Das Rentensystem kann mit vielen verschiedenen Massnahmen gestärkt werden. Am wichtigsten sind die Anpassungen institutioneller Parameter wie Umwandlungssätze und Kapitalvorbezug an die stark veränderten Realitäten. Längerfristig geht kein Weg daran vorbei, heilige Kühe zu schlachten.
Die Altersvorsorge ist seit mehreren Jahren die grösste Sorge von Herrn und Frau Schweizer – und das zu Recht. Gemäss Bundesamt für Statistik verfügen fast zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung über ein Reinvermögen von weniger als 100’000 Franken; rund ein Viertel besitzt gar kein Vermögen. Zudem rechnet nur gerade die Hälfte damit, mit dem Altersvermögen aus den Vorsorgewerken nach der Pensionierung ein komfortables Leben bestreiten zu können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die demografische Entwicklung und die längere Lebenserwartung setzen den Vorsorgeeinrichtungen zu. Die rekordtiefen Zinsen belasten die Performance von Pensionskassen, die einen hohen Anteil an festverzinslichen Anlagen halten müssen. Der Kapitalmarkt als «dritter Beitragszahler» liefert nicht mehr die erforderlichen Beiträge. Die Umwandlungssätze wurden aus politischen Gründen viel zu lange nicht gesenkt, sie sind immer noch viel zu hoch.
Heilige Kühe schlachten
Die Einsicht ist nötig, dass heilige Kühe wie das Rentenalter, der Mindestzinssatz und der Umwandlungssatz auf obligatorischem Kapital geopfert werden müssen, um die Renten auch für die jüngeren Generationen zu sichern. Doch es gibt auch politisch weniger kontroverse und leichter umsetzbare Massnahmen, die zur Sicherung der Renten – und zum Erreichen eines bestimmten Alterskapitals – beitragen könnten.
Kapitalvorbezug einschränken
Als Erstes ist das Thema Kapitalvorbezug im Versicherungsobligatorium zu überdenken. Kapitalbezüge mindern den Strom der lebenslangen Altersrenten und somit die finanzielle Sicherheit der Betroffenen. Sie müssen deutlich eingeschränkt werden. Das Alterskapital sollte nicht für die (risikoreiche) Aufnahme einer selbstständigen Geschäftstätigkeit gebraucht werden dürfen, und die schweizweit so beliebten WEF-Vorbezüge (Wohneigentumsförderung) sollten auf das Überobligatorium oder auf 25 Prozent des Vorsorgekapitals beschränkt werden. Personen, die bei Pensionierung den teilweisen oder ganzen Kapitalbezug wählen, müssen sich der einhergehenden Verantwortung für die Finanzierung ihres restlichen Lebens bewusst sein. Es ist zudem stossend, dass der Einmalbezug des Vorsorgevermögens bei Pensionierung zu einem geringeren Satz besteuert wird als die Renten. Dies ist ein steuerlicher Fehlanreiz zu Lasten der Allgemeinheit, der zu beheben ist.
Anreize für Säule 3a steigern
Der dritten Säule kommt zwecks Deckung von Versorgungslücken eine immer wichtigere Bedeutung zu. Die steuerlichen Anreize für das Sparen in der 3. Säule müssen verstärkt werden; alle Personen sollten das gesamte Sparpotenzial über die 46 respektive 47 Arbeitsjahre ab Alter 18 bis zur Pensionierung ausschöpfen und somit rückwirkend zum 18. Geburtstag 3a-Beiträge nachzahlen können. Optimierungspotenzial liefern auch die Witwen- und Witwerrenten. Sie sollten nur bis zum 18. Altersjahr der Kinder ausgerichtet werden, allenfalls mit einer kulanten Lösung für die überlebende Partnerin/den überlebenden Partner im Alter von über 55, die nicht arbeitstätig waren. Unter das Thema mehr Eigenverantwortung fällt auch die Altersrente für Kinder, die abgeschafft werden sollte. Erwerbstätige Personen mit Kindern müssen bei der Kinderbetreuung im Sinne der gesamten Volkswirtschaft jedoch mehr unterstützt werden, wobei eine diesbezügliche Grundsatzdiskussion nötig ist. Zudem könnten die Beiträge für Erwerbstätige ohne Kinder im Sinne der Solidarität und des Generationenvertrags erhöht werden.
Was können Arbeitgeber tun?
Viele Menschen möchten bei Erreichung des Pensionsalters weiterarbeiten – aus finanziellen Gründen, oder weil sie gerne arbeiten und die sozialen Kontakte des Arbeitsplatzes nicht aufgeben möchten. Arbeitgeber sollten diesen Personen flexible Arbeitsmodelle bereitstellen und mit ihnen schon vor Erreichen des Pensionsalters mögliche Zukunftsperspektiven besprechen. Das ist auch im Interesse des Unternehmens, weil das Know-how und die Berufserfahrung älterer Mitarbeitender dem Unternehmen viel Mehrwert bringen und die Fluktuation unter älteren Angestellten deutlich geringer ist als bei jüngeren. Und nicht zuletzt ist auch der Regulator gefordert, die Probleme der Vorsorgewerke endlich nachhaltig anzugehen. Er muss die starren BVV2-Anlagerichtlinien anpassen, die teilweise aus einer Zeit stammen, in der die Renditen von Bundesobligationen nicht negativ waren, sondern zehnjährige «Eidgenossen» vier bis fünf Prozent pro Jahr abwarfen.