Inwieweit maschinelles Lernen und andere Technologien die Finanzbranche auf lange Sicht verändern werden, ist schwer zu sagen. Fakt ist, dass die KI-Revolution bereits in vollem Gang ist und einen Einfluss darauf hat, wie Banken und Kreditgeber Investitions- und Finanzierungsentscheidungen treffen.
Die Menschen sind so schlecht darin, die Zukunft vorherzusagen. Erinnern Sie sich an den Film «Zurück in die Zukunft»? Warum fliegen wir nicht schon alle mit einem DeLorean herum, der von Fusionsreaktoren angetrieben wird?
Daher ist die Diskussion über künstliche Intelligenz (KI) und deren Auswirkungen auf die Zukunft des Finanzwesens ein ziemliches Unterfangen. Eine wirklich genaue Vorstellung davon zu haben, wie KI die Arbeitsweise von Banken, Portfoliomanagern oder Versicherungsgesellschaften verändern wird, ist ehrlich gesagt unmöglich. Was wir heute jedoch sagen können, ist, dass die KI-Revolution bereits im Gange ist – und mit ihr die grossen Investitionen. Alternative Intelligenz im Fintech-Markt und im traditionellen Bankenmarkt wächst massiv und wird bis 2026 schätzungsweise 27 Mrd. $ (+23% durchschnittlich jährliches Wachstum) und bis 2030 64 Mrd. $ (+33%) erreichen.
Datengestützte Analysen für bessere Entscheidungen
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Art und Weise, wie Banken und Kreditgeber Investitions- und Finanzierungsentscheidungen treffen. Sie hilft ihnen, die Kreditvergangenheit der Kreditnehmer genauer zu beurteilen. Eines dieser Unternehmen ist zum Beispiel OakNorth. Seine Gründer tüftelten sehr erfolgreich daran, die Rechenleistung und Modelle im Bereich des maschinellen Lernens effizient zu nutzen, um in nur sieben Jahren eine KI-basierte Kreditplattform zu entwickeln. Das grosse Ziel des Unternehmens ist es, klein- und mittelständige Firmen mit einem Kreditbedarf zwischen 1 und 30 Mio. USD zu bedienen.
Damit treffen Unternehmen wie OakNorth ins Schwarze: Auf der einen Seite wird dieses Finanzierungssegment von grossen Banken und anderen grossen Kreditinstituten weitgehend unterversorgt. Aufgrund von Regulierungsanforderungen sowie Personal- und Mittelkürzungen sind solche Kreditgeschäfte häufig zu teuer. Auf der anderen Seite ist der Umfang dieser Kredite für Privatkreditgeber zu massiv. OakNorth füllte die Lücke durch eine Mischung aus Technologie und maschinellen Lernalgorithmen. Heute ermöglichen sie es Finanzinstituten, über den gesamten Kreditlebenszyklus hinweg schnellere und optimierte Entscheidungen zu treffen. Dank seines datengesteuerten Ansatzes bietet das Unternehmen Unterstützung bei der Kreditanalyse und -überwachung. Mit maschinellem Lernen, der Sammlung umfangreicher Datensätze und lebenslanger Krediterfahrung ist es nun in der Lage, eine vorausschauende Sicht auf die finanzielle Situation des Kreditnehmers zu modellieren. Im Gegensatz zu Peer-to-Peer-Kreditgebern geht OakNorth das Bilanzrisiko selbst ein.
Der Gewinn des Unternehmens resultiert aus der Zinsspanne, die zwischen der Aufnahme des Kredits und der vergebenen Kreditzinsen an die Kreditnehmer entsteht. Der Erfolg kann sich sehen lassen: In nur sieben Jahren hat OakNorth Geschäftskredite im Wert von mehr als 9 Mrd. USD vergeben, wobei nur ein äusserst geringer Betrag in Verzug geraten ist.
