Wie kann man steigenden Energieverbrauch zulassen und trotzdem das Klima schützen? Aus technischer Sicht gibt es auf beide Fragen nur eine Antwort: das Zukunftsbild einer All Electric Society.
Diese Vision beschreibt eine sich nachhaltig entwickelnde Welt, in der bezahlbare Energie überall und jederzeit in ausreichendem Masse zur Verfügung steht, sei es für private Bedürfnisse, wirtschaftliche Zwecke oder zum Nutzen der Gesellschaft. Bei Phoenix Contact hat man sich diese Vision als Ziel für die laufende Dekade gesteckt. An dessen Anfang stehen der massive Ausbau erneuerbarer Energien und der technologische Ansatz der Sektorenkopplung.
Damit dies erfolgreich realisiert werden kann, bedarf es einer umfassenden Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung sämtlicher Sektoren der Wirtschaft und Infrastruktur. Nur wenn alle relevanten Daten ständig in aktueller Form vorliegen, lassen sich die Energieflüsse automatisch bedarfsgerecht steuern, sodass jeder Verbraucher die von ihm benötigte Energie erhält.
Wie ein solches Szenario umgesetzt werden kann, verdeutlicht der auf dem Unternehmensgelände von Phoenix Contact befindliche All Electric Society Park. Auf mehr als 7800 Quadratmetern sind verschiedene Applikationen installiert, von der Gewinnung regenerativer Energie über deren Wandlung und Speicherung bis zur Verteilung.
550 Solarmodule liefern 155’000 Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr. Die Photovoltaik-Anlagen verteilen sich über den gesamten Park inklusive zweier Solartracker. Diese werden einachsig der Sonne nachgeführt. Ist die Windgeschwindigkeit zu hoch, werden die Tracker aus dem Wind gefahren. Ein weiterer Beitrag zur Generierung erneuerbarer Energie kommt vom Windtree, der eine installierte Leistung von 10.8 Kilowattpeak aufweist. Eine Windgeschwindigkeit von 2.5 Metern pro Sekunde reicht bereits zum Antreiben der als kleine Windturbinen fungierenden 36 vertikal drehenden Blätter aus. Für die Speicherung der überschüssigen elektrischen Energie werden zwei verbaute Batteriespeicher genutzt. Dabei handelt es sich um einen Lithium-Eisenphosphat-Speicher mit einer Kapazität von 1.2 Megawattstunden und einen Li-Ionen-Speicher, der 281 Kilowattstunden zur Verfügung stellt. Ferner übernimmt der kleinere der beiden Speicher, der sich im Ladepark befindet, die Funktion der Booster-Batterie für das Laden der Elektroautos. Sie erlaubt das Betanken, selbst wenn das örtliche Stromnetz dies gerade nicht zulassen würde.
Das elektrische Energiemanagement basiert auf der offenen Steuerungstechnologie PLCnext Technology. Mit der sicheren Cloud-Anbindung kennt das System die Wetterprognosen und die aktuellen Strompreise und maximiert stetig den Eigenverbrauch mittels Nutzung von künstlicher Intelligenz. Den Park nutzen wir selbst als Blaupause und als Testumgebung.
Gleichstrom als Schlüsseltechnologie
Die technologische Entwicklung der Leistungselektronik bietet heute die Möglichkeit, hocheffizienten Gleichstrom preisgünstig nutzbar zu machen. Die meisten elektronischen Geräte wie PCs oder LED-Beleuchtungen arbeiten an Gleichspannung. Auch Elektroautos werden mit der Energie aus Batterien betrieben, die Energie in Form von Gleichstrom speichern. In der Industrie arbeiten viele Verbraucher mittels Frequenzumrichter an einem Gleichspannungszwischenkreis. Bei all diesen Verbrauchern kann in einem DC-Netz auf die verlustbehaftete AC/DC-Wandlung verzichtet werden. Dazu werden weniger Leitungen und ein geringerer Leitungsquerschnitt notwendig, um die gleiche Leistung zu übertragen. Damit sparen Gleichstromanwendungen Rohstoffe wie Kupfer ein. DC-Netze bieten aber noch weitere Vorteile. Ebenfalls lassen sich erneuerbare Energie wie Photovoltaik oder Speichersysteme wie Brennstoffzellen deutlich effizienter in ein Gleichstromnetz einbinden.
