Der Server in der nicht klimatisierten Besenkammer gehört der Vergangenheit an. Die Daten fühlen sich dort nicht wohl und sind auch vergleichsweise unsicher aufgehoben. Mit dem CEO des Providers und Rechenzentrumsanbieters green.ch führten wir ein Interview zu den produktiveren Alternativen.
Der Name Frank Boller ist in der ICT-Branche kein unbeschriebenes Blatt. Sie waren für namhafte Unternehmen wie Sunrise oder hp tätig. Was macht den Reiz aus, an verantwortlicher Stelle bei green.ch einzusteigen? Dort sind Sie ja seit Januar 2016 als CEO tätig.
Ich bin in einer Karrierephase, wo man nicht unbedingt neue Plattformen sucht. Ich suche aber durchaus neue Herausforderungen. In den letzten Jahren durfte ich viele Erfahrungen bei grossen Unternehmen sammeln und habe davon profitiert. Heute hat sich mein Anspruchsprofil verändert. Ich schätze beispielsweise mehr Gestaltungsspielräume und lege Wert darauