Mit gleich drei neuen Konzeptfahrzeugen gewährt Audi einen vielversprechenden Vision auf Premium-Automobile der nahen Zukunft. Wie es für den Hersteller der Vier Ringe üblich ist, vereinen sich dafür Technologie und Design. PRESTIGE BUSINESS sprach mit Marc Lichte, Leiter Design AUDI AG, und Henrik Wenders, Leiter Marke Audi, über die Bedeutung einer klaren Designlinie und die Mobilität von morgen.
PRESTIGE BUSINESS: Welche Bedeutung schreibt eine Marke wie Audi seiner Designsprache zu?
Marc Lichte: Ganz klar: Audi ist eine Designmarke, die für pure, zeit- und kompromisslose Form steht. Diese progressive Gestaltung verbinden wir konsequent mit innovativer
Technologie – und bringen so Form und Funktion, Design und Technik in perfekte Harmonie. Ich bin sicher, dass das der Grund ist, warum Design auch der Kaufgrund Nummer eins bei den Vier Ringen ist.
Das gesamte Autobauen, wie wir es seit 100 Jahren kennen, ändert sich jedoch gerade fundamental. Wie verändert der technologische Fortschritt die
Designsprache eines Autos?
Marc Lichte: Autos wurden doch bis dato immer gleich gedacht: Ingenieur*innen entwickelten die Plattform, dann kam der Motor, anschliessend hat man sich dem*der Interieur*in gewidmet. Elektromobilität, Digitalisierung und das automatisierte Fahren sorgen nun für einen technologischen Umbruch im Automobilbereich und das Design formt diesen Paradigmenwechsel – im wortwörtlichen Sinn. Die Elektromobilität auf der einen Seite bietet die perfekten Voraussetzungen, um die schönsten Autos zu gestalten, die es je gab. Denn die Grundlage für gutes Design sind immer die Proportionen. Der Antriebswechsel in der E-Mobilität befreit das Automobil-Design. Dank des emissionsfreien und langstreckentauglichen Elektroantriebs sind kurze Überhänge und ein langer Radstand, dazu eine schlanke Kabine auf einem kräftigen Körper möglich. Anstelle des Motors ermöglicht nun der elektrische Antrieb im Bereich der Achsen und der Batterie im Boden neue Gestaltungsspielräume. Besonders der Innenraum des Fahrzeugs gewinnt so an Leichtigkeit und Funktionalität. Das bemerken die Kund*innen ganz bewusst, denn das Raumangebot präsentiert sich wie im nächsthöheren Segment. Es entsteht ein Erlebnisraum mit tollen Möglichkeiten für Designer*innen, aber letzten Endes für unsere Kund*innen.
Henrik Wenders: Bei all diesen Möglichkeiten, die sich ergeben, besteht aber die Herausforderung darin, etwas radikal Neues zu schaffen, ohne mit Sehgewohnheiten zu brechen. Das klingt grundsätzlich einfach, ist aber bei einem Automobil das Schwierigste überhaupt. Bezogen auf die aktuellen Studien, Audi skysphere concept, Audi grandsphere concept und bald Audi urbansphere concept, die ja dank Elektrifizierung keinen Platz mehr für grosse Motoren oder Getriebe benötigen, bedeutet das, einen maximal grossen und komfortablen Innenraum oder eben viel mehr «Erlebnisraum» zu haben.
Welche Rolle bei der Konzeption neuer Fahrzeuge spielt das autonome Fahren?
Marc Lichte: Ich spreche aus tiefster Überzeugung, wenn ich sage: Der Umstieg auf das automatisierte Fahren wird der Gamechanger bei der Mobilität.
Denn es verstärkt die beschriebene Entwicklung ganz enorm. Bisher haben wir neue Modelle immer auf die gleiche Art und Weise konzipiert: Zuerst wurde der Motor entwickelt, dann entschieden, für wie viele Personen das Fahrzeug ausgelegt wird. Erst ganz zum Schluss wurde über die jeweilige Karosserie nachgedacht. Für unsere Konzeptfahrzeuge Audi skysphere, grandsphere und urbansphere haben wir den Prozess komplett umgedreht und die Fahrzeuge vom Innenraum ausgehend entwickelt. Dieser stand während des Designprozesses immer im Mittelpunkt – und damit das Erlebnis des Menschen.
