Das Interieur als zweites Zuhause
In seiner über 125-jährigen Geschichte entwickelte sich Skoda vom einstigen Fahrradproduzenten zu einer globalen Automarke. In der Schweiz führen die Modelle des Automobilherstellers seit vielen Jahren die Zulassungsstatistiken an. Seit dem 1. Dezember 2020 ist Peter Olah Leiter des Interieur-Designs bei Skoda. Im «the square» am Flughafen Zürich stellte der gebürtige Slovake nicht nur den neuen Skoda Enyaq iV Coupé vor, sondern auch seine Vision, wie die Autos von morgen aussehen werden. Warum wir künftig in fahrbaren Wohnzimmern unterwegs sein werden und weshalb die Automarke trotz der Zugehörigkeit zum Volkswagen-Konzern seine eigene Geschichte schreibt.
von Peter Levetzow
PRESTIGE Business: Herr Olah, wenn es um Autodesign geht, denken die meisten Menschen zuerst an das Aussendesign und nicht an den Innenraum, obwohl man viel mehr Zeit im Auto verbringt. Warum ist das so?
Peter Olah: Ich glaube, das hat etwas mit der Geschichte zu tun. In der Vergangenheit wurden Autos über ihr Exterieur definiert. In einem gutaussehenden Auto wollte man gesehen werden und das Auto war wie eine Erweiterung des eigenen Ichs. Deshalb wurde der Fokus meist auf die Karosserie gelegt. Als ich vor 20 Jahren mit Automobildesign begann, war das noch zu der Zeit, als alle nur Exterieurdesigner sein wollten. Mein Background war da ein bisschen anders. Obwohl mein Vater als Entwickler im Elektronikbereich arbeitete, träumte er immer davon Automobildesigner zu werden, doch in der damaligen Tschechoslowakei war es unmöglich Automobildesign zu studieren, geschweige denn als Automobildesigner zu arbeiten. Trotzdem entwarf er regelmässig Autos und ich half ihm dabei. Mein Vater und meine ganze Familie waren enthusiastische Autoliebhaber. Als ich später Industriedesign und Innenarchitektur studierte hat das aber meine Ansichten verändert. Zwar beschäftigte ich mich auch während meinem ersten Praktikum 1999 bei Skoda noch immer mit dem Exterieur, doch langsam realisierte ich, dass das Interieur immer wichtiger wurde. Es gibt die Aussage, du verliebst dich zwar in das Äussere eines Fahrzeugs, doch du bleibst der Marke treu wegen dem Interieur.
Warum der Volkswagen-Konzern? Oder ist es doch mehr die Verbundenheit mit Skoda?
Es geht mir definitiv mehr um Skoda. Mich verbindet eine langjährige Beziehung mit Skoda, denn in unserer Familie und in der damaligen Tschechoslowakei war das immer «das» Auto. Ein Skoda war auch mein erstes Auto, obwohl es eher meinem Vater gehörte, da ich mir nach meiner bestandenen Führerscheinprüfung noch kein eigenes Auto leisten konnte. Meine erste Fahrerfahrungen hatte ich mit einem Skoda, deshalb verbinde ich mit dieser Marke auch sehr viele Emotionen. Als ich nach meinem Studium das Praktikum bei Skoda bekam, ging ein Traum in Erfüllung. Zusammen mit Skoda konnte ich meine Diplomarbeit abschliessen und wurde anschliessend gefragt, ob ich als Designer bei Skoda arbeiten möchte. Da musste ich nicht lange überlegen. Nach gut sechs Jahren bei Skoda, wechselte ich in ein Designstudio der Volkswagengruppe, wo ich jeden Tag für eine andere Volkswagenmarke arbeiten konnte, das war traumhaft.
Skoda gehört zum Volkswagenkonzern und böse Zungen behaupten gern, dass die Konzernmarken alle gleich sind. Wie viel Volkswagen-Konzern steckt in Skoda?
Viel und doch nicht so viel. Als Teil des Volkswagenkonzern haben wir die Chance unsere Fahrzeuge aus Komponenten zu bauen, die innerhalb der Gruppe entwickelt wurden. Trotzdem ist alles, was der Kunde bei uns sieht, von Skoda. Es gibt fast nichts in unseren Fahrzeugen, was sie bei Volkswagen finden würden. Vielleicht ein paar Controller. Aber alle Hauptbestandteile sind ursprünglich von Skoda.
Und natürlich auch das Design, oder?
Natürlich. Grundlegend ist alles, was man sieht, was man anschauen kann und was man fühlt, typisch Skoda.
Welche Rolle spielen Farben?
Farben sind sehr wichtig. Es gibt Farben, die die Formen und Linien eines Fahrzeugs hervorheben und Farben, die das weniger tun. Ein elegantes Silber mit einem dezenten Grauton funktioniert bei vielen Modellen sehr gut und betont die Silhouette eines Fahrzeugs. Auf der anderen Seite gibt es Farbtöne, die die Dreidimensionalität eines Modells verzerren, dunkle Farben lassen ein Auto kleiner wirken und grelle Farben machen es grösser. Deshalb ist es so wichtig, genau die richtige Farbe zu wählen. Wenn wir unsere Autos designen, haben wir von Anfang an die Farbe im Blick.
