Santino Cambria: Und dann muss man noch sehen, dass wir von einer Generation reden, die jetzt 25 bis 35Jahre ist, also am Anfang ihres Berufslebens steht. Wenn die Generation eine Familie gründet und eine gewisse Lebenserfahrung hinter sich hat, mit 50 oder 60 Jahren sieht man dann auch wieder vieles anders. Die 68er waren erst Weltverbesserer und haben sich dann doch einer boomenden Wirtschaftswelt angepasst.
Andreas Büttiker: Die wenigsten Hippies sind Hippies geblieben.
Santino Cambria: Ja, das ist so. Und die verrücktesten Hippies haben nicht die erfolgreichsten Lebensläufe gehabt, aber die spannendsten.
Gesprächspartner:
ANDREAS BÜTTIKER, DIREKTOR DER BASELLAND TRANSPORT AG
Andreas Büttiker ist seit über 25Jahren Direktor der Baselland Transport AG und hält zahlreiche Verwaltungsratsmandate, darunter das Amt des Präsidenten der Primeo Energie AG, er sitzt im Verwaltungsrat der Schweizerischen Rheinhäfen, ist Verwaltungsratspräsident der Pick-e-Bike AG und der Moving Media Basel AG, sowie im Strategierat Allianc SwissPass. Andreas Büttiker hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel und an der Standford Universität in den USA studiert. Im April wurde bekannt, dass Büttiker im kommenden Jahr von seiner Funktion als Direktor der
Baselland Transport AG zurücktritt. Einen geeigneten Nachfolger oder Nachfolgerin zu finden, hat für ihn oberste Priorität.
SANTINO CAMBRIA, GESCHÄFTSFÜHRER CLOVER COACHING AG
Santino Cambria bringt durch seine über 30-jährige Berufserfahrung als Unternehmer, Führungskraft und Berater in den Bereichen Human Resources und Business Coaching ein breites Know-how bei allen Personalrekrutierungs- und Personalentwicklungsfragen mit. Er berät namhafte Firmen aus unterschiedlichen Branchen zur richtigen Investition in ihre Mitarbeitenden, die aus seiner Erfahrung den Erfolg einer Unternehmung bestimmen. Die Erstellung von Lösungskonzepten zur methodisch erfolgswirksamen Entwicklung von Unternehmensbzw. Führungskulturen und zur Kompetenzerweiterung in den
Bereichen Leadership, Kommunikation und Verkauf gehören zu seinen Schwerpunkten. Er absolvierte eine Ausbildung im Bankwesen und studierte Betriebsökonomie mit Schwerpunkt Personalmanagement und Marketing an der FHNW in Basel.