China ist für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) ein zentraler Markt – sei es für Exporte, aber auch für Aktivitäten vor Ort. Allerdings verändert sich das Land rasant und der Handels- und Technologiekonflikt zwischen China und den USA führt zu widersprüchlichen Normen sowie zu Rechtsunsicherheit. Swissmem hat deshalb zusammen mit dem deutschen Maschinenbauverband VDMA eine Studie zu den neuen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in China samt Handlungsempfehlungen an Schweizer Unternehmen in Auftrag gegeben.
Die Studienresultate zeigen die weiterhin hohen Chancen von Schweizer Unternehmen auf dem chinesischen Markt sowie dessen Herausforderungen. Gefordert ist aber vor allem auch die Schweiz als Standort, damit hier tätige Firmen weiterhin weltweit exportieren können. Swissmem fordert eine Politik auf drei Säulen: Erstens soll die Schweiz dank diplomatischer Initiativen unverzichtbar sein. Gleiches sollen unsere Firmen dank ihrer hervorragenden Nischenprodukte erreichen. Diese doppelte Unverzichtbarkeit ist mit aussenwirtschaftlicher Neutralität zu verbinden: Die Schweiz soll generell nur Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats übernehmen. Ziel dieser Strategie ist es, dass es Schweizer Firmen weiterhin möglich ist, weltweit und damit auch in China dank ihrer Technologien und ihrer Arbeitsplätze zum Wohlstandswachstum beizutragen.
Tektonische Verschiebungen zwischen Grossmächten haben in den letzten Jahrhunderten meist zu Konflikten geführt. Besonders betroffen davon sind kleine offene Volkswirtschaften wie die Schweiz. Ihnen ging es in den letzten 70 Jahren, in denen Multilateralismus, Freihandel und Völkerrecht die internationalen Beziehungen prägten, gut. Sie könnten aber zu den grössten Verlierern einer Ära von Protektionismus und Nationalismus gehören.
Studie zeigt Herausforderungen im chinesischen Markt
Zusammen mit dem deutschen Verband für Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat Swissmem die neue Studie «Markt China im Wandel – Wie bleibt der Maschinenbau im Wettbewerb erfolgreich?» durch das Beratungsbüro Sinolytics erstellen lassen. Darin werden die aktuelle sowie die zukünftige erwartete Wirtschaftspolitik Chinas dargestellt und daraus die Herausforderungen für Industrieunternehmen abgeleitet.
Die Studie zeigt verschiedene Liberalisierungs- und Öffnungsschritte von China in Bereichen, die für die Schweizer MEM-Firmen wichtig sind. Sie betont das grosse und wachsende Engagement von China in internationalen Normierungsgremien und kommt klar zum Schluss, dass für Spitzen- und Nischenprodukte aus der Schweiz China weiterhin ein sehr attraktiver Markt bleibt.
Zudem macht sie auf die Gefahr aufmerksam, dass international agierende Schweizer Unternehmen immer mehr in einen rechtlichen Dschungel zwischen den USA, China und weiteren Blöcken geraten können. Im Extremfall können sich die Unternehmen gar nicht mehr in alle Richtungen gesetzeskonform verhalten. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion Chinas auf die Politik der USA, welche chinesische Firmen auf eine US-Sanktionsliste gesetzt haben. Daraufhin hat China seinerseits ein Anti-Sanktionsgesetz erlassen, welches Firmen weltweit der Gefahr von strafrechtlichen Sanktionen aussetzt, wenn diese US-Sanktionen einhalten. Diese Rechtsunsicherheit ist gefährlich und schädlich, da sie entweder investitionshemmend wirkt oder Investitionen Vorschub leistet, die nach politischen und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien gefällt werden.