Welche Absicht hatten Sie mit dem Mamba-Grün des neuen Skoda Enyaq iV Coupé?
Mit diesem grellen Farbton wollten wir Aufmerksamkeit erregen. Es ist das erste reinelektrische Coupé von Skoda und für uns ein sehr wichtiges Modell. Die Farbe sollte das Modell noch mehr zum Eyecatcher mache und ich denke, dass ist uns definitiv gelungen.
Das Innendesign gewinnt immer mehr an Bedeutung, allein schon, weil wir immer häufiger im Stau stehen…
…absolut. Wir verbringen immer mehr Zeit im Auto, weil wir im Stau stehen oder längere Distanzen fahren. Deshalb spielt Komfort auch so eine wichtige Rolle. Ich erinnere mich noch, als ich meine Diplomarbeit schreiben wollte. Ich studierte Innenarchitektur und wollte den Innenraum eines Autos der Zukunft gestalten. Meine Vision war, dass der Innenraum in Zukunft die gleiche Bedeutung hat, wie ein Wohnzimmer. Die Idee eines «Space Cars» sollte vor allem viel Stauraum mitbringen. Ich weiss es von mir selbst, ich habe so viele Dinge im Auto von Getränken über Hygieneartikel bis hin zu Sportsachen, das muss alles irgendwo seinen Platz finden.
Immer wichtiger werden auch die Kommunikationsmöglichkeiten im Auto…
…definitiv. Und das wird der nächste Punkt sein. Man stelle sich einmal vor, das eigene Auto wird in Zukunft ihr mobiles Wohnzimmer sein. Worauf kommt es dann an? Es sollte gemütlich sein und es sollten Materialien zum Einsatz kommen, die einem ein gutes Gefühl geben. Deshalb sollte der Innenraum nicht aus billigem Metall oder billigem Plastik bestehen. Die Kunden achten heutzutage sehr auf hochwertige Materialien. Nebst den Materialien spielt das Infotainmentsystem eine grosse Rolle. Im Idealfall ist es das gleiche wie zuhause, das sich genau so einfach bedienen lässt und die ganze Familie kennt. Skoda ist eine Familienmarke, deshalb orientiert sich das Cockpit nicht am Fahrer. In einem Skoda spielt nicht nur der Fahrer eine Rolle, sondern die ganze Familie. Egal ob man vorne oder hinten sitzt, jeder hat dieselbe demokratische Sicht auf den Bildschirm. Aus diesem Grund ist der Bildschirm in der Mittelkonsole auch so gross, er soll an den Fernseher im eigenen Wohnzimmer erinnern. Und natürlich geht das mit der Konnektivität, der Digitalisierung und den Streamingdiensten einher.
Dennoch würde niemand ein Auto kaufen, das ihm nicht gefällt. Äusserlich hebt sich der Skoda Enyaq iV Coupé stark von seinen Markengeschwistern ab. Warum?
Das hat vor allem mit dem elektrischen Antrieb zu tun. Beim Design von Elektroautos gibt es unterschiedliche Ansätze. Es gibt Marken, die komplett unterschiedlich aussehende Autos produzieren. Dadurch wollen sie zeigen, dass ihre Elektromodelle nichts mit ihren anderen Autos zu tun haben. Diese Modelle stechen dann wirklich aus der Masse heraus. Das kann manchmal gut, manchmal aber auch schlecht sein. Für uns war es klar, dass das Design des Enyaq Teil unseres Line-ups sein soll. Er sollte aus einem klassischen Blickwinkel gut aussieht, gleichzeitig, aber futuristisch genug sein, um zu zeigen, dass es sich hier um ein Elektroauto handelt.
Was sollte ein Kunde ihrer Meinung nach fühlen, wenn er in einen Skoda einsteigt?
Er sollte sich wie zu Hause fühlen.
… oder wie im Büro?
Später könnte es auch wie im Büro sein.
Skodas sind gern gesehen Flottenmodelle. Ist ein Skoda nicht eher ein Geschäftswagen?
Ein Skoda ist eher ein Familienauto, das vielleicht unter der Woche als Geschäftswagen genutzt wird. Man fährt damit ins Büro oder auf eine Geschäftsreise und am Abend fährt man mit der Familie zum Sport oder ins Kino oder wohin auch immer und am Wochenende wird das Fahrzeug zum reinen Familienauto. Deshalb braucht das Auto auch jede Menge Persönlichkeiten. Ein gutes Beispiel dafür sind unsere RS-Modelle. Die Autos sind echte Sportwagen, emotional, aber auch sehr funktional.
Auffällig ist der Touchscreen in der Mittelkonsole des neuen Skoda Enyaq iV Coupé. Für mich als Fahrer ist die Bedienung des Touchscreens eher schwierig, da ich nicht mehr auf die Strasse gucke, sondern nur noch am Scrollen bin. Das sollte aber nicht der Sinn sein, oder?
