Die Umsätze und Passagierzahlen der Schweizer Reisebranche lagen im Sommer 2024 auf dem Niveau des Vorjahres. Das verhalten angelaufene Sommerferiengeschäft erfuhr nach der Fussball-EM einen deutlichen Buchungsschub und erreichte das Niveau des Vorjahres. Eine leichte Buchungsverlagerung in den Herbst ist festzustellen und beschert der Saison einen Buchungseingang über 2023. Und nicht nur das: Trotz der angespannten geopolitischen Lage und einer erhöhten Preissensibilität der Kunden zeichnet sich ein buchungsstarkes Winterhalbjahr ab, wobei insbesondere die Fernstreckenziele deutlich zulegen. Derweil wird das Thema Nachhaltigkeit und Overtourismus die Branche weiter vor Herausforderungen stellen.

Nachdem das Sommergeschäft im Frühjahr 2024 eher verhalten gestartet ist, verzeichnete es im Juli einen deutlichen Buchungsschub. Diese Zunahme ist wohl auf den verregneten Juni sowie das Ende der Fussball-EM zurückzuführen und bescherte der Reisebranche für die Sommersaison ein Umsatzniveau auf der Höhe des Vorjahres. Lediglich die Badeferienbuchungen im unteren Preissegment waren leicht rückläufig.

Sommer-Badeferien bleiben das mit Abstand wichtigste Geschäft

Das Geschäft mit den Badeferien im Sommer ist nach wie vor das umsatzstärkste der gesamten Branche. Dementsprechend belegten die klassischen Badeferiendestinationen Spanien, Griechenland und die Türkei die vordersten Plätze bei den meistgebuchten Zielgebieten. Als zusätzliche Trends etablierten sich in diesem Sommer Skandinavien und Nordamerika. Auch dieses Jahr wurde jede vierte Auslandreise über die verschiedenen Vertriebskanäle (On- und Offline) der Schweizer Reise-branche abgewickelt und war somit vollumfänglich abgesichert. «Dank der Kundengeldabsicherung kamen bei der Insolvenz der FTI Touristik AG Schweiz keine Kunden zu Schaden: Wer über eine Reiseagentur gebucht hatte, war über die Kundengeldabsicherung vollumfänglich abgesichert», wie Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reise-Verbandes (SRV), betont.

Herbst liegt über Vorjahr

Für dem Herbst erwartet der SRV für die Branche ein Umsatzwachstum von 5 bis 10 Prozent über Vorjahr. «Der Herbst gilt bereits seit Jahren als Verlängerung der Sommersaison – dieses Jahr zeigt sich die Verlagerung in diese Jahreszeit etwas aufgeprägter, wenngleich einige Reisende ihre Ferien aufgrund der hohen Temperaturen im Mittelmeerraum direkt in die etwas kühleren nördlichen Gefilde verlegt haben», kommentiert Martin Wittwer.

Stabile Preise und mehr Fernstrecken im Winterhalbjahr

Währenddessen liegt der Eingang langfristiger Buchungen für das Winterhalbjahr über den Erwartungen. Die Preise bleiben im Vergleich zu 2023 stabil und die Flugpreise auf der Langstrecke werden tendenziell sogar günstiger. Dies könnte mitunter ein Grund sein, weshalb die Reisebranche deutlich mehr Buchungen auf der Fernstrecke verzeichnet. Hier liegen vor allem Thailand, der Indische Ozean sowie die Karibik im Trend.

Stimmungsbarometer der Reisebranche: Globale Krisen als Herausforderung

Zwischen dem 12. und 30. Juni 2024 befragte der Schweizer Reise-Verband 169 Mitglieder der Reisebranche im Rahmen einer repräsentativen Umfrage zu den aktuellen Chancen und Herausforderungen der Branche. Als grösste Herausforderung wurden die geopolitischen Krisen genannt (Vorjahr: Platz 5), was sich in einem erhöhten Beratungs- und Planungsaufwand sowie dem Kundenbedürfnis nach Sicherheit und einem direkten Ansprechpartner äussert. Wie SRV-Präsident Martin Wittwer an der letztjährigen Pressekonferenz prognostiziert hatte, findet eine Preissensibilisierung statt. Insbesondere Familien achten aufgrund des Kaufkraftschwunds mehr aufs Geld. Die Bedenken bezüglich der Preisentwicklung belegten Platz 2 des Barometers.

Die Branchenthemen der Zukunft

Bei den Trends und Begebenheiten, welche das Reisen künftig massgeblich verändern werden, rangierte bei der Umfrage der Einfluss der Klimaerwärmung ganz oben. Das hat unter anderem Auswirkungen auf die Destinationswahl und die Saisonalität sowie generell in Bezug auf neue Regularien in der Tourismusbranche, beispielsweise einer Klimasteuer. Der Wunsch nach individuellen Ferienerlebnissen (Platz 2) wird sich in Authentizität, Reisen abseits der Massen oder der Individualisierung der Pauschalreise äussern. Die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz lag in der Umfrage auf Platz 3. «Das Thema ist schon länger in der Reisebranche angekommen – sei dies beim Erstellen von Reiseprogrammen und Offerten, der Hilfe bei der Planung von Reiserouten oder KI-Technologien beim Kundensupport, welche eine höhere Interaktion ermöglichen», so Martin Wittwer.

Balanceakt beim Overtourismus

Ein grosses Thema im vergangenen Sommer war zweifellos der Overtourismus – und damit einhergehend das Thema Nachhaltigkeit. Dennoch gab nur ein kleiner Teil der Umfrageteilnehmer (2.9 %) an, dass Overtourismus von den Kunden während der Beratung zur Sprache komme. Zwar sind die Kunden sensibilisiert, und die Reiseberater können im Gespräch die Destinationswahl zu einem gewissen Teil steuern, aber die typischen Overtourismus-Ziele liegen nach wie vor ganz oben in der Gunst vieler Reisenden. Martin Wittwer ordnet das Thema ein: «Der Overtourismus ist in bestimmten Hotspots definitiv ein Problem. Die gesamte Reisebranche steht in der Pflicht, mit lokalen Organisationen und politischen Behörden einen Konsens zu finden.» Es müsse eine Balance zwischen dem durch den Tourismus massgeblich mit erwirtschafteten Bruttoinlandprodukt (lokale Wertschöpfung, Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen oder dem Generieren von Wohlstand) und der Beeinträchtigung der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung (steigende Preise, Wohnungsknappheit oder Dichtestress) geschaffen werden.
Dass solch eine ausgeglichene Balance ohne Regulationen nicht erreicht werden kann, steht für Wittwer fest: «Es braucht Regularien für einen kontrollierten Tourismus an bestimmten Destinationen. Welche davon zielführend, massvoll und umsetzbar sind, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen in der Destination ab. Als Quellmarkt können wir im Dialog unterstützen, die Verabschiedung neuer Regularien obliegt jedoch den Entscheidungsträgern vor Ort.»

Titelbild: Martin Wittwer, Präsident Schweizer Reise-Verband – SRV