Bei den grossen Schweizer Unternehmen hat sich ein Nachhaltigkeitsbericht mittlerweile etabliert. Bei Schweizer KMU dagegen zeigt sich ein anderes Bild: Viele wissen nicht, wie ein solcher Bericht konkret aussieht und befürchten einen zusätzlichen Aufwand. Dieser Beitrag bietet eine aktuelle Standortbestimmung und gibt KMU hilfreiche Tipps.
Immer mehr Unternehmen zeigen mit einem Nachhaltigkeitsbericht ihre wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aktivitäten. Allerdings fehlen hierbei allgemein anerkannte Standards. Kein Wunder unterscheiden sich die Nachhaltigkeitsberichte in ihren äusseren Merkmalen, zum Beispiel Umfang und Layout sowie insbesondere inhaltlich, das heisst von einfachen Beschreibungen bis zu umfangreichen, spezifischen Ausführungen, teils deutlich voneinander.
In der Schweiz sind Nachhaltigkeitsberichte freiwillig, in anderen Ländern, wie Deutschland, sind gewisse Informationen gesetzlich verpflichtend. Nichtsdestotrotz scheint ein Nachhaltigkeitsbericht in der Schweiz mittlerweile Best Practice zu sein, wie eine aktuelle Untersuchung im Rahmen einer Bachelor Thesis an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) feststellt. Die aktuellen Zahlen zeigen jedoch gleichzeitig, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) noch zurückhaltend sind. Daher sind pragmatische Empfehlungen notwendig, die aufzeigen, wie auch KMU erste Schritte zum Nachhaltigkeitsbericht machen können.
Aktuelle Untersuchung in der Schweiz
Eine Bachelor Thesis an der FFHS hat sich kürzlich dem aktuellen Stand der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Schweiz gewidmet. Von den 217 untersuchten börsenkotierten Schweizer Unternehmen veröffentlicht mehr als die Hälfte einen Nachhaltigkeitsbericht.
Vor allem Industrieunternehmen, aufgrund ihrer potenziell höheren Umweltbelastung, sowie die Finanzdienstleister, aufgrund ihrer Präsenz in der Schweizer Unternehmenslandschaft, veröffentlichen die meisten Berichte. Insgesamt aber hat die Branche keinen Einfluss auf die Frage, ob ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Demgegenüber zeigt sich ein klarer Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse. Alle grossen börsenkotierten Unternehmen sowie 25 der 26 mittleren Unternehmen veröffentlichen einen Nachhaltigkeitsbericht. Hingegen veröffentlichen nur 74 der 171 kleinen Unternehmen einen solchen Bericht.
Die meisten Nachhaltigkeitsberichte sind Teil des jährlichen Geschäftsberichts; die übrigen sind eigenständige Nachhaltigkeitsberichte. Die Unternehmen berichten darin vor allem über die Themen Energieverbrauch, Aus- und Weiterbildung und Treibhausgasemissionen. Insgesamt überwiegen die Umweltthemen.
Die Nachhaltigkeitsberichte sind unterschiedlich umfangreich: von nur wenigen Sätzen bis hin zu sehr umfassenden Berichten. Im Durchschnitt umfasst ein Bericht elf Seiten. Bringt man die Berichte in ein standardisiertes Format, zeigt sich allerdings, dass sich der Umfang bei immerhin 40 Berichten deutlich gegenüber dem Originalumfang reduziert. Anders gesagt: Mit einer geschickt gewählten Formatierung scheint es, dass ein Nachhaltigkeitsbericht umfangreicher wirken kann, als er tatsächlich ist. So lässt sich der Eindruck erwecken, dem Nachhaltigkeitsbericht sehr viel Platz und Bedeutung einzuräumen.
Zur Gestaltung des Berichts setzen die Unternehmen in erster Linie Fliesstext ein, der etwa 70 Prozent des Umfangs ausmacht. Im Übrigen verdeutlichen sie Inhalte mit ausgewählten Kennzahlen, Grafiken, Tabellen oder lockern den Text mit Bildern auf.
Empfehlungen für KMU
Warum sollte ein KMU einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen? Über die Bedeutung eines Nachhaltigkeitsberichts gibt es verschiedene Studien. Unbestritten ist, dass ein Nachhaltigkeitsbericht die Glaubwürdigkeit und die Aussenwirkung eines KMU bei seinen Anspruchsgruppen, wie beispielsweise Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten und Sitzgemeinden, stärken kann. Ausserdem ist ein KMU auf diese Weise aufgefordert, seine Aktivitäten kritisch zu hinterfragen, und wird dadurch allenfalls auf bestehende Problemfelder sensibilisiert.
