Emotionen machen den Unterschied
Vor der Corona-Pandemie im März 2020 hat uns die permanente Konfrontation mit schlechten Nachrichten in den Medien zwar beschäftigt und manchmal auch schockiert, doch wir fühlten uns selten direkt betroffen. Seit vier Jahren reiht sich eine Krise an die andere: Krieg gegen die Ukraine, Klimakrise, stetig steigende Lebenshaltungskosten. Zu all diesen Ängsten, die unser Privatleben prägen, gesellt sich laut einer aktuellen Studie eine massive Verunsicherung in der Arbeitswelt, denn mehr als die Hälfte der Beschäftigten blickt wenig zuversichtlich in die Zukunft.
Autorin: Gabriela Röthlisberger
Ausnahmesituationen, rasanter KI-Fortschritt, Protest und Krieg, eine durch die Politik gespaltene Gesellschaft und Existenzängste – in Zeiten wie diesen fühlen sich die Menschen erschöpft und sehen kaum eine Möglichkeit mehr, ihre Resilienz wieder zu stärken, um das Leben, ob privat oder beruflich, positiv voranzutreiben. Die Einstellung der Menschen ist jedoch der entscheidende Faktor, ob eine tiefgreifende Veränderung gelingt. Im besonderen Masse spielt die Zuversicht eine bedeutende Rolle, denn wer zuversichtlich ist, steckt Rückschläge besser weg und lässt sich auch von Phasen hoher Unsicherheit nicht aus der Bahn werfen. Die Frage ist also: Wie schaffen wir die grossen Transformationen unserer Zeit?
Schlüsselemotion Zuversicht
Die Ergebnisse einer Studie von Jenewein lassen Hoffnung aufkeimen. Mit dem Zuversichtsindex hat das Unternehmen im März/April 2024 knapp 1000 Beschäftigte in der DACH-Region befragt, wie es um die zentralen Voraussetzungen für Zuversicht in ihrem Arbeitsalltag steht. Als Leadership- und Kulturberatung befähigt Jenewein Organisationen, Teams und Individuen in Wirtschaft und Spitzensport, ihre Potenziale zu entfalten. Die Mission: «Turning Places of Work into Places of Joy and Performance». Die Ergebnisse der Studie setzen einen positiven Kontrapunkt zur wachsenden Verunsicherung und Polarisierung in der Gesellschaft, unterstreichen die Bedeutung von Emotionen für erfolgreiche Veränderungen und zeigen deutlich auf, wie Organisationen Zuversicht zur Triebfeder für einen echten Aufbruch machen können.
Tatsache ist, dass lediglich 44 von 100 Beschäftigten in der DACH-Region (Akronym für die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und Schweiz) mit Zuversicht der Zukunft ihrer Organisation entgegensehen. Bei all den temporeichen Veränderungen wird das zu einem handfesten Problem. Wer jetzt den richtigen Weg einschlagen möchte, muss umdenken und die Fragestellung auf den Kopf stellen können. In den seltensten Fällen basiert eine erfolgreiche Veränderung nur auf Zahlen, Fakten und Argumenten, vielmehr ist ein positiver, emotionaler Augenblick gefragt: ein Gefühl der Zuversicht, die Zukunft aktiv zu gestalten und gemeinsam einen reellen Unterschied zu definieren. Und plötzlich offenbart sich die Kraft des bislang ungenutzten Potenzials: Welche grossartigen Möglichkeiten könnten generiert werden, wenn Menschen in Organisationen mit ihren inspirierenden Visionen zusammen am selben Strick ziehen würden?
Die Kraft eines starken Miteinanders
Das reine Optimieren von Technologien, Prozessen und Strukturen ist für eine Organisation nicht per se das Gelbe vom Ei. Vielmehr gelingt eine Transformation dann, wenn Unternehmen zu einer echten Gemeinschaft werden, in der Menschen, speziell auch in turbulenten Zeiten, über sich selbst hinauswachsen und an eine bessere Zukunft glauben können – was wiederum einen idealen Nährboden bildet, um sich mit Passion für den gemeinsamen Erfolg einzusetzen.
Längst ist bekannt, dass Menschen zu erstaunlichen Veränderungen fähig sind, wenn sie Antrieb, Unternehmergeist sowie Kreativität aus einem Gefühl der Zuversicht schöpfen können und sie entgegen aller Herausforderungen weiterhin an sich glauben sowie selbst bei Rückschlägen dennoch Lösungswege suchen. Aber bitte Zuversicht nicht mit blindem Optimismus verwechseln! Ein Optimist glaubt zu jedem Zeitpunkt, dass alles zum Besten steht. Das führt entweder dazu, dass sich die Menschen gar nicht bewegen oder Risiken eingehen, ohne dabei Vorkehrungen für eventuelle Rückschläge zu treffen. Mit Zuversicht lässt sich hingegen das gesamte Ausmass der Herausforderung auf einen Blick erkennen – und zwar mit der Gewissheit, dass sie auf jeden Fall gemeinsam zu bewältigen ist.
