Speicherkapazität dürfte im Stromnetz der Zukunft zunehmend gefragt sein. Denn die Einspeisung von Solar- und Windstrom schwankt abhängig von Tageszeit und Wetterlage erheblich. Energiespeicher sind ein probates Mittel, überschüssige Energie aufzunehmen, bis diese von den Konsumenten abgerufen wird. Ein neuer Weg, Speicherkapazität zu schaffen, sind leistungsfähige Batteriespeicher. Sie können elektrische Energie in grosser Menge aufnehmen und bei Bedarf schnell wieder abgeben. Gegenüber Pumpspeicherkraftwerken haben sie den Vorteil, dass sie an sehr verschiedenen Stellen ins Stromnetz integriert werden können. So können Schwankungen bei der Einspeisung ins Stromverteilnetz, verursacht durch dezentrale Kraftwerke, durch dezentrale Speicher ausgeglichen werden. Damit lassen sich im günstigen Fall teure und umstrittene Ausbauten von Stromtrassen vermeiden.
Effiziente und zuverlässige Batteriespeicher
Schweizer Energieversorger haben netzgebundene Batteriespeicher in den letzten Jahren vereinzelt schon in Betrieb genommen. So setzen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) seit Frühjahr 2012 in Dietikon (ZH) einen Speicher mit einem Speichervolumen von 500 Kilowattstunden (kWh) und einer Leistung von 1000 Kilowatt (kW) ein. Sein Speichervolumen reicht aus, um einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt während 40 Tagen mit Strom zu versorgen. Dieser und weitere Netzspeicher haben bisher Pilotcharakter; ein breit gefächerter Einsatz gehört aber zu den möglichen Zukunftsszenarien der Schweizer Stromversorgung.
Um für diese mögliche Entwicklung gewappnet zu sein, erarbeiten Wissenschaftler heute schon die entsprechenden Grundlagen. Zwar ist es heute schon möglich, grosse Batteriespeicher zu bauen und ins Stromnetz zu integrieren, wie das EKZ-Beispiel zeigt. «Wir suchen aber Lösungen, mit denen Netzspeicher künftig verlustärmer und zuverlässiger betrieben werden können», sagt Prof. Jürgen Biela vom Labor für Hochleistungselektronik der ETH Zürich. Diese Idee soll in kostengünstigen, kompakt gebauten Batteriespeichern mit langer Lebensdauer umgesetzt werden, die zugleich über eine effiziente Leistungselektronik ins Stromnetz integriert werden. Diese Zielsetzung verfolgt ein vom Bundesamt für Energie unterstütztes Forschungsprojekt, das der ETH-Forscher André Hillers gegenwärtig im Rahmen seiner Doktorarbeit am Lehrstuhl von Prof. Jürgen Biela umsetzt.
Verzicht auf den Transformator
In Zukunft dürfte das Einsatzgebiet von Batteriespeichern primär im Mittelspannungsnetz liegen. Das Mittelspannungsnetz besteht aus Freileitungen und Kabelleitungen, die den Strom bei einer Spannung von 10 bis 35 Kilovolt (kV) von den regionalen Unterwerken an die Trafostationen in den Stadtteilen und Landbezirken weiterleiten, wo der Strom auf Niederspannung (400 bzw. 230 V) transformiert wird, wie er den Haushalten dann zur Verfügung steht. Batteriespeicher – für sich betrachtet – arbeiten auf Niederspannungsebene (typischerweise weniger als 1 kV) und werden mit Gleichstrom betrieben. Sollen sie ins regionale Mittelspannungs-Verteilnetz integriert werden, muss an der Schnittstelle Netz / Batterie der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt und die (höhere) Netzspannung auf die (tiefere) Batteriespannug transformiert werden.
Für diese Umwandlung werden Transformatoren eingesetzt, welche die Mittel- in Niederspannung umwandeln, jeweils gepaart mit einem Konvertersystem, das den Niederspannungs-Wechselstrom in Gleichstrom mit einer batteriegerechten Spannung verwandelt. Transformatoren arbeiten verlässlich, haben aber einen doppelten Nachteil: Sie nehmen in den Speicherstationen viel Platz in Anspruch und weisen sowohl im Leerlauf als auch unter Last nicht unerhebliche Verluste auf.
