In der Kommunikation gehört in den Vordergrund, was den Kunden im wahrsten Sinne des Wortes berührt – und damit zur Tat schreiten lässt. Hierbei sollte man so viele Sinneskanäle wie möglich ansprechen, um im informationsüberfluteten Hirn einen Logenplatz zu ergattern. Und in einer zunehmend digitalisierten Umgebung stechen sinnliche Eindrücke besonders heraus.
von Anne M. Schüller
Sinnlichkeit ist nur was für grosse Marken? Mitnichten! Jeder Anbieter kann sich zu einem Meister der Multisensorik entwickeln. Und funktioniert das nur offline? Ganz im Gegenteil: Die Digitalindustrie beschäftigt sich längst mit der gezielten Integration multisensorischer Elemente. So werden zum Beispiel Virtual-Reality-Brillen, eben weil sie mit allen Sinnen spielen, als einer der nächsten ganz grossen Hypes angesehen.
Doch im B2B ist das sensorische Branding noch immer ein Stiefkind. Dabei stimuliert die Verwendung von Düften, Klängen und haptischen Strukturen das Kundenerlebnis beträchtlich. Würden sich die Ingenieure, Konstrukteure und Produktentwickler nicht nur mit den Funktionalitäten, sondern viel mehr mit sinnlichen Aspekten und Erlebnisdimensionen beim Produktgebrauch befassen, käme so manches «Wow» der Kunden zustande. Und Zusatzumsatz brächte das auch.
Mehrsinnig statt einsinnig lautet also das Ziel. Hierbei geht es jedoch nicht um Insellösungen, sondern um ein virtuos synchronisiertes Konzept. Und egal, wozu Sie sich am Ende entschliessen: Alles muss wohldosiert, ausgewogen und sowohl für die Marke als auch für den Kunden passend sein. Viel hilft nicht immer viel – und eine Überfrachtung kann schnell zu Ablehnung führen.
Sinnliche Markenerlebnisse
Oft werde ich gefragt, ob sich multisensorische Konzepte zum Beispiel auch auf den Industriegüterbereich übertragen lassen. Na, und ob! Zunächst müssen wir uns ansehen, wofür zum Beispiel eine Baumaschine, ein Montageroboter oder eine Getränkeabfüllanlage unter emotionalen Gesichtspunkten stehen. Begriffe, die einem hier sofort in den Sinn kommen, sind diese: Präzision, Leistung, Kraftwerk, Effizienz, Fortschritt, Veredelung, Erfolg.
Analysieren Sie daraufhin ihren werblichen Auftritt: Ist er plump, altmodisch, unkoordiniert, nüchtern, distanziert und beliebig? Oder strotzen die Bilder vor Power? Stehen die Farben für Effizienz? Zeigt sich das Layout perfekt? Und das Schriftbild zukunftsnah? Wie bringen Sie Präzision zum Klingen? Wie Qualität? Und wie Sicherheit? Gibt es haptische Aspekte, die mit der Arbeit der Maschinen in Zusammenhang stehen? Gibt es vertraute, angenehme Gerüche, die sich mit dem Fertigungsverfahren in Verbindung bringen lassen?
Sind die obligatorischen Leistungswerte nur tabellarisch dargestellt oder auch sensorisch untermalt? Wie lassen sich Statusmotive, die im B2B allgegenwärtig sind, subtil integrieren? Oder Risikoreduktionsmotive? Lassen sich spielerische Momente einbauen? Gibt es Menschen auf Ihren Fotos, die die Maschinen beherrschen? Und gibt es zu all dem nachvollziehbare Geschichten – sozusagen als Beweismaterial?
Haptische Erlebnisse
Das Anfassen- und Ausprobieren-Dürfen ist nicht nur auf dem Wochenmarkt sinnvoll. Auch im B2B sollte das praktische Vorgehen einen viel grösseren Stellenwert haben. Ist doch bekannt: Was in die Hand genommen wird, wird in Besitz genommen, aus Sicht des Gehirns gehört es quasi schon mir. Das glauben Sie nicht? Dann versuchen Sie mal, jemandem etwas aus dem Einkaufswagen zu nehmen, wenn der in der Warteschlange vor der Kasse steht.
Schon bei Kleinkindern ist das zu sehen: Dinge, die wir besitzen, wollen wir nicht wieder verlieren. Verlustaversion ist das Fachwort dafür. Verlustaversion führt auch dazu, dass wir uns schlecht von alten Gewohnheiten trennen können und gern Wege fortsetzen, die wir einmal eingeschlagen haben. Was wir besitzen, ist uns auch teurer als das, was nicht unser Eigen ist. Und die Zahlungsbereitschaft für Dinge, die wir in Händen halten, steigt. Mehr Berührung bedeutet also mehr Umsatz.
