Wenn Menschen unter Zeit- und Kostendruck ergebnisorientiert zusammenarbeiten sollen, brauchen Führungskräfte nicht nur eine klare Linie, sondern auch fundierte Kenntnisse über das, was Mitarbeiter wirklich motiviert. Klassische Führungsinstrumente wie Zielvereinbarungen, Evaluierung, Kommunikationsstrategien und Konfliktmanagement sind unabdingbar, doch sind es die «inneren Antreiber», die über die letztendliche Rollenverteilung im Team entscheiden.
Bereits bei der Auswahl der Teammitglieder gibt es mehrere Faktoren zu beachten, die sich aus der Natur des Projektes und seiner Zielsetzung ergeben. Teamgrösse und -struktur müssen in Abhängigkeit davon festgelegt werden. Dazu ist es notwendig, sich eine Vielzahl von Fragen zu stellen: Was ist das Ziel der Teamarbeit? Welche fachlichen Kompetenzen werden benötigt? Wer verfügt über diese? Wie werden diese Fachkräfte miteinander interagieren? Hat das Team einen festen Arbeitsort, oder handelt es sich um ein «virtuelles», vielleicht sogar internationales Team, das dezentral arbeitet? Wie müssen Arbeitsabläufe, Prozesse und Aufgaben verteilt werden, um der Zielsetzung gerecht zu werden?
Das Team und seine Rollen
Führungskräfte müssen grundsätzlich verstehen, dass es bei einem neu zusammengestellten Team keine vorab definierte Rollenverteilung gibt. Das bedeutet, dass jedes Teammitglied mit einem eigenen Selbstverständnis an seine Rolle herangeht. Nun lassen sich Projektrollen definieren und – etwa im Rahmen eines einleitenden Workshops – klar verteilen. Dabei muss jedoch zwischen den fachlichen Rollen unterschieden werden, wie sie die Projektvereinbarung vorsieht und dem, was Meredith Belbin (2010)1 als «komplementäre informelle Teamrollen» bezeichnet. Die Autorin unterscheidet dabei neun Typen, die sie in drei Kategorien einsortiert: den «Macher», den «Umsetzer» und den «Perfektionisten», die den handlungsorientierten Teil des Teams bilden. Weiterhin den «Vorsitzenden», den «Teamarbeiter» und den «Wegbereiter», die kommunikationsorientiert agieren. Zur Gruppe der wissensorientierten Mitglieder zählen der «Neuerer», der «Beobachter» und der «Spezialist».
Das Teamrollen-Modell wird von dem zertifizierten Projektmanager Matthias Eberspächer in seinem informativen Fachbeitrag «Was macht ein gutes Projektteam aus?» aufgegriffen. Der Autor leitet aus Belbins (bislang nur in englischer Sprache verfügbarem) Teamrollenmodell die folgende, sehr übersichtliche Tabelle 1 ab.
Im Folgenden werden wir anhand der in der Tabelle systematisierten Stärken-Schwächen-Profile sehen, dass Belbins Modell überraschend genau mit einem anderen Ansatz korreliert, der sich zur Einschätzung der Motivation von Mitarbeitern als sehr nützlich erwiesen hat: der Motivlehre nach David McClelland, die – bereits in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entwickelt – in der modernen Personal- und Organisationsarbeit auch heute noch erfolgreich Anwendung findet.
Der Mensch und seine Motive
McClelland kam auf Basis verschiedener Versuchsreihen zu dem Schluss, dass menschliches Verhalten immer auf eine von drei Motivgruppen zurückzuführen sei: Bedürfnis nach Leistung, Bedürfnis nach Freundschaft oder Bedürfnis nach Macht und Einflussnahme. Motive werden häufig, aber fälschlicherweise mit Verhaltensmustern verwechselt. Das ist insofern sehr irreführend, weil Motive fest im Persönlichkeitsprofil verankert sind und nicht willentlich beeinflusst werden können. Als Nachweis für ihre Existenz gelten neurologische Untersuchungen, die zeigen, dass die «Ansprache» der Motive durch entsprechend abgestimmte Aufgaben zur Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter führt, die wiederum mit positiven Gefühlen, wie Zufriedenheit und Erfüllung, in Verbindung stehen. So wie Belbins Modell bedingen auch die Motive individuelle Stärken-Schwächen-Profile. Die Tabelle 2 zeigt auf, wie diese aussehen und welche der oben beschriebenen informellen Teamrollen von den Angehörigen der Motivtypen mit einiger Wahrscheinlichkeit eingenommen werden.
