Die Schweizer Beratungs- und IT-Dienstleisterin adesso Schweiz AG lädt im Januar zum Neujahrszyklus ein. Rund 200 Gäste folgten dieses Jahr der Einladung und kamen in den Genuss eines attraktiven Programms mit zwei hochkarätigen Referenten. Ort war das Hotel Widder in Zürich.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Trend und braucht aber genau aus diesem Grund viel Aufklärung. Daher stand KI einen Abend lang als hoch aktuelles Thema im Fokus der Veranstaltung von adesso. Mit Philippe Cuendet, Leiter Business Unit «Data & AI New Business» bei Swisscom, und Dr. Joël Luc Cachelin, Gründer und Geschäftsführer der «Wissensfabrik», referierten zwei ausgewiesene Fachspezialisten und präsentierten dabei
Beispiele aus ihren eigenen Unternehmen und Tätigkeitsfeldern. Philippe Cuendet erläuterte in seinem Referat vor allem die KI-Entwicklung bei der Swisscom und gab einen Einblick in die Chancen, aber auch Gefahren, die KI für Unternehmen birgt.
Laut Cuendet können Mensch und KI eigentlich ein Dreamteam sein. Die aktuelle Situation sieht aber noch etwas anders aus. Fast alle Unternehmen fühlen sich aus seiner Sicht unter Zugzwang gesetzt, mit KI etwas zu machen. Genau solch ein hektisches Vorgehen verhindere aber, die wirklichen Potenziale zu heben.
Es zählt der Mehrwert
Ohne Frage, die Zeit ist reif. Daten, Rechenleistung und Algorithmen sind da, die Technik ist vorhanden. Es gibt auch Erwartungen der Kunden und Umsatzprognosen – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite fehlt es aber an Fähigkeiten und Ressourcen. KI könnte hier Lücken schliessen. «Produktmanager haben oft einen zu engen Blick», betont Cuedet.
Coole Produkte reichen als Perspektive nicht aus. «KI ist kein Produkt. Es müssen hier viele Fähigkeiten zusammenkommen.» Die zentrale betriebswirtschaftliche Frage lautet: Wann gibt es einen wirklichen Mehrwert? Hier kommt das Stichwort Skalierung ins Spiel. KI benötigt
zudem eine Unmenge an Daten. Auf jeden Fall gilt es auch hier, ein Kundenerlebnis zu generieren.
Die Praxis ist da
Dr. Joël Luc Cachelin legte den Fokus anschliessend eher auf den Faktor Mensch und wie dieser in Zukunft im Zusammenspiel mit der Maschine agieren muss. Er stellte eindrücklich dar, wie Unternehmen denken sollten und welche ethischen Fragen sich bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz stellen.
KI ist in vielen praktischen Anwendungen schon integriert. So ist das Geschäftsmodell von Flixbus ohne KI kaum vorstellbar. Ein Blick nach China verdeutlicht laut Cachelin die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren. Als bekanntestes Beispiel nannte Cachelin das Thema Gesichtserkennung. Es gibt aber – jedenfalls für den Autor dieser Zeilen – auch ganz unbekannte Geschäftsmodelle. Bei dem Smile Direct Club kann man seine eigene Zahnspange zu Hause erstellen, die dann beim Hersteller auf einem 3-D-Drucker ausgedruckt wird.
So spart man Zahnarztkosten.
Es ist aber auch klar, jeder Trend hat einen Gegentrend, und nicht jedes Geschäftsmodell mit neuen Technologien funktioniert. Ein Hotel in Japan musste seine Roboter wieder entlassen.
Die Frage nach der Durchsetzung
Bei jeder industriellen Revolution gab und gibt es Sackgassen. Nehmen wir das Beispiel der Mobilität. Anfang des letzten Jahrhunderts löste der Verbrennungsmotor die Dampfmaschinen zunehmend ab. Das Automobil fuhr auf die historische Bühne. Es gab damals auch schon Elektrofahrzeuge. Auch dort wurde viel Geld investiert. Das war damals aber eine Sackgasse. Erst jetzt kommt das Thema zurück. Gibt es Kriterien für Lösungen, die sich durchsetzen
werden? Laut Cachelin muss ein Beitrag spürbar sein, der bei der Mehrheit der Gesellschaft
spürbar ist und sich langfristig durchsetzt. «In meinem geistigen Auge geht es immer um das Thema Vernetzung, und zwar auf den ganzen Planeten bezogen. Wenn hier ein Player etwas Neues vernetzen kann, dann sehe ich eine Chance der gesellschaftlichen Relevanz.»
An diesem Punkt stellt sich im Rahmen der digitalen Transformation die Frage nach dem Verlust an alten Arbeitsplätzen und der Entstehung von neuen Arbeitsplätzen. Cachelin widerspricht hier der medialen Aufgeregtheit. «Die technologische Revolution ist ein Prozess. Er läuft oft langsamer, wie dies Experten voraussagen. Es entstehen neue Jobs durch die Digitalisierung. Hier heisst die entscheidende Frage: Was braucht es für Qualifikationen? Es
braucht auf jeden Fall höhere und andere Qualifikationen. Zudem werden die Berufe oder Rollen einen kürzeren Zyklus haben. Früher war ich ein ganzes Leben lang zum Beispiel Metzger. Social Media Manager werde ich, so wie ich heute ausgebildet werde, für fünf Jahre in diesem Job sein.