Es ist eine traurige statistische Tatsache, dass die Hälfte aller ERP-Projekte scheitert oder finanziell und aus zeitlichen Gründen vor die Wand gefahren wird. Dabei sind meistens keine technischen Hürden die Stolpersteine. Oft entscheiden einige IT-Verantwortliche über eine Lösung und holen die Geschäftsführung nicht mit in das Boot. Das zieht einen ganzen Rattenschwanz von negativen Folgen mit sich. So hat das Projekt auch zu wenige Prioritäten gegenüber dem alltäglichen Business. Natürlich muss alles billig sein und zu viele Personalstunden dürfen nicht anfallen. Auch die Schulung der Projektverantwortlichen wird dann mangelhaft betrieben.
Wenn die Geschäftsführung mit an Bord ist, kann man auch die anderen Stolpersteine aus dem Weg räumen und eine professionelle und schnelle Grobevaluation angehen. Mit den richtigen Werkzeugen aus dem Projektmanagementkasten, einer zielgerichteten Kommunikation und einem erfahrenen Berater im Hintergrund hat man schon die halbe Wegstrecke einer erfolgreichen ERP-Einführung zurückgelegt.
Die Grenzen klassischer Lösungen
Allerdings will man sich auch in der Praxis die Lösungen anschauen. Dafür gibt es Messen und auch einige Internetplattformen. Das zentrale Manko solcher Veranstaltungen und Plattformen ist aber, dass man nicht einen dynamischen Vergleich unter Stressbedingungen ziehen kann. Auf einem Messestand hat man es fast immer mit einem Produkt und einem Verkäufer zu tun. Auch auf den Plattformen fällt der Vergleich, wenn er denn stattfindet, ziemlich statisch aus.
Contest jenseits von Gladiatoren
Die Verantwortlichen der topsoft, Dr. Marcel Siegenthaler und Cyrill Schmid, sind daher auf die Idee eines direkten Wettbewerbs, eines Software Contests, gekommen und haben ihn am 20. November in Bern auch realisiert. Vermutlich nicht nur mir kam das Bild von römischen Gladiatoren in der Arena oder etwas zeitgemässer einer Show mit Stefan Raab in den Sinn. Die Zuschauer erlebten aber keine roten Köpfe auf den Panels. Nur einige Vorführpannen, die aber in jeder Präsentation passieren, und einige kritische Bemerkungen und Nachfragen des Moderators Dr. Marcel Siegenthaler. Der Contest war eigentlich, wie sich das für Softwareprodukte gehört, eine nüchterne Angelegenheit.
Vier Runden
Zwei Modellfirmen in den Bereichen Handel und Produktion waren vorgegeben. Ihre Produkte und Hauptprozesse waren definiert. Schritt für Schritt führten die Anbieter vor, wie sie die gestellten Anforderungen mit ihrer Software erfüllen können. Es gab dabei vier Vorführungsrunden: Angebotsstrukturen mit einem Vergleich der Offerten für die Software im Bereich Handel, ERP-Produktion, bei der die Veränderungen im Produkt bewältigt werden mussten, der ERP-Contest-Handel und last but not least der Contest zum Vertragsabschluss.
Es verdeutlichte sich, dass jede Software ihre eigene Geschichte und Philosophie hat. In der eher nationalen Verwurzelung oder der globalen Ausrichtung lag ein zentraler Unterschied, der schnell klar wurde. Wer auf dem Schweizer Markt ein Schweizer Produkt will, wird sich eher die Lösungen der ABACUS Research AG und die der AP Schweiz Informatik anschauen. Wer eher global agiert, tendiert eher zu einem Anbieter von Microsoft Dynamics oder COMARCH ERP. Bei der Fragestellung, welches Bedienkonzept am intuitivsten erscheint, welcher Planungsablauf am besten umsetzbar ist, ist die Entscheidung schon viel schwieriger und führte zu lebhaften Diskussionen.
Es gab aber am Schluss kein Siegertreppchen. Diese Erwartung musste enttäuscht werden. Eine Wertung wurde von den Veranstaltern bewusst nicht vorgenommen, da diese letztlich vor dem Hintergrund der konkreten persönlichen Anforderungen des Anwenders erfolgen muss.
Die ersten Feedbacks zeigen laut den Veranstaltern, dass die Premiere gelungen ist. Die Mischung aus Contest und Fachtagung funktionierte gut. Die Teilnehmer schätzten die kompetente Wissensvermittlung, gewürzt mit einer Prise Spannung und Unterhaltung. Einer Fortsetzung des Software Contests steht nichts im Wege.
Georg Lutz ist Chefredaktor der kmu RUNDSCHAU.