Beim Stichwort «Arztzeugnis» ist unter Personalverantwortlichen jeweils rasch für Gesprächsstoff gesorgt. Die Hauptkritik der Arbeitgeber betrifft Krankschreibungen, bei denen bis anhin gesund wirkende Mitarbeitende von einem Tag auf den andern plötzlich der Arbeit fernbleiben. Weshalb hat dieses Thema eine derartige Brisanz?
Arztzeugnisse nach einer Kündigung oder bei Konfliktsituationen am Arbeitsplatz sorgen im Personalbüro oftmals für hitzige Köpfe. Besonders ärgerlich ist es, wenn Betroffene
schon im Voraus ankündigen, dass sie sich unter bestimmten Umständen einfach «krankschreiben» lassen werden. Dadurch entsteht bei den Arbeitgebern häufig der
Eindruck, es würden Gefälligkeitszeugnisse ausgestellt. Darauf angesprochen argumentieren die Ärzte oft, dass in solchen Fällen mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in erster Linie die Gesundheit des betroffenen Patienten geschützt werden soll. Eine Weiterausübung der bisherigen Tätigkeit wird als gesundheitsgefährdend – und damit als unzumutbar – eingeschätzt. Wenn aber die Basis solcher Arztzeugnisse eher eine berufliche oder soziale Unzumutbarkeit als eine effektiv medizinisch begründete Arbeitsunfähigkeit ist, kann man sich
ernsthaft fragen, ob ein Arztzeugnis das richtige Mittel ist. Denn der Weg zurück aus der «Krankschreibung» setzt in der Regel eine Verbesserung des Gesundheitszustandes
voraus. Bei einer Unzumutbarkeit braucht es hingegen primär eine Veränderung der Verhältnisse oder Rahmenbedingungen. Das sind zwei völlig verschiedene Ausgangslagen.
Lohnfortzahlung und Krankentaggelder
Auch die Krankentaggeldversicherer nehmen solche Fälle inzwischen genauer unter die Lupe. Im Normalfall kommt der Arbeitgeber gestützt auf das Arztzeugnis seiner Lohnfortzahlungspflicht nach. Schwierig und gleichzeitig ärgerlich wird es hingegen, wenn der Krankentaggeldversicherer trotz Vorliegen eines Arztzeugnisses den Krankheitswert des geltend gemachten Leidens verneint und damit seine Zuständigkeit – oft erst nach Monaten
– gänzlich verneint. Muss nun der Arbeitgeber weiterhin für den Lohnausfall aufkommen? In solchen Fragen bedarf es oft rechtlicher Unterstützung.
Dialog statt Krankschreibung
Unter den dargelegten Umständen wäre zu prüfen, in den sogenannten Unzumutbarkeitsfällen die Kriterien für die Ausstellung eines Arztzeugnisses zu verändern.
Man könnte den Beweiswert des Arztzeugnisses in solchen Fällen von einem Austausch zwischen dem zeugnisausstellenden Arzt und dem Arbeitgeber abhängig machen. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um Befunde oder Diagnosen, sondern «nur» um die Klärung, ob
effektiv ein medizinisch ausgewiesenes Krankheitsbild vorliegt. Daran müsste auch der Arbeitnehmer / Patient, der ja Anspruch auf Lohnfortzahlung geltend macht, ein Interesse haben. Andernfalls kann der Arzt die Frage der Arbeitsfähigkeit nicht schlüssig beantworten.
Die Rolle der Unternehmen
In der Pflicht stehen aber auch die Arbeitgeber: Mangelhafte Massnahmen zur Konfliktklärung
und wenig subtiles Vorgehen beim Aussprechen von Kündigungen tragen wesentlich dazu bei, dass betroffene Mitarbeiter den «Ausweg» über das Arztzeugnis wählen. Was letztlich in keinem Interesse beider Parteien ist.