Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft und die Menschen treten immer drastischer zutage: Etwa ein Drittel der Angestellten in der Schweiz musste ihr Pensum reduzieren; ebenso viele bauen Ferientage oder Überstunden ab. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von Deloitte Schweiz. Auch Selbständige und Freelancer leiden: Über drei Viertel mussten Umsatzeinbussen hinnehmen. Die Krise dürfte noch lange nicht ausgestanden sein: Knapp ein Fünftel der Angestellten hält es für wahrscheinlich, ihren Job zu verlieren und fast ein Viertel der Selbständigen rechnet mit einem Konkurs. Unternehmen sollten offen mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren und Entlassungen vermeiden. Bei der Umsetzung der Schutzmassnahmen ist Ideenreichtum gefragt.
Als der Bundesrat im März 2020 immer weitreichendere Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft anordnete, war der Schaden noch kaum abschätzbar. Nun kommt immer mehr Licht ins Dunkel. «Das anfänglich verbreitete Szenario einer V-Rezession mit scharfem Wirtschaftseinbruch und schneller Erholung scheint mittlerweile kaum mehr realistisch. Vielmehr müssen wir uns auf eine längere Erholungsphase gefasst machen, ehe wir das Vorkrisenniveau wieder erreichen», sagt Michael Grampp, Chefökonom von Deloitte.
Auch wenn viele Prognosen noch immer mit grosser Unsicherheit behaftet sind, ist jetzt schon klar: Die Corona-Krise hat die Schweizer Wirtschaft mit voller Wucht getroffen, sowohl Angestellte als auch Arbeitssuchende und Selbständige. Das zeigt eine vom Beratungsunternehmen Deloitte Mitte April durchgeführte repräsentative Umfrage bei 1500 in der Schweiz lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter.
Weitreichende Veränderungen für Angestellte
Gemäss der Umfrage hat sich die Arbeitssituation von 63 Prozent aller Angestellten in der Schweiz seit der Corona-Krise im negativen Sinn verändert. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) davon musste ihr Pensum reduzieren, 27 Prozent ihre Überstunden abbauen, 24 Prozent ihre Ferien vorbeziehen und zwei Prozent aller Angestellten wurden gar entlassen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen in der Schweiz rasch auf die neue Lage reagiert und personelle Massnahmen ergriffen haben. In den stärker von der Krise und den Massnahmen des Bundesrates betroffenen Branchen – wie etwa der Gastronomie und dem Tourismus – fielen die Anpassungen entsprechend härter aus. Der Anteil von Angestellten, die ihr Pensum ganz reduzieren mussten oder gar entlassen wurden, liegt tendenziell höher.
Weniger stark betroffene Branchen – wie etwa die Informations- und Kommunikationsbranche – haben demgegenüber vor allem mit dem Abbau von Überstunden und dem Vorbeziehen von Ferien reagiert. In der Verwaltung und im Gesundheitswesen ist der Anteil der Angestellten, die negative Auswirkungen zu spüren bekamen, am geringsten – es sind aber immer noch jeweils mehr als die Hälfte. Dank dem bewährten Instrument, der Kurzarbeit, konnten bisher in den meisten Branchen Entlassungen weitestgehend vermieden werden.
Viele Verlierer bei den Selbständigen
Stark betroffen von der Wirtschaftskrise sind auch die Selbständigerwerbenden: Gemäss Umfrage mussten 18 Prozent ihren Betrieb schliessen (siehe Abbildung). Bei 21 Prozent sind die Umsätze auf null gefallen und weitere 38 Prozent haben angegeben, dass ihre Umsätze zurückgegangen sind, wenn auch nicht bis auf null.
Zusammengenommen zeigt sich, dass die COVID-19-Lage bisher für 77 Prozent aller Selbständigen deutlich negative wirtschaftliche Folgen hatte. Wie ernst die Situation für die Unternehmen und vor allem kleine und mittelgrosse Betriebe ist, zeigt sich auch an der Flut von Kreditanträgen, die bei den Banken in den letzten Wochen eingegangen sind.
Krise noch nicht ausgestanden
«Viele Unternehmen mussten in den letzten Wochen rasche und tiefgreifende Veränderungen vornehmen – von Anpassungen in der Personalpolitik bis hin zu Betriebsschliessungen. Nun stellen die schrittweisen Lockerungen in Verbindung mit den notwendigen Schutzkonzepten die Unternehmen erneut vor grosse Herausforderungen», erläutert Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz.
«Sie müssen einen flexiblen Fahrplan für einen möglichst geordneten Übergang hin zu einer neuen Realität entwickeln, die noch viele Unbekannte enthalten wird. Entscheidend dabei ist, Vertrauen gegenüber den Kunden zu schaffen, indem etwa der Gesundheitsschutz und der Datenschutz sichergestellt werden».
Und die Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Auch wenn 71 Prozent der Angestellten nicht mit einer Entlassung rechnen, halten zumindest zwölf Prozent dieses Szenario für eher wahrscheinlich und sieben Prozent sogar für sehr wahrscheinlich.
«Ich nehme mit Besorgnis zur Kenntnis, dass ein beachtlicher Teil der Angestellten in der Schweiz eine Entlassung befürchtet. Unternehmen sollten dies ernst nehmen und die konkreten Auswirkungen der Corona-Krise ihren Mitarbeitenden transparent kommunizieren. Entlassungen müssen wo möglich vermieden werden, die Unternehmensleitungen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und zuerst selbst den Gürtel enger schnallen. Das schafft Vertrauen und schweisst das Unternehmen zusammen», so Reto Savoia.
Konsumlust muss zurückkehren
Ähnlich düster wie bei den Angestellten sind die Zukunftsaussichten beim Kleingewerbe und den Freelancern: 24 Prozent der Selbständigen halten es gemäss der Deloitte-Umfrage für sehr oder eher wahrscheinlich, dass sie als Folge der COVID-19-Lage Konkurs anmelden müssen. Demgegenüber glauben 66 Prozent, dass dieses Szenario sehr oder eher unwahrscheinlich ist. Zehn Prozent haben keine Aussage gemacht.
Die Zukunft von vielen Angestellten und Selbständigen hängt davon ab, wie rasch die Stilllegungsmassnahmen der Politik gelockert werden und wie zügig der Weg hin zu einer wirtschaftlichen Normalität zurückgelegt wird – immer unter Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen und mit dem Ziel, eine zweite Welle an Ansteckungen zu verhindern.
«Für Angestellte wie Unternehmen ist es gleichermassen wichtig, dass die Wirtschaft bald wieder Fahrt aufnimmt und die Menschen Lust auf Konsum verspüren. Bei den Unternehmen sind Ideenreichtum und Tatkraft gefragt, damit die wohl noch eine ganze Weile notwendigen Schutzmassnahmen kreativ umgesetzt werden können, ohne dabei weder Produktion noch Kundschaft zu stark einzuschränken. Die Schweiz ist mit ihren vielen innovativen Unternehmen dank der rasch und umfassend erfolgten Stützungsmassnahmen bestens aufgestellt, um schneller aus der Krise zu finden als viele andere Länder», sagt Michael Grampp.