Ein Abenteuerland
Jeder Mittelständler kann sich die Erfolgsfaktoren der Haptik zunutze machen. Zum Beispiel kann er seinen Besucherbereich zu einem Abenteuerland umfunktionieren. Und in Wirklichkeit? Die öffentlichen Bereiche produzierender Unternehmen sind nichts als ein Egoprogramm. Maschinenteile und Miniaturen von Fertigungsanlagen: anfassen verboten. Die Ahnengalerie, Urkunden und Pokale: verstauben hinter Glas. An der Wand eine vergilbte Weltkarte voller Fähnchen: das territoriale Eroberungsprogramm.
Der Gesamteindruck? Man feiert sich selbst. Von Sinnlichkeit, mit der man den Besucher umhüllt, keine Spur. Dabei gäbe es so viel zu erzählen! In jede Eingangshalle könnte man ein kleines Erlebnisland bauen, in dem nicht nur die Sinne Nahrung finden, sondern auch die Hände spielerisch beschäftigt werden. Mein Tipp: Lassen Sie hierzu mal Ihre jungen Leute ran, die gerne Online-Spiele spielen. Denen fällt sicher eine Menge dazu ein.
Mehrsinnig statt einsinnig
Aus Sicht des Gehirns schaffen gleichlautende Informationen auf mehreren Kanälen zusätzliche Sicherheit. Wer ein wildes Tier hörte und es gleichzeitig roch und zudem verdächtige Bewegungen im Blätterwald sah, dessen Genmaterial hatte höhere Überlebenschancen. Oder: Wenn etwas gut aussieht und sich gut anfühlt und gut riecht und gut schmeckt, gibt dies eine viel grössere Gewissheit, nicht vergiftet zu werden.
Aus solchen Gründen wird die mehrsinnige Botschaft der einsinnigen vorgezogen. Erreicht also die gleiche Botschaft unser Gehirn parallel über mehrere Sinne, erzeugt dies eine zerebrale Wirkungsexplosion. «Kauf mich!», feuern die Neuronen wie wild. Und jedes Mal, wenn wir ein derartiges Produkt verwenden, verstärkt sich die Verankerung im Gehirn.
Viele sensorische Stimuli werden vom Empfänger zwar nur beiläufig oder auch vollkommen unterbewusst aufgenommen, dennoch sind ihre Wechselwirkungen sehr hoch. Die Brand-Sense-Studie von Millward Brown hat gezeigt: Die durchschnittliche Markenloyalität steigt von 28 Prozent bei nur einem positiv angesprochenen Sinn auf 43 Prozent, wenn die Marke über zwei bis drei Sinne inszeniert wird.
Multisensorik sorgt für Umsatzzuwachs
Anbieter, die sensorische Berührungspunkte vernachlässigen, verschleudern Geld. Anbieter hingegen, die ihren Kunden multisensorische Erlebnisse schenken, sind für Wiederholungskäufe geradezu prädestiniert. Multiple sensorische Erlebnisse sorgen für mehr Aufmerksamkeit, für einen höheren Erinnerungswert und für ein schnelleres Wiedererkennen. Sie signalisieren einen Zuwachs an Qualität. Zusätzlich kann man sich mit Multisensorik besser vom Wettbewerb differenzieren.
Wie können Sie also ein Feuerwerk für die Sinne entfachen und Ihren Kunden die Welt der Sinne erschliessen? Dazu eine kleine Frageliste:
- Nutzt Ihre Marke an allen passenden Touchpoints sensorische Reize?
- Wie viele Sinne werden dabei integriert?
- Welche Sinne fehlen? Und wie könnten Sie diese zusätzlich integrieren?
- Welcher Sinn könnte einen unkopierbaren Wettbewerbsvorteil verschaffen?
- Was ist überflüssig, lästig oder störend und muss weg?
- Nehmen die Konsumenten Ihr Sinnesmarketing überhaupt wahr?
- Wie viel Umsatzzuwachs lässt sich durch getroffene Massnahmen erzielen?
Welche Möglichkeiten es dazu im Einzelnen gibt, zeigt mein neues Buch Touch.Point.Sieg.
Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller: Touch.Point.Sieg.
Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation
Gabal Verlag 2016
380 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-86936-694-4
Zur Bestellung:
www.touchpoint-management.de/bestellung-touchpointsieg.html
Weitere Informationen:
www.anneschueller.de
www.touchpoint-management.de