Auswahl der Nachhaltigkeitsthemen
Wie und wo soll ein KMU beginnen? KMU starten idealerweise, indem sie ihre verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen auflisten, ebenso wie die gesetzten Ziele, deren Erreichen, Kennzahlen und allfällige Massnahmen. Die aktuelle Studie hat gezeigt, dass sich beispielsweise Umweltthemen, zum Beispiel Emissionen oder Energieverbrauch, als gut messbar darstellen, sodass eine Berichterstattung darüber vergleichsweise einfach ist. Bezüglich sozialer Themen haben sich die Mitarbeiterperspektive, unter anderem Aus- und Weiterbildung, Absenzen aufgrund Krankheit oder Unfall und Mitarbeiterstruktur, und die Lieferantenperspektive als typisch gezeigt. Demgegenüber ist eine Berichterstattung über Selbstverständlichkeiten überflüssig, zum Beispiel dass ein KMU Steuern entrichtet oder Löhne an die Mitarbeitenden auszahlt. Alles in allem bleibt die unternehmensspezifische Auswahl der Themen trotz dieser Hinweise unerlässlich. Ziel und Ausrichtung soll sein, den Informationsbedürfnissen der Anspruchsgruppen zu entsprechen. Gleichzeitig sollte der Nachhaltigkeitsbericht nicht einer Werbebroschüre gleichkommen, in der der Grossteil des Berichts mit Bildern und nur wenig mit aussagekräftigen Informationen gefüllt ist.
Für eine pragmatische und einfache Umsetzung entwickeln KMU ein Berichtsgerüst mit den wichtigsten Informationen, auf das sie Jahr für Jahr zurückgreifen können. Ein solcher Rahmen muss nicht schon beim ersten Nachhaltigkeitsbericht perfekt sein, sondern kann sich im Laufe der ersten drei bis fünf Jahre konsequent ausarbeiten. Damit haben die KMU eine Vorlage, die sie mit aktuellen Informationen und Ereignissen des Berichtsjahres ergänzen können. Gleichzeitig werden so die Berichte und Informationen für den Leser vergleichbar beziehungsweise kann er eine Entwicklung nachvollziehen.
Ehrliche Kommunikation
Und wenn ein Nachhaltigkeitsziel mal nicht erreicht wurde? Wie bereits erwähnt, sollte ein Nachhaltigkeitsbericht keine Werbebroschüre sein. Viel wichtiger und vor allem glaubwürdiger ist es, offen und konsequent zu kommunizieren. Das schliesst auch nicht erreichte Ziele mit ein. So ist es für den Berichtleser wichtig zu erfahren, warum sich ein Ziel nicht erreichen liess, und welche Gegenmassnahmen das Unternehmen ergriffen und welche Entwicklung es anvisiert hat. Genauso wichtig ist es, negative Ergebnisse oder Branchenprobleme proaktiv zu kommunizieren und zu beschreiben, welche Anstrengungen das KMU selbst dagegen unternimmt.
Die passende Berichtslänge
Der richtige Umfang? Ein zu kurzer Nachhaltigkeitsbericht lässt nur wenig Platz für Informationen und entspricht kaum dem Grundsatz der Vollständigkeit. Auf der anderen Seite sind einige Berichte sehr umfangreich gestaltet. Hier erfüllt sich zwar der Grundsatz der Vollständigkeit, im Gegenzug ist der Grundsatz der Wesentlichkeit nicht erfüllt. Die Informationen überfordern den Leser geradezu. Es gilt also, die Themen zu priorisieren, wobei die Informationsbedürfnisse der Kunden, Mitarbeitenden und anderen Interessengruppen die notwendige Leitlinie darstellen. Eine ideale Berichtslänge gibt es dementsprechend nicht. Vielmehr ergibt sich der Umfang aus den beiden genannten Grundsätzen der Vollständigkeit und der Wesentlichkeit.
Eigenständiger oder integrierter Nachhaltigkeitsbericht? Beide Berichtsformate haben ihre Vor- und Nachteile. Im Sinne einer umfassenden Berichterstattung macht es Sinn, den Nachhaltigkeitsbericht als Bestandteil des Geschäftsberichts zu veröffentlichen. Gleichzeitig erreicht das Unternehmen eine grössere Anzahl von potenziellen Lesern, zum Beispiel Aktionäre, Medien und andere interessierte Kreise. Widmet das Unternehmen dem Thema Nachhaltigkeit demgegenüber einen separaten Bericht, spricht es damit genau die Leserschaft an, die sich für dieses Thema interessiert. Ausserdem verdeutlicht eine separate Publikation deren Stellenwert und gibt dem KMU die Möglichkeit, den Nachhaltigkeitsbericht detaillierter zu gestalten. Egal, welches Berichtsformat letztlich gewählt wird – es gibt kein besseres oder schlechteres.
Fazit
In der Schweiz veröffentlichen immer mehr Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht. Bislang konzentrierte sich diese Entwicklung in erster Linie auf grössere Unternehmen. Dabei können KMU mindestens über gleichwertige Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten. Im Hinblick auf einen ersten Nachhaltigkeitsbericht mag es zwar einen Initialaufwand geben, dennoch gilt das Credo: Tue Gutes und schreib’ darüber – auch für KMU gibt es geeignete und pragmatische Lösungen, wie sie einem breiten Publikum ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten können.