Unverzichtbarkeit in diplomatischer und wirtschaftlicher Hinsicht
Swissmem fordert von der Schweiz deshalb eine aus drei Pfeilern bestehende Strategie:
- Herstellung möglichst unverzichtbarer Produkte und Dienstleistungen:
Gerade COVID-19 hat der Bevölkerung vor Augen geführt, was die Kunden der Schweizer Industrie schon lange wussten: Viele der hier tätigen Firmen in Technologiefeldern wie Automatisierung, Fertigungstechnologie und ähnlichem sind in ihren Bereichen weltweit führend. Sie sind nicht nur essenziell für allgemeine Herausforderungen, sondern auch für viele Kunden unverzichtbar als spezifische Lösungserbringer. Der beste Schutz für den Standort Schweiz gegen politischen Druck aus dem Ausland ist die Tatsache, möglichst viele dieser Firmen in der Schweiz beheimatet zu wissen. Dies kann durch gute hiesige Rahmenbedingungen sowie moderne Produktion und hochstehende Forschung und Entwicklung erreicht werden. Die Politik soll daher die industriellen Perlen mit guten Rahmenbedingungen unterstützen und dafür sorgen, dass neue Perlen entstehen oder in die Schweiz ziehen. Die Schweizer Firmen können durch ihre Technologien sowie ihre Arbeitsplätze, die bessere Arbeitsbedingungen als lokale Firmen aufweisen, im Ausland ihren wichtigsten Beitrag leisten.
- Unverzichtbarkeit der politischen Schweiz:
Dank guter Dienste und diplomatischer Initiativen – erneut im Interesse der Lösungserbringung – soll die Schweiz für die grossen Machtblöcke vermehrt unverzichtbar werden. Dabei sind die Vorteile der Schweiz, beispielsweise das Zentrum für internationale Zusammenarbeit in Genf, wiederzubeleben. Mit solchen Initiativen kann in Konflikten die Lage von Bevölkerungen verbessert werden und so ein bedeutender und aktiver Beitrag zur Stabilität geleistet werden. Ein positives Beispiel ist die Mediation zugunsten des Waffenstillstands in Mozambique durch den damaligen Schweizer Botschafter vor Ort. Weitere Bereiche für Schweizer Initiativen stellen Reformen verschiedener internationaler Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO dar, um den Multilateralismus sowie die Bedeutung von Völkerrecht und Freihandel erneut zu stärken.
- Sicherheits- und aussenpolitische Neutralität:
Diplomatische Unverzichtbarkeit verlangt Glaubwürdigkeit und dazu ist die sicherheits- und aussenpolitische Neutralität eine Voraussetzung. Die Schweiz soll verhindern, in die Konflikte der Grossmächte hineingezogen zu werden. Als Folge soll sie einzig Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats übernehmen und sicherstellen, nicht als Umgehungsstandort missbraucht zu werden. Generell haben Sanktionen und Boykotte in den vergangenen Jahrzehnten kaum Wirkung gezeigt, sondern vor allem der lokalen Bevölkerung geschadet und Konflikte teilweise sogar angeheizt.
Menschenrechtssituation gezielt kritisieren und verbessern
Diese drei Pfeiler schliessen Kritik der Schweiz an Menschenrechtssituationen im Ausland nicht aus. Dies gilt gegenüber China und anderen Staaten. Entsprechende Kritik soll aber einerseits über die dafür vorgesehenen Plattformen der UNO-Organisationen und andererseits auf dem Weg des bilateralen Dialogs vorgebracht werden. Auf öffentliche Belehrungen ist zu verzichten, viel wirksamer sind Diskussionen hinter den Kulissen. Swissmem fordert deshalb die rasche Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs zwischen China und der Schweiz.
Swissmem ist überzeugt, dass über internationalen Handel und die globale Tätigkeit der Firmen mit ihren 550’000 Mitarbeitenden im Ausland nicht nur der Wohlstand verbessert und Armut bekämpft wird, sondern auch ein positiver Beitrag zugunsten der Menschenrechte geleistet werden kann. Mit der vorgelegten Strategie können einzelne Unternehmen und die Schweiz ihre Verantwortung global am besten wahrnehmen.