Der heutige Designprozess beginnt also mit der Frage, welche Bedürfnisse die Fahrgäste haben und wie das Automobil ihren Aufenthalt zu einem Erlebnis im besten Sinn aufwerten kann. Es steht dann weniger die klassische Verbindung von Fahrer*in und Fahrzeug – Lenkrad, Instrumente, Pedale – im Vordergrund, sondern der Aufenthalt im Fahrzeug. Der Innenraum wird zum Kern des Gesamtfahrzeugs.
Henrik Wenders: Und diese Gestaltung kommt am Ende den Kund*innen zugute, die unsere Fahrzeuge nutzen. Das ist auch unser grundlegender Gedanke: Der Mensch steht im Mittelpunkt all unserer Überlegungen. Wir planen perspektivisch ein holistisches, digitales Ökosystem rund um die Fahrzeuge aufzubauen. Das ist das Premium der Zukunft: Das Erlebnis mit unseren Produkten wird entscheidend. Aus dem Fahrzeug wird ein Experience Device.
Wie steht es mit der Reichweite und der Infrastruktur für die Elektromobilität? Werden Audi-Kund*- innen Vorteile haben in Sachen Schnellladesäulen?
Henrik Wenders: Laden wird zukünftig ein enorm wichtiges Thema werden für die Skalierung der Elektromobilität. Laden muss so einfach werden wie tanken. Deshalb bieten wir unseren Kund*innen jetzt schon den Audi e-tron Charging Service: Mit einer einzigen Karte kann an mehr als 306’000 Ladepunkten in 26 Ländern Europas geladen werden –
egal ob AC- oder DC-Laden bei über 500 verschiedenen Anbietern. Das ist unglaublich komfortabel.
In Nürnberg haben wir im vergangenen Jahr ausserdem ein Pilotprojekt gestartet: den Audi charging hub. Wir sehen dies als ein ergänzendes Angebot für Premiumbedürfnisse in der Stadt: Ausgestattet ist dieser mit sechs Schnellladepunkten mit bis zu 320 Kilowatt Ladeleistung, die Ladepunkte können von Audi-Kund*innen vorab reserviert werden und für die Wartezeit steht eine Lounge zur Verfügung. Ab Sommer testen wir einen zweiten Piloten in Zürich und wollen das Konzept weiter ausrollen.
Welche Strategie verfolgen Sie mit den drei Konzeptfahrzeugen Audi skysphere concept, Audi grandsphere concept und Audi urbansphere concept?
Marc Lichte: Die drei Konzeptfahrzeuge geben ganz unterschiedliche Interpretationen von Premium- Automobilen der nahen Zukunft, für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Alle drei sind selbstverständlich elektrisch angetrieben und auch fähig zum automatisierten Fahren. Das besondere sind aber die Visionen für das Interieur. Hier zeigen wir völlig neue Konzepte, die den User*innen maximale Freiheit geben: Sie befinden sich sozusagen in anderen Sphären, verglichen mit aktuellen Fahrzeugen. Ich wurde neulich gefragt, wie ich
Luxus definieren würde. Für mich ist das eine einfache Rechenformel: Luxus = Zeit. Diese Audi-Modelle schenken mir buchstäblich Zeit. Denn während das Auto mich selbstständig von A nach B bringt, kann ich mich entspannen, arbeiten oder mit anderen Menschen kommunizieren. Dieser neue Freiraum ist für mich ein sehr schöner Ausblick in die nahe Zukunft.
Henrik Wenders: Wir zeigen mit den drei Konzeptfahrzeugen die Möglichkeiten auf, die das automatisierte Fahren unseren Kund*innen, den User*innen, bieten wird. Ich werde unabhängig von Zeit und Raum. Die Reise an sich ist nicht mehr das Entscheidende. Vielmehr stehen die Erlebnisse, die unseren Kund*innen zukünftig während der Fahrt
geboten werden, im Mittelpunkt. Im Sinne einer Human Centricity bekommen die User*innen Freiheiten in jeglicher Hinsicht: Durch das automatisierte Fahren kann in Zukunft möglicherweise das Auto zu einem Raum werden, in dem die Passagiere durch die digitale Anbindung arbeiten, entspannen oder Freund*innen treffen können. Das holistische
digitale Ökosystem wird es ermöglichen, Erlebnisse über das Fahren und die Reise hinaus zu eröffnen. Konkret heruntergebrochen auf die einzelnen Fahrzeuge: Während der Audi skysphere concept ein zweisitziger Roadster ist, zeigt sich der Audi grandsphere concept als konkreter Ausblick auf eine Oberklasse-Limousine, die ab Mitte des Jahrzehnts auf die
Strasse kommen wird. Der Audi urbansphere concept wird am 19. April enthüllt. Ich kann nur so viel sagen: Es wird ein revolutionär neues Raumkonzept.