Zusammenstellung und Führung
In der Fachliteratur zu Projekt- und Teammanagement sind zahllose Informationen und Tools zu finden, die die strukturellen und strategischen Aufgaben bei der Zusammenstellung und Führung von Teams erleichtern sollen. Sich diese, soweit sie auf die jeweilige konkrete Ausgangssituation anwendbar sind, zunutze zu machen, ist durchaus sinnvoll. Die Ausführungen in diesem Artikel haben jedoch sehr deutlich gezeigt, dass die Motive der Mitarbeiter über den Teamerfolg mitentscheiden. Aus der Kenntnis dieser Motive lässt sich ableiten, wo die Stärken einzelner Mitarbeiter liegen und welche Potenzialentwicklungsmassnahmen ihren Schwächen entgegengesetzt werden können. Vor allem aber lässt sich aus der Korrelation der Motive mit den informellen Rollen im Team mit einiger Sicherheit voraussagen, wo Motiv / informelle Rolle mit den funktionalen Projektrollen (Eberspächer) der Teammitglieder übereinstimmen (und so den Teamerfolg begünstigen) und wo es zu Kollisionen kommen wird
(die zu Reibungsverlusten und Leistungsminderung führen). Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, auf eine Verteilung der funktionalen Teamrollen entsprechend der Motive (und damit der wahrscheinlichen informellen Rollen) hinzuarbeiten. Das setzt natürlich voraus, dass Führungskräfte die Motivprofile ihrer Teammitglieder kennen oder jene sogar entsprechend ihrer «Antreiber» auswählen. Motive können allerdings nicht zuverlässig anhand von Verhaltensmustern oder erkennbaren Stärken und Schwächen identifiziert werden. Wenn jemand sehr gewissenhaft arbeitet, als Experte gilt, aber eher introvertiert ist, gibt es zwar erste Hinweise auf ein Leistungsmotiv, wirkliche Klarheit bringen können aber nur einschlägige Analyseverfahren. Diese lassen sich mit geringem Zeitaufwand durchführen – entweder im Rahmen der Teamauswahl oder, wenn die «Besetzung» bereits steht, bei einer einleitenden Veranstaltung.
Welche Charakteristika sollen die funktionalen Projektrollen aufweisen? Eine «Macher»-Rolle mit einem eher leistungsmotivierten Spezialisten zu besetzen ist eher kontraproduktiv: Dessen Motive beziehungsweise intrinsisches Rollenverständnis werden seine Projektrolle konterkarieren und damit einerseits zu einer unvollständigen Ausschöpfung seines Potenzials, andererseits zu einer unvollständigen Ausfüllung seiner Funktion führen. Ist dagegen – soweit die Situation es erlaubt – sichergestellt, dass Motiv, informelle Teamrolle und tatsächliche Projektrolle aufeinander abgestimmt sind, wird die Gefahr von Demotivation, Über- oder Unterforderung, Reibungsverlusten, Kompetenzgerangel und Konflikten minimiert und zugleich die Erfolgsaussichten des Teams maximiert.
Anmerkungen
1 Belbin, Meredith: Team Roles at Work, Taylor & Francis, 2010; siehe auch www.belbin.com/about/belbin-team-roles/
2 Eberspächer, Matthias. Was macht ein gutes Projektteam aus? Leseprobe www.projektmagazin.de/projektteam#as-odell-der-eamrollen-von-elbin
Weitere Informationen: www.kopfarbeit.org