Durch eine intelligente Steuerung des Leistungsflusses und die Vernetzung der Sektoren aus Verbrauch und Erzeugung lässt sich eine hohe Verfügbarkeit bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit sicherstellen.
In unserem neuesten Gebäude im Headquarter haben wir ein DC-Netzwerk umgesetzt und sehr positive Erfahrungen gesammelt. An die DC-Niederspannungs-Hauptstromverteilung ist eine Photovoltaikanlage mit 100 Kilowattpeak angeschlossen. Die regenerative Energieerzeugung durch Photovoltaik ist gleichstrombasiert. Die erforderliche DC-DC-Wandlung erfolgt besonders einfach über unsere Leistungsmodule im 19-Zoll-Format mit MPP-Tracking, da die Synchronisierung mit einem Wechselstromnetz nicht erforderlich ist. Eine intelligente Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern mit unserer offenen Steuerungstechnologie PLCnext Technology als Energiemanagementsystem (EMS) bindet die volatile Energieerzeugung durch Photovoltaik unter Verwendung eines Batteriespeichers so ein, dass der Energiezufluss aus dem öffentlichen Energieversorgungsnetz minimiert wird.
Der 240-Kilowattstunden-Batteriespeicher wird zur Deckung von Lastspitzen, dem sogenannten Peak-Shaving, genutzt, zum Beispiel beim Anlauf von Grossmaschinen. Auch im Fall einer Unterbrechung des öffentlichen Netzes kann er herangezogen werden und sorgt so für Stabilität und Versorgungssicherheit im gesamten Gleichstromnetz. Wie üblich befindet er sich aus brandschutz- und versicherungstechnischen Gründen ausserhalb des Gebäudes.
Die bidirektionale Anbindung von E-Ladesäulen in das 650-V-DC-Grid ermöglicht den Energiefluss in zwei Richtungen. Fahrzeugbatterien können so geladen und kurzfristig auch als Energiespeicher genutzt werden. Dies ermöglicht es, kurzfristig sehr hohe Lastspitzen abzudecken und zur Netzqualität beizutragen.
Intern versorgt das 650-V-DC-Netz Verbraucher in Festinstallation. Zudem werden aus dem 650-V-DC-Netz über isolierende Umrichter Endstromkreise auf der Spannungsebene 400 V DC versorgt, zum Beispiel für Beleuchtung und Anschlüsse für ortsveränderliche Geräte. Bei den 400-V-Sub-DC-Grids handelt es sich also um isolierte DC-Kreise (DC-IT-System).
Aktuelle Wechselspannungsgeräte in der AC-Niederspannungsebene benötigen intern zur Versorgung von PCs, Bildschirmen und LED-Beleuchtungstechnik Netzteile mit Gleichrichtung und DC-Zwischenkreisen. Werden diese Geräte direkt aus einem Gleichstromnetz versorgt, kann ein Grossteil des Gewichts und Volumens der Eingangskreise eingespart werden. Die IT-Netze sind isolationsüberwacht und werden im Fehlerfall abgeschaltet.
Fazit
In der All Electric Society werden die Sektoren zu einem sich selbst steuernden System vernetzt und die Sektoren selbst intelligent automatisiert. Sie erkennen nicht nur eigene Bedarfe, sondern reagieren auch auf die der angrenzenden Bereiche. Das Ergebnis: Effizienzgewinne und Energieeinsparungen durch optimales Ausbalancieren aller Energieverbraucher, erzeuger und speicher.
Bereitstehende Energie kann dynamisch überall dort eingesetzt werden, wo sie aktuell gebraucht wird. Überschüssige Energie lässt sich speichern und zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt bedarfsorientiert nutzen. Steuerbare Verbraucher tragen zudem zum Ausbalancieren der Netze und zur effizienten Nutzung der volatilen regenerativen Energien bei. Das heisst: Egal wie stark der Wind weht und die Sonne scheint – Erzeugungs und Lastspitzen lassen sich durch die Sektorenkopplung glätten, Stabilität und Verfügbarkeit der Energieversorgung werden ohne immense Überkapazitäten möglich.
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