Der Schweizer Verein PROBIGUA (Proyecto Bibliotecas Guatemala) unterstützt mit Spenden und persönlicher Direkthilfe vor Ort in Guatemala den Aufbau von Schulen in ländlichen Gebieten, die Ausbildung von Lehrkräften – insbesondere werden junge Frauen dank Stipendien zu Lehrerinnen ausgebildet – und leistet Ausbildungsbeihilfen für Schüler. Was mit der Beschaffung und dem persönlichen Umbau eines amerikanischen Schulbusses in eine fahrende Bibliothek begann, hat sich zu einem international beachteten Bildungsprojekt entwickelt. Es wurde nicht nur vom Bund, von den Kantonen Baselland und Basel-Stadt, namhaften Firmen, der Einwohner- und der Reformierten Kirchgemeinde Muttenz, Privaten oder von der Königlich-Schwedischen Bibliothek unterstützt, sondern auch zum Beispiel mit dem «Access to Learning Award» der Bill & Melinda Gates Foundation, die gleichzeitig für einen nicht unerheblichen Betrag Computer für die Schulen stiftete, ausgezeichnet. Im Interview mit dem «Geschäftsführer» spricht Max Umiker über die aktuellen Projekte, aber auch die Wertschätzung, die ihm und allen am Projekt Beteiligten in Guatemala entgegengebracht wird.
«Geschäftsführer»: Können Sie kurz die beiden Schulen, welche letztes Jahr in Guatemala eingeweiht wurden, beschreiben?
Max Umiker: Im März 2014 weihte PROBIGUA die neue Sekundarschule in San Marcos, auf 3000 Metern über Meer in einer Erdbebenzone am Vulkan Tajumulco, ein. Das alte Haus wurde vor zwei Jahren durch ein Erdbeben total beschädigt und war nicht mehr benutzbar. Nun ist ein neues Gebäude entstanden, welches auch als Gemeindesaal dient, da eine Wand zwischen zwei Klassenzimmern geöffnet werden kann. Das Haus ist nun übrigens erdbebensicher und hat bereits ein starkes Beben im
August ohne irgendwelche Schäden überstanden. Das zweite Schulhaus baute PROBIGUA in der Hogar Nuestra Señora de los Remedios, einem Heim für verstossene und vergewaltigte Mädchen in Jalapa. Dort fehlte bis anhin eine Schule, und die Kinder mussten jeweils eine Stunde zu Fuss zur nächsten Schule marschieren. Insgesamt wurden auf dem grossen Areal vier Schulzimmer gebaut. Dabei wurde die Option geschaffen, zu einem späteren Zeitpunkt einen weiteren Stock darauf zu errichten, da das Heim wegen der grossen Nachfrage nach Betreuungsplätzen ausgebaut und dementsprechend auch die Schule erweitert werden wird.
Inwieweit kann PROBIGUA dazu beitragen, die hohe Zahl von Analphabeten in Guatemala zu reduzieren?
Das Land leidet immer noch unter den Folgen des Bürgerkriegs, der erst 1996 durch die Unterzeichnung eines Friedensvertrages formell für beendet erklärt wurde. Naturkatastrophen, schlechte Infrastruktur, Landflucht, eine prekäre Sicherheitslage, enorme Unterschiede zwischen Arm und Reich, Korruption sowie instabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse behindern die Entwicklung zu einem modernen Staatswesen. In Guatemala, in dem verschiedene indigene Gruppen leben und – neben der Amtssprache Spanisch – verschiedenste Sprachen gesprochen werden, sind ca. 40 Prozent der Bevölkerung Analphabeten. Der Zugang zu Bildung für breite Bevölkerungsschichten und deren Alphabetisierung ist eine Sisyphus-Arbeit. Dank des Engagements von PROBIGUA und anderen Organisationen können aber punktuell Fortschritte erzielt werden. Tatsächlich – genaue Zahlen gibt es nicht – scheint in den letzten Jahren die Zahl der Menschen, die nicht lesen und schreiben können nicht zuletzt dank des Internets abzunehmen. Dementsprechend habe ich bei meinen Besuchen immer ein paar gebrauchte Laptops in meinem Gepäck, die ich in den Schulen verteile.
Wird denn Ihr Engagement in Guatemala überhaupt gewürdigt?
Absolut. In der betroffenen Bevölkerung sowieso, aber auch an höchster Stelle. So wurde mir 2011 in Anwesenheit der guatemaltekischen Ministerin für Sport und Kultur und des Schweizer Botschafters von der Regierung für meine Verdienste der Titel «Embajador de la Paz» verliehen. Titel sind mir zwar nicht so wichtig, aber sie sind Ausdruck der Wertschätzung gegenüber all jenen, die sich im Projekt PROBIGUA engagieren. Vor allem schaffen sie in der Öffentlichkeit Publizität für unser Anliegen. So wurde ich zum Beispiel bei meinem letzten Besuch von einer Grossbank in Guatemala Stadt eingeladen, in einem feierlichen Festakt die Nationalflagge auf dem Finanzplatz zu hissen und über PROBIGUA zu sprechen. Darüber berichtete nicht nur die Presse, auch der Generaldirektor der Bank liess es sich nicht nehmen, mir einen Check zu überreichen, von dem wir Lebensmittel für das Kinderheim in Jalapa kauften. Ebenfalls eindrücklich war die Einladung im Palast des päpstlichen Nuntius, der übrigens dafür sorgen wird, dass ich in absehbarer Zeit in Rom vom Papst zu einer Audienz empfangen werde. Gerade die Katholische Kirche hilft uns immer wieder, die Schülerinnen und auch die Kinder in Jalapa in ihren Klöstern oder Heimen unterzubringen.
Wie kommt eigentlich ein Garagist aus dem Baselbiet dazu, in Guatemala Bildungsprojekte aufzubauen und zu fördern?
Meine Tauchkollegen animierten mich vor vielen Jahren, für unsere Tauch-Trips in Lateinamerika Spanisch zu lernen. Dabei habe ich ein Inserat einer Sprachschule in Guatemala gelesen, die mit dem Erlös von Spanisch-Kursen soziale Projekte unterstützt. So ging ich nach Guatemala und lernte Rigoberto Zamora, den Direktor dieser Sprachschule, und sein Projekt PROBIGUA kennen, mit dem er Bildungsprojekte in den ländlichen Gebieten von Guatemala fördert. Seine Schilderungen vom Bildungsnotstand und meine eigenen Wahrnehmungen davon haben mich sehr beschäftigt. Zurück in der Schweiz habe ich mich 1998 entschlossen, den Verein PROBIGUA Schweiz zu gründen. Der ehemalige Regierungsrat Andreas Koellreuter sowie meine Frau haben dazu die Weichen gestellt. Dank Beiträgen aus den beiden Basler Kantonen konnten wir als Erstes einen alten amerikanischen Schulbus kaufen, den wir in Eigenregie zu einer fahrenden Bibliothek umbauten und mit 3 000 Büchern bestückten. So hat sich das Projekt Schritt für Schritt entwickelt und hat mich seither nicht mehr losgelassen.