Stellen Sie sich vor, es wird ein digitalisiertes Alters- und Pflegeheheim eröffnet, realisiert als Gemeinschafts-Projekt nationaler Technologie-Startups, einer Investoren-Gruppe, der Standort-Gemeinde und einem Institut für Altersforschung.
Das Alters- und Pflegeheim der Zukunft funktioniert mit weniger Personal, dafür mit maximaler intelligenter Technologie. Diese ermöglicht, in pädagogische und therapeutische Gefilde vorzustossen, die ehedem «geschützte» Territorien der Alters- und Pflegeheime sind. Von der Pflege und Betreuung bis zum Zahlungsverkehr: die Technologien fordern die Branche mit raffinierten Dienstleistungen, die leicht verständlich sind, unabhängig von Ort und Zeit schnell und bequem beansprucht bzw. bedient werden können. Getrotzt wird dem Mangel an qualifiziertem Personal, insbesondere dem prognostizierten Pflegenotstand.
Kooperationen mit Technologie-Partnern
Mit dem Einverständnis der «Kunden» werden Daten über offene Schnittstellen den involvierten Partnern zugänglich, die wiederum (ethisch-konforme) Zusatzdienstleistungen rund um das Angebot der Alters- und Pflegeeinrichtung entwickeln und betreiben. So erhält die Institution Zugang zu innovativen Lösungen und kann ihren Aktionsradius weit über ihr angestammtes Dienstleistungsangebot ausdehnen.
Komfort durch Service
Kannte man (Concierge-) Service-Angebote rund ums Wohnen bisher nur von Luxusobjekten, ist es heute (auch) die ältere Klientel, die nach solchen Dienstleistungen verlangt. Und weil die Service-Angebote kostengünstig sein müssen, werden sie zunehmend digital angeboten. Über eine Service-App können die Nutzergruppen das Service-Angebot der Alters-Institution rund um die Uhr via Smartphone, Tablet oder Computer in Anspruch nehmen – sofern sie dazu in der Lage sind – und sich mit ihren Nachbarn vernetzen. Der Grundstein für eine moderne Nachbarschaftscommunity liegt im Sharing-Gedanken.
Teile mit Weile
Mit Einzug in das Alters- und Pflegeheim werden die Bewohnenden eingeladen, aktive Teilnehmende einer «Sharing-Community» zu werden, um sich gegenseitig zu unterstützen – vom Teilen des Magazins auf dem Tablet, das den Text vorliest, bis zu Hilfe bei der Regulierung des dimmbaren Tages- und Nachtlichts, insbesondere der Fernseh-Lautstärke. Sowohl dauerhafte Angebote wie die Aktivierungstherapie als auch kurzfristige Aktionen wie der Coiffeur-Besuch können den Bewohnenden – wie früher am Schwarzen Brett – elektronisch mitgeteilt werden. Intensiv dürfte die Möglichkeit direkter Anfragen genutzt werden. So kann die Hausverwaltung oder Pflegeleitung mit bestimmten Themen direkt beauftragt werden, der jeweilige Bearbeitungsstand ist jeder Zeit online einsehbar. Neuigkeiten über geplante Aktivitäten oder Dokumente wie etwa Abrechnungen oder Bedienungsanleitungen werden über die Service-App bereitgestellt.
Elektronische Begleitung
Ein Terminal ersetzt die physische Empfangsdame, lächelt aber ebenso sympathisch den Besuchern entgegen. Per Telefon oder vor Ort werden Informationen entweder manuell oder über das Sprachsystem abgerufen. Eine lernfähige Chatbot-Software entwickelt die Antworten weiter und überträgt ihr Wissen an alle elektronischen Schnittstellen. Ein digitales Leitsystem führt Besuchende und Bewohnende vom Empfang sicher und direkt zum Bestimmungsort. Dabei kreuzt man die umherschwirrenden Hygiene- bzw. Desinfektions-Roboter. Auch die «rollende Minibar» unterstützt bei Alltagsprozessen; verrichtet ihre Bring- und Hol-Aktivitäten, interagiert berührungslos und ist über die Service-App mit Personal und Bewohnenden vernetzt. Vor allem in Corona-Zeiten können Pflegeroboter anhand der Bedürfnisse der Anspruchsgruppen und je nach Einsatzbedarf programmiert werden, Fieber zu messen, Desinfektionsmittel zu verteilen oder Gäste zu registrieren. Sie können aber auch Spiele spielen und Märchen erzählen, in verschiedenen Sprachen.
Niemand geht verloren
Dank GSM-, GPS- oder CPS-Technologie mit Ortungs- und Notruffunktion finden nicht nur selbstfahrende Rollstühle den Weg (wieder) nach Hause, sondern es wird auch die Aufenthalts-, Bewegungs- oder Schlafenszeit der Bewohnenden registriert und in einer digitalen Akte gesammelt. Dank den elektronischen Protokollen sind das Pflegepersonal, die Angehörigen, Hausärzte, Alters- und Pflegeforscher oder weiteren Dienstleister zeitnah auf dem Laufenden. Das im Boden integrierte Licht-Leitsystem weist nachts den Weg zur Toilette, der Medikamentenschrank erinnert per Blinklicht an die Einnahme der richtigen Medikamente und die Bewegungssensoren rund um das Bett melden ausserordentliche Ereignisse. Wechseldruckmatratzen steuern die Druckverteilung.
Effiziente Unterstützung
Als mobile «Kommunikationszentralen» dienen den Mitarbeitenden LCD-Panels oder Touchscreen-PCs mit Web-Cam. Die Videophonie unterstützt sie bei der Anleitung zur Medikamenten-Einnahme oder zu Bewegungsübungen. Das elektronische Bestellsystem erleichtert die Erfassung von Speisewünschen. Die EDV-gestützte Tourenplanung in Echtzeit weist den kürzesten Weg zum nächsten Patienten bzw. Bewohnenden. Das digitale (Pflege-) Dokumentationssystem auf dem Tablet generiert automatisch Schichtpläne im Voraus und berechnet Mehrarbeitszeiten und Zulagen, erfasst die tatsächlich erbrachten Pflege-, Betreuungs- und haushaltsnahen Dienstleistungen und ermöglicht die zeitnahe Dateneingabe und unmittelbare Datenübermittlung. Moderne Türschliesssysteme ohne mechanische Schlüssel sorgen für die Zugangsfreigaben und -kontrollen. Bei hoher Pflegenachfrage bzw. Personalengpässe kann die Einrichtung über eine Sharing-Plattform kurzfristig Personal aufstocken.
Erfolgsfaktor Nachwuchskräfte
Nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die junge Generation versteht den Wandel als Chance, das Pflegegeschäft aus der Perspektive des «Kunden» neu zu denken und zu hinterfragen, und bringt eigene Erfahrungen und Wissen ein. Sie verfügt über zeitgemässe Eigenschaften wie Neugier, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung und bringt agile Rollenmodelle voran. Als Gegengewicht zur operativen Führung sollte sich auch das Aufsichtsorgan (Vorstand, Stiftungsrat usw.) aus mehrheitlich jüngeren Menschen zusammensetzen, die ihr Wissen aus den angestammten Berufen einfliessen lassen und mithelfen können, die digitale Transformation weiter voranzutreiben. Warum statt nur neu, nicht auch jünger denken?