Künstliche Intelligenz bei Hedgefonds…
Ein weiterer Bereich, in dem die KI eine wichtige Rolle spielt, sind die Hedgefonds. Sie setzen KI in grossem Umfang bei ihren Handelsstrategien ein, Arbitragemöglichkeiten an den Märkten zu nutzen. Two Sigma, Renaissance und andere Giganten entwickeln seit Jahren quantitative Modelle, die Billionen von Gigabits an Daten nutzen, um Arbitragegeschäfte, Veränderungen der Marktstimmung, Verwerfungen in Anlageklassen und so weiter zu erkennen und vorherzusagen. Bei solchen Modellen geht es meistens um statistische Ergebnisse. Sie versuchen, die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Handels anhand einer breiten Palette von Signalen einzuschätzen, die wiederum auf verschiedene Märkte und Zeitspannen angewandt werden. Im Laufe der Jahre haben quantitative Hedge-Fonds-Häuser auch begonnen, alternative Datenquellen – das heisst Quellen, die in keiner Weise mit den Marktpreisen zusammenhängen – in ihre Modelle zu integrieren. Diese alternativen Datenquellen reichen von der Bewertung der Auswirkungen von Twitter-Nachrichten involvierter Personen über die Verwendung von Schlüsselwörtern, die CEOs während Analystengesprächen verwenden, um die Entwicklung ihrer Unternehmen zu prognostizieren, bis hin zur Analyse von Satellitenbildern grosser Rohstoffförderstätten, Häfen und Lagerhäusern, mit denen die Warenströme bewertet werden.
… und in den privaten Märkten
Ein neuerer Trend ist schliesslich das Eindringen von Datenbanken und künstlicher Intelligenz in die privaten Märkte. Selbst die erfolgreichsten Venture Capital-Fonds setzen jetzt auf neue Technologien, um besser vorhersagen zu können, welche Unternehmen unweigerlich zu Ausreissern aus dem Fonds werden könnten. Es reicht nicht mehr aus, sich auf interne Netzwerke als primäre Quellen für den Dealflow zu verlassen. Neuere Analysesysteme nutzen jetzt mit maschinellem Lernen «Frühdetektoren», um Unternehmensinformationen durch «Crawling» von Online-Unternehmensprofilen zu sammeln. So ist es möglich, Daten aus alternativen Quellen wie der Unternehmenswebsite, Social-Media-Plattformen, Produktbibliotheken und Nachrichtenquellen zu sammeln, die aufbauend auf Transaktionsdaten Wachstums-«Signale» liefern können. Das Ziel ist es, vorherzusagen, woher das nächste Einhorn kommen wird. Dazu gehört unter anderem, dass man sich eher mit Einzelpersonen als mit Unternehmen beschäftigt. So müssen beispielsweise Frühphasenfonds die ersten sein, die Talente ausfindig machen, die ihren Arbeitsplatz im Unternehmen oder ein bestehendes Einhorn verlassen, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Unternehmen wie Specter tun genau das, und dank einer Vielzahl von Quellen und firmeneigenen Algorithmen zur Bewertung von Unternehmen und Talenten können ihre Nutzerinnen und Nutzer Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial identifizieren und auch als erste Chancen wahrnehmen.
Der Zwang zu mehr Effizienz
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar unmöglich ist, das Ende des Weges zu sehen, wenn es um das Eindringen von künstlicher Intelligenz in den Finanzsektor geht. Bereits klar ist aber, dass die Branche tiefgreifende Veränderungen erfährt.
Die Chancen stehen sehr gut, dass eine Rückkehr zur «guten alten Art und Weise, Dinge zu tun» vorbei ist. Zu viel Wettbewerb und zu viel Zeitdruck, um Gelegenheiten zur Arbitrage zu nutzen, zwingen die öffentlichen und jetzt auch die privaten Märkte, immer effizienter zu werden. Dieser Trend wurde durch die Technologie ermöglicht, mit allen positiven wie negativen Implikationen auf die damit getroffenen Entscheidungen.
Weitere Informationen:
https://www.cic.ch/