Die am 2. St.Galler New Work Forum präsentierte HR-Panel New Work-Studie zeigte, dass gegenüber der Digitalisierung eine beträchtliche Skepsis herrscht, selbst wenn die Mehrheit der Befragten der Digitalisierung Chancen zuspricht. Deswegen forderten die Autoren die Anwesenden dazu auf, den Nutzen, Vorgehen, Umfang und erwartete Veränderungen einer Digitalisierungsstrategie den Mitarbeitenden zu erklären. Möglichkeiten, Lösungen aber auch Herausforderungen wurden in den Olmahallen in St.Gallen an über 20 Workshops diskutiert.
Begrüsst wurden die Teilnehmenden des 2. St.Galler New Work Forum von RAIffi, einem humanoiden Roboter der Raiffeisen Bank St. Gallen mit den Worten «Ich finde es toll, dass Sie einen Blick in die Zukunft der Arbeitswelt wagen.» Am Forum diskutierten 200 Fachleute und Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Behörden oder Bildungsinstitutionen, ob die zufriedenstellende Zusammenarbeit von Mensch und Maschine eine Utopie oder erreichbar sei. Diese Frage wurde aus der ersten HR-Panel New Work-Studie abgeleitet, in welcher die Befragten der Digitalisierung das grösste und teilweise auch unerwünschte Veränderungspotential zuschrieben. In der zweiten, am 9. Januar 2019 vorgestellten Studie, untersuchen Prof. Dr. Alexandra Cloots, Co-Leiterin des HR-Panel New Work an der Fachhochschule St.Gallen (FHS) und Verantwortlich für das Forum sowie ihr Co-Leiter und Rektor der FHS Prof. Dr. Sebastian Wörwag, was die Mitarbeitenden von der Digitalisierung erwarten. Wie sich gezeigt hat, sind das sowohl Befürchtungen wie aber auch Chancen.
Digitalisierung löst im Arbeitsumfeld Sorgen aus
Die Befürchtungen werden dadurch zu Ausdruck gebracht, dass sich lediglich die Hälfte der Befragten und somit die Hälfte der Mitarbeitenden auf die Digitalisierung freut. Gleichzeitig erachtet die Mehrheit der Befragten die Digitalisierung als eine Chance. Als positive Entwicklung wird vor allem das ortsabhängige Arbeiten erwähnt, als negativer Aspekt, die Zunahme des Leistungsdrucks oder die Routinisierung der Arbeit, beispielsweise durch mehr Dokumentation. Veränderungen, so die Vermutung der Befragten, werden sich vor allem bezüglich Effizienzdenken, Regeln und der Technologisierung niederschlagen. Lediglich 12% erwarten durch die Digitalisierung mehr Menschlichkeit, also, dass die Routinetätigkeit an die Maschine abgegeben werden kann und die Mitarbeitenden sich stattdessen auf die Menschen, die Kunden, Gäste, Arbeitskolleginnen und -kollegen oder Partner konzentrieren können. Während die Skeptiker vor allem bei den Mitarbeitenden über 46 Jahre anzutreffen sind, sind auch Berufseinsteiger bezüglich einzelnen Aspekten skeptisch: Die Jungen sehen eine Gefahr bei der Substituierung des Menschen, also, dass Jobs wegfallen werden.
Die Technologie, so ist sich Michael Baeriswyl, Head of Data, Analytics and AI, Swisscom in seinem Keynote-Referat sicher, wird eine sehr grossen Einfluss auf die Arbeitswelt haben. «Alles was Sie sich vorstellen können, ist technisch möglich und alles was technisch möglich ist, wird irgendwann möglich gemacht werden». Die Binsenwahrheit, dass nichts so konstant ist wie die Veränderung, bewahrheitet sich auch hier und wie Luzia Schuler von workingwell in ihrem Workshop betonte, ist eine Lernkultur, eine Flexibilisierung und eine Vernetzung zentral für den erfolgreichen Umgang mit der Digitalisierung als Teilaspekt von New Work. Dies wiederum bedarf eine neue, angepasste Führung. Wie die HR-Panel New Work-Studie jedoch feststellte, finden sich viele Skeptiker in den Geschäftsleitungen. Demnach verwundert es nicht, dass nur 18% der Befragten eine Veränderung beim Führungsverhalten erkennen. Angesichts all dieser Aspekte, formulieren die HR-Panel New Work-Studienautoren eine zentrale Aufforderung: «Wir müssen gut über den Nutzen, das Vorgehen und den Umfang einer Digitalisierungsstrategie ehrlich und transparent kommunizieren,» so Cloots während der Präsentation.