Zuversicht stärkt die Loyalität zum Arbeitgeber
Die Daten der Studie bringen Unterschiede zwischen Hierarchie- und Altersstufen ans Licht. Mitarbeitende haben bezüglich der Zukunftsperspektiven ihres Unternehmens stärkere Bedenken als ihre Vorgesetzten. Ebenso sind jüngere Beschäftigte unter 35 Jahren im Schnitt eindeutig zuversichtlicher als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen.
Die Bedeutung von Zuversicht für den Unternehmenserfolg und die Attraktivität für Toptalente darf nicht unterschätzt werden. Leider wird in vielen Organisationen die Zuversicht systematisch ausgebremst – letztendlich hat eine toxische Arbeitskultur für Unternehmen immer weitreichende Konsequenzen.
Drei markante Booster zur Stärkung von Zuversicht
Zahlreiche Organisationen befinden sich an einem Scheideweg. Die vorherrschende Verunsicherung kann entweder überwunden werden, womit ein regelrechter Aufbruch entsteht. Oder es droht die Gefahr, dass die Stimmung ins Negative abrutscht und die Transformation vor zusätzliche Schwierigkeiten gestellt wird.
Das emotionale Potenzial für einen echten Aufbruch ist auf persönlicher Ebene durchaus vorhanden, jedoch müssen die Organisationen aktiv werden, wenn sie ebenfalls im beruflichen Kontext die Zuversicht stärken und für die laufenden Transformationen gewappnet sein wollen.
Als erster Punkt sollte eine echte Verbundenheit im Unternehmen geschaffen werden, denn Zusammengehörigkeit und emotionale Nähe sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Zweitens sollten die Menschen und ihre Potenziale in den Mittelpunkt gestellt werden. Schliesslich müssen sie auf ihre eigenen Fähigkeiten und die ihrer Mitstreiter vertrauen können, um grosse Veränderungen zu meistern. Und drittens sollte eine attraktive Vision für die Zukunft vorhanden sein – viele Organisationen lassen derzeit dieses zentrale motivatorische Potenzial ungenutzt.
Das Beste zum Schluss
Es ist kein perfekter Masterplan nötig, um ein Unternehmen für die Zukunft gut aufzustellen. Die Kraft der Zuversicht lässt sich bereits mit ein paar beherzten Entscheidungen gezielt aktivieren, um so enorme Potenziale im Menschen freizusetzen.
Was Führungskräfte jetzt unbedingt anpacken müssen
56 Prozent der Beschäftigten fehlt eine attraktive Zukunftsvision. Dabei steigert ihr Vorhandensein die Zuversicht um 33 Prozent. Die Mitarbeitenden sollten über ein starkes emotionales «Wozu» motiviert werden.
43 Prozent fühlen sich häufig mehr als Getriebene statt als Treiber der Veränderung. Nur 40 Prozent der Mitarbeitenden geben an, Veränderungen aktiv mitgestalten zu können. Wenn Mitarbeitende über ein grösseres «Wozu» verfügen würden, könnten sie selbst immense Unwägbarkeiten einfacher bewältigen.
36 Prozent geben an, ihr Arbeitsumfeld raube ihnen mehr Energie, als es ihnen gibt. Ein starkes positives Miteinander in der Organisation steigert die Zuversicht dagegen um 20 Prozent. Den Mitarbeitenden sollten Antworten auf die Frage geboten werden, wozu es sich gemeinsam zu kämpfen lohnt, selbst wenn der Ausgang zunächst ungewiss erscheint.
44 Prozent sehen die besten Zeiten für ihre Organisation noch vor sich liegen. Das deutet auf eine hohe Verunsicherung hin. Den Mitarbeitenden sollte vor Augen gehalten werden, dass sie im Wandel die ehrliche Chance haben, etwas für andere Menschen wirklich Bedeutsames zu bewegen.
Zuversicht steigert die Loyalität zum Arbeitgeber. Wer zuversichtlich ist, hat eine um 32 Prozent höhere Absicht, im Unternehmen zu bleiben. Den Mitarbeitenden sollte Orientierung über die emotionale Wirkkraft einer Zukunftsvision gegeben werden, die Menschen berührt und begeistert.
Die Studie der Leadership- und Kulturberatung Jenewein wurde von Dr. Oliver Böhm, Isabel Dingler, Dr. Jonas Hennig und Dr. Zani Sharifi verfasst.