Nein, deshalb haben wir auch grössere Knöpfe. Im Vergleich zu früher sind die heutigen Touchscreens hocheffektiv. Schaut man sich Modelle aus den letzten zehn bis zwanzig Jahren an, gibt es Fahrzeuge, die haben für jede Funktion einen eigenen Knopf. Das sind dann fast aus wie in einem Flugzeug. Die hohe Anzahl an Funktionsmöglichkeiten in einem Fahrzeug kann über einen Touchscreen viel einfacher bedient werden, weil man schneller ist und es spart vor allem auch Platz. Das Bedienen ist mittlerweile sehr intuitiv, man kommt einfach in die Menüs und Untermenüs und wählt den gewünschten Inhalt. Das ist ein Grund für den Touchscreen. Ein weiterer Grund ist die Erwartung der Kunden an futuristische Produkte …
… wegen der Smartphones?
…ja, das hat natürlich einen grossen Einfluss. Die Welt von heute will über Touch-Funktionen bedient werden. Fragt man Kunden, wie sie sich den Fahrzeuginnenraum der Zukunft vorstellen, würden sie: «Saubere Oberflächen, einen grossen Bildschirm und bitte werdet die ganzen Knöpfe los!» Auf der anderen Seite wissen wir, dass dies für das Fahren nicht ganz optimal ist. Es gibt nach wie vor Funktionen, die besser mit einem haptischen Controller zu bedienen sind und die ein haptisches Feedback geben. Wir spüren das und wir versuchen, die richtige Balance zu finden. Wenn man den Enyaq zum Beispiel nimmt: Der hat zwar einen grossen Touchscreen, trotzdem findet man drunter die physischen Knöpfe, mit denen sich die Hauptfunktionen und Hauptmenüs bedienen lassen. Im Gegensatz zu anderen Herstellern haben wir bewusst auf Touchflächen am Lenkrad verzichtet, denn das Lenkrad ist zum Fahren da. Die Suche nach der richtigen Balance zwischen Touch-Funktion und physischen Knöpfen ist ein immerwährender Prozess und man kann diesbezüglich mit weiteren Entwicklungen von Skoda rechnen.
Der Skoda Enyaq iV Coupé ist ein Elektrofahrzeug, was ihn energieseitig sehr interessant macht, doch spielt da auch das Thema Recycling eine wichtige Rolle. Was sind die Recyclingfeatures im Enyaq? Es gibt Hersteller, die alles recyceln können. Wie sieht das bei Skoda aus?
Auf jeden Fall. Das ist ein grosses Thema und ich würde sagen, ein Grossteil des Jobs findet unter diesem Motto statt. Der Hauptteil unseres Autos kann recycelt werden. Worüber die Kunden meistens reden, ist, ob die Materialien, die sie sehen, zum Beispiel die Sitzpolster, recycelt sind. Trotzdem gibt es nur einen geringen Teil an Materialien, der in der Herstellung eines Fahrzeugs verwendet wird. Der Anteil der recycelbaren Bestandteile liegt aktuell bei 85 Prozent. In Zukunft wird es uns möglich sein, die Batteriezellen zu recyceln. Wir haben bereits eine Anlage in Salzgitter von Volkswagen. Dort werden bestimmte Bestandteile von Batterien bereits wiederverwertet. Im Interieur gibt es viele Bestandteile, die wir wiederverwerten und wir verwenden bereits recycelte Materialien. Für die Kunden zählt aber nicht nur der Recycling-Gedanke, auch die Nachhaltigkeit ist wichtig. Die Enyaq-Linie ist zum Beispiel komplett vegan.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Innenraumdesigns in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Ich sehe hier sehr viel, und im Grunde ist das wirklich lustig. Mein Diplomprojekt folgt mir quasi durch meine gesamte Karriere, weil das, was ich mir vor 20 Jahren erträumt habe, wird Stück für Stück, Wirklichkeit. Und in den kommenden 20 Jahren wird es die Realität sein. In der Zukunft werden drei Faktoren die Welt der Mobilität neu definieren: autonomes Fahren, Digitalisierung mit Konnektivität und Elektrifizierung. Die Elektrifizierung ist so gut wie beendet und die Digitalisierung bereit sehr weit fortgeschritten. Die Konnektivität zwischen den Produkten wird noch eine wichtige Rolle spielen und dann natürlich das autonome Fahren. Sobald wir autonom auf Level 4 oder 5 fahren können, wird das Auto zu einem autonomen Objekt. Dann ist es meine Vision, dass das Auto Teil unseres Lebensraums wird, Wirklichkeit geworden.
Unsere Leser*innen sind die Schweizer Business Leader und Top-Manager. Interessant für Sie wäre zu wissen, wovon Sie sich inspirieren lassen und worin ihr professionelles Designsystem besteht.
Als Designer wirst du die ganze Zeit inspiriert von den Dingen, die dich umgeben. Wenn ich irgendwo hingehe, fasse ich alle Objekte an, probiere sie aus, denke darüber nach, wie ich sie verbessern könnte. Daher ist die Inspiration immer um mich herum. Unterschiedliche Leute treffen, in Cafés sitzen, im Restaurant und Ausstellungen besuchen.
Alle Fotos: Credit: Skoda