Künstliche Intelligenz und automatisierte Prozesse erledigen auch Arbeit
Wie eine solche Kommunikation aussehen kann, zeigte Sandra Hutterli, Head of corporate training bei der SBB in ihrem Workshop: In einem für die Mitarbeitenden hergestellten Video werden die positiven Aspekte der Digitalisierung aufgezeigt. Wenn Hutterli dies auch nicht mit den Worten eingeführt hat, dass der Video Angst nehmen soll, so schwingt dies in Aussagen im Video wie «wir wollen alle digital sein für eine starke SBB» dennoch mit. Ebenso betonte die SBB-Leiterin Bildung, dass künstliche Intelligenz und automatisierte Prozesse ebenfalls Arbeit erledigen. Sie seien deswegen nicht böse, sondern können einen wesentlichen Beitrag leisten, damit die SBB ihren Auftrag erfüllen könne. Diese Aussagen erklären den Nutzen der Digitalisierung und entstanden im Rahmen des Anspruches der SBB, alle Mitarbeitenden und Führungskräfte auf die Digitalisierung vorzubereiten und zu qualifizieren, um die Zukunftsfähigkeit der Organisation zu sichern.
Wenn die Digitalisierung eine Freiheit bringt, wie das Roman Büchler von der BSG Unternehmensberatung AG in seinem Workshop betonte, stellt sich die Frage, in welchem Gefängnis sich die Mitarbeitenden aktuell befinden, was sie aktuell verpassen, weil dieses in einem Gefängnis nicht erlebbar ist und schlussendlich auch, wie die Menschen wieder erlernen werden, wie man mit Freiheit umgeht. Diese Aspekte finden sich auch in der HR-Panel New Work-Studie wieder: Während, wie angesprochen, ein ortsunabhängiges Arbeiten, bzw. eine generelle Flexibilisierung der Arbeit bezüglich Ort, Zeit und Portfolio als Chance betrachtet wird, so werden gleichzeitig Regeln befürchtet, welche die mit der Flexibilisierung einhergehende Freiheit einschränken oder verkomplizieren. Hiermit schliesst sich der Kreis, dass für die Digitalisierung als Aspekt von New Work ein neues Führungsverhalten notwendig ist, welches von Vertrauen geprägt ist – was aber im Widerspruch zu den bereits erwähnten Skeptikern in den Geschäftsleitungen steht.
Mitarbeitende sind ebenfalls Digitalisierungstreiber
Es zeigt sich in der Studie auch, dass nicht unbedingt der Arbeitgeber der Digitalisierungstreiber ist, sondern insbesondere die Privatperson ebenso Treiber sind. Sie nutzen viele Möglichkeiten der Digitalisierung im privaten Umfeld bereits häufiger stattfinden, als im Arbeitsumfeld, erwähnt werden Informationsbeschaffung per Blogs, Foren oder Webseiten, die Nutzung von Cloud-Services wie Dropbox oder die Nutzung von Instant-Messaging-Diensten wie Whatsapp. Doch selbst wenn die Privatperson der Treiber ist und die Mehrheit der Befragten die Digitalisierung als Chance sehen, so sollen, so Alexandra Cloots und Sebastian Wörwag, die Skeptiker dennoch ernst genommen werden, damit diese sich zu erkennen geben können, damit auf sie in der Umsetzung eingegangen werden kann. Wenn Digitalisierung im Arbeitsumfeld vor allem Sorgen auslösen, dann könne dies mit (Quick-)Wins begegnet werden, deren Nutzen und Fortschritt betont werde. Für solche Entwicklungsschritte bieten sich immer wieder Möglichkeiten, denn, wie Wörwag betont, sei die Digitalisierung ein ewiger Prozess in dem zwar ein höherer Reifegrad erreicht werden können, der aber nie fertig sein werde.