Revolutionäres Denken ist auch für eine nachhaltige Produktion notwendig. Welche Ziele verfolgt Audi dabei?
Henrik Wenders: Generell ist für uns bei Audi klar: Die Zukunft ist nachhaltig und somit auch elektrisch. Ab 2026 – und das ist nicht mehr weit weg – werden wir weltweit nur noch vollelektrische Fahrzeuge neu auf den Markt bringen. Wir werden bis zum Jahr 2026 insgesamt rund 18 Milliarden Euro allein in die Elektrifizierung und Hybridisierung
investieren. In der Entwicklung und der Beschaffung, aber natürlich auch in Produktion und Vertrieb haben wir bei Audi den Gedanken der Nachhaltigkeit verinnerlicht. Heute schon sind zwei unserer Werke CO2-neutral. Bis zum Jahr 2025 werden es alle unsere Werke sein. All unsere elektrischen Modelle werden CO2-neutral an unsere Kund*innen übergeben. Der voll-elektrische Audi e-tron GT etwa wird in den Böllinger Höfen in Heilbronn komplett CO2-neutral gebaut. Auch zum Beispiel beim Einsatz von Kunststoffen setzen wir auf Ressourcenschonung durch den Einsatz von nachhaltigen Materialien, sogenannten Rezyklaten. Da profitieren wir von der enormen Weiterentwicklung der Recycling-Technik. Wir erschaffen ein Produkt, das formschön, nachhaltig und technisch wegweisend ist.
Nachhaltigkeit zeigt sich folglich auch im Design?
Marc Lichte: Design findet nicht im Vakuum statt. Wir müssen bei ästhetischen Betrachtungen um- und weiterdenken: Design darf nicht nur gut aussehen, Gestaltung muss mit einer Haltung einhergehen. Anders ausgedrückt: Das Design ist auch hier ein
Treiber des Paradigmenwechsels, sodass unser Premiumanspruch auch hier lautet: Eine progressive Lösung bringt Form und Funktion vollkommen in Einklang. Ein ebenso schönes wie ökologisches Beispiel dafür sind sortenreine Materialien, die durch die Kreislaufwirtschaft immer wieder verwendet werden können, sodass weniger Ressourcen
verbraucht und ein vernünftiger Umgang mit der Natur realisiert werden kann. Dafür wollen wir die Anteile recycelter Materialien in Audi-Modellen kontinuierlich erhöhen. So werden wir auch in Zukunft durch unsere Materialwahl unser Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ausdrücken – eine höchst attraktive Gestaltung mit einer starken Haltung. Im Audi e-tron GT quattro zum Beispiel sind der Bodenteppich und die Fussmatten aus Econyl gefertigt. Dieses Material besteht zu 100 Prozent aus recycelten Nylonfasern und wird übrigens auch in der Modeindustrie verwendet. Es stammt aus Produktionsabfällen, Stoff- und Teppichbodenresten oder alten Fischernetzen. Im Audi grandsphere concept etwa wird kein Leder verwendet. Die genutzte Holzart «Hainbuche» ist aus nachhaltigem Anbau und in der Natur ausreichend verfügbar. Der veredelnde Versilberungsprozess für die Optik erfolgt dann durch ein Wasser-Eisenbad, das dem Holz die Farbpigmente entzieht. Dieser künstliche Alterungsprozess geschieht ohne Qualitätsverlust und ohne zusätzliche Chemikalien.
Bei Ästhetik und Nachhaltigkeit ist für uns eines ganz klar: Es wird bei Audi niemals ein «Entwederoder» geben. Die Balance zwischen maximaler Nachhaltigkeit und progressivem Design zu finden und zu halten, ist aktuell eine der zentralen Aufgaben bei uns.