30 Batteriemodule in Serie geschaltet
Um eine platzsparende, verlustärmere und kostengünstigere Alternative zu schaffen, arbeitet ETH-Forscher Hillers an einem neuen Konzept, welches bei Leistungselektronikern im In- und Ausland gegenwärtig hohe Aktualität hat. Die Grundidee dabei: Der Batteriespeicher wird so gebaut, dass er ohne Transformator direkt ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden kann. Wie das funktioniert, erklärt André Hillers so: «Bis anhin besteht ein Batteriespeicher einfach ausgedrückt aus einem Batterieblock, der über einen Konverter und Transformator ans Mittelspannungsnetz angeschlossen wird. Anders bei uns: Wir unterteilen den Batterieblock in kleinere Teileinheiten, so dass Batterieelemente mit gleicher Spannung, aber geringerer Kapazität entstehen. Jedem dieser Batterieelemente ordnen wir eine eigene Konvertereinheit zu. Die so erschaffenen Batterie-Konverter-Module sind physikalisch voneinander isoliert und können daher ohne weiteres in Serie geschaltet werden.» Dank dieser Serienschaltung erreicht man für den Batteriespeicher sehr effizient eine hohe Ausgangsspannung: der Batteriespeicher kann direkt ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden. Ein Netztransformator ist nicht mehr erforderlich.
Die konkrete Anwendung in einem künftigen Speichersystem könnte dann wie folgt aussehen: Statt eine grosse Batterie mit 5 000 kW Leistung mit einem (grossen) Konvertersystem zu kombinieren, werden z. B. 30 Batterien mit jeweils rund 166 kW mit einzelnen (kleinen) Konvertereinheiten versehen. Diese Module (Batterie mit Konvertereinheit) werden anschliessend in Serie geschaltet – zu einem Batteriespeicher mit 5 000 kW Leistung. «Unsere modulare Anlage arbeitet nicht nur effizienter als herkömmliche Systeme, sondern kann auch störungsresistent ausgelegt werden. Tritt in einem Batteriemodul ein Defekt auf, kann man dieses überbrücken, die anderen 29 Batteriemodule aber trotzdem nutzen», sagt André Hillers. Um die Zuverlässigkeit eines Batteriespeichers weiter zu erhöhen, muss man diesen jedoch von Beginn weg mit Reservemodulen ausstatten, die im Fall eines Modulausfalls zugeschaltet werden können. Damit lassen sich die Wartungsintervalle des Batteriespeichers verlängern.
Als Konvertertopologie dieses neuartigen Batteriespeichers werden modulare Mehrpunktstromrichter eingesetzt (engl. Modular multilevel converter, kurz M2C). Die M2C-Konvertertechnologie wird dabei ergänzt, indem jedes Modul mit zusätzlicher Intelligenz (technisch gesprochen: einer Leistungskonversionsstufe) ausgestattet wird. Dank dieser Zusatztechnologie lässt sich der Lade- und Entladevorgang in den Batteriemodulen optimal steuern. Die zentrale Kontrolleinheit, welche die Steuerbefehle über Lichtwellenleiter an die einzelnen Batteriemodule überträgt, muss zu diesem Zweck in Echtzeit Zugriff auf die Messdaten aller 30 Module haben. Dies wird mit dem eigens am Institut für Hochleistungselektronik entwickelten «Synchronous Converter Control Bus» (SyCCo-BUS) erreicht. Die Entwicklung des gesamten Steuerungssystems ist eine zentrale Herausforderung des Forschungsprojekts und enthält ein grosses Potenzial für innovative Anwendungen in verteilten Batteriespeichern und darüber hinaus.
Nachfrage des Marktes unklar
Das Konzept für die modularen Batteriespeicher steht, sowohl die Steuerungsalgorithmen als auch der Systemaufbau wurden in den Computersimulationen validiert. Die Genauigkeit der Rechnungsmodelle wird zurzeit an einem Prototypen überprüft, den André Hillers zusammen mit anderen Forschenden am Labor für Hochleistungselektronik entworfen hat. Der Prototyp besteht aus bis zu achtzehn Batteriemodulen, die zu einem Batteriespeicher mit 1,5 kW Leistung zusammengeschaltet werden können. Diese Technologie kann dann später zu einem grossen Batteriespeicher skaliert werden. Als Industriepartner steht dem ETH-Forscher der ABB-Konzern zur Seite. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass die neue Technologie anschliessend zu einem marktreifen Produkt entwickelt werden kann, das die geltenden Normen und Sicherheitsauflagen erfüllt. Einziger Wermutstropfen: Heute ist noch nicht absehbar, in welchem Umfang netzgebundene Batteriespeicher auch in der Schweiz zu einer wirtschaftlich interessanten Option zur Stromspeicherung werden.