Die Mutter aller Crowdsourcing-Beispiele ist wohl die Wikipedia. Seit mehr als zehn Jahren pflegt eine grosse Anzahl Internetbenutzer gemeinsam die grösste Enzyklopädie der Welt. Es gibt aber auch junge Erfolgsbeispiele wie die australische Designplattform 99designs.com, auf der über 200›000 Grafiker und Künstler Logos, Web-Designs und andere grafische Arbeiten erstellen. Oder das Schweizer Beispiel der Crowdsourcing-Plattform Atizo. Auf atizo.com entwickeln über 20›000 kreative Köpfe Produkt-, Dienstleistungs- und Marketingideen für kleine und grosse Unternehmen. Die folgenden Zeilen zeigen an Praxisbeispielen, wie das Potenzial der Crowd zum Finden und Bewerten von Ideen genutzt werden kann.
Crowdsourcing mit Atizo
Der Name Atizo wurde als erstes Projekt von der Community selbst, namentlich von Markus Jaun, Muriel Riesen und Tonia Villiger, entwickelt. Atizo ist spanisch, stammt von «atizar», was zu Deutsch «schüren» oder «entfachen» heisst. Wie Feuer oder Ideen schüren. Atizo pflegt eine wachsende Web-Community aus kreativen Denkern, die sich durch ihr Anwender-, Konsumenten- und Spezialwissen auszeichnet. Zur Aktivierung der eigenen Kunden und Mitarbeiter stellt Atizo eine White-Label-Version zur Verfügung, die von Unternehmen und Organisationen unterschiedlichster Grösse und Branche eingesetzt wird.
Die Software ermöglicht Unternehmen, ihre unterschiedlichen Stakeholder über verschiedene Kanäle einzubinden. So können Facebook-Fans ihre Ideen direkt auf der Facebook-Page des Unternehmens einreichen, die Aussendienstmitarbeiter übers Handy nach inspirierendem Kundenbesuch, die Marketingabteilung übers Intranet, die wichtigsten Kunden nach erfolgreichem Bestellprozess übers Extranet und die Besucher der Webseite über ein Widget. Die Ideensammlung über die unternehmenseigenen Kanäle kann nach Bedarf stets mit der Atizo-Community unterstützt werden.
Die Atizo-Methode wurde in einem Forschungsprojekt der Kommission für Technologie und Innovation gemeinsam mit der Universität St. Gallen entwickelt:
Schritt 1: Fragen ausarbeiten
In einem Workshop werden die brennenden Themen analysiert und Fragestellungen formuliert, die für eine Online-Community geeignet sind und ein Maximum an Ideen garantieren.
Schritt 2: Ideen finden
In einem Online-Projekt liefert die Community 200 bis 1000 Ideen.
Schritt 3: Ideen auswählen
Auf der Basis von mehreren hundert Ideen werden die 10 bis 20 besten Ideen ausgearbeitet. Für jede dieser Ideen wird ein Steckbrief mit anschaulicher Visualisierung verfasst.
Schritt 4: Ideen bewerten
Die Community bewertet die 10 bis 20 Ideen und reichert sie mit qualitativem Feedback an.
Schritt 5: Umsetzung planen
Für die 10 bis 20 Ideen wird eine Umsetzungsplanung verfasst. Notwendige Umsetzungsressourcen können aus der Community rekrutiert werden.
Das Beispiel
Migros betreibt seit zwei Jahren die Kundenfeedback-Plattform Migipedia. Die eigene Community umfasst inzwischen 25›000 registrierte Mitglieder. Wobei auch nicht registrierte Benutzer jederzeit das Migros-Sortiment beurteilen können. Diese bewerten einerseits über 13›000 Produkte, anderseits entwickeln sie aktiv gemeinsam mit der Atizo-Community neue Produkte für die Migros.
Ein gemeinsames Projekt startet jeweils mit dem Workshop «Frage ausarbeiten», moderiert durch einen Vertreter von Atizo. Beim Projekt mit Mibelle und Migros nahmen ein Vertreter vom Industriebetrieb Mibelle, der zuständige Category Manager sowie eine Person aus dem Digital Marketing teil. Es wurde eine Frage mit folgendem Titel ausgearbeitet: «Gesucht: ‹I am›- Dusch-Gels für einzigartige Frauen und unkomplizierte Männer». Die Frage wurde sowohl mit der Migipedia- wie mit der Atizo-Community bearbeitet. Die Communities entwickelten gemeinsam über 800 Ideen. Etwa hundert Ideen wurden von den Vertretern der Mibelle, dem Category Management und dem Digital Marketing der Migros für den Workshop ausgewählt. Mit diesen Ideen startet eine Gruppe von internen und externen Querdenkern in den Workshop «Ideen auswählen». Gemeinsam mit dem Atizo-Moderator wurde ein spezifischer Ideensteckbrief erarbeitet. Basierend auf den Ideen der Community wurden 16 Ideen anhand des Steckbriefs ausgearbeitet. Diese Ideen wurden vom Industriebetrieb als Prototypen umgesetzt. Bei einem Community-Event wurden die besten Prototypen von ausgewählten Konsumenten getestet. Die besten vier Ideen wurden in einer finalen Abstimmung nochmals der ganzen Migipedia-Community vorgelegt. Die Gewinner-Ideen «Caribbean Night» für Frauen und «Dirty Harry» für Männer stehen seit letztem Sommer im Regal der Migros. Myriam Schärli, Account Managerin bei Mibelle, freut sich über die Ergebnisse: «Die vielen kreativen Ideen der Teilnehmer haben uns begeistert.»
Crowdsourcing als Denkhaltung
Crowdsourcing ist nicht eine Unternehmensaufgabe, sondern eine Denkhaltung. Game Changer müssen sich überlegen, welche Teile des Innovationsprozesses in ihren Unternehmen sie an eine Web-Community auslagern sollten. «Not all the smart people in the world work for us.» Das Zitat des ehemaligen CEO von SUN Mircosystems, Bill Joy, verdeutlicht, dass die Integration unternehmensexterner Know-how-Trägerinnen und -Träger dabei helfen kann, die Effizienz in den Prozess zu steigern und marktgerechte Lösungen zu entwickeln.
Christian Hirsig ist Gründer und Geschäftsführer der Atizo AG, welche die Crowdsourcing-Plattform Atizo und für Kunden eigene Ideeplattformen betreibt.
Communities entwickeln gemeinsam Ideen.
Das Team hinter Atizo.com
Crowdsourcing nach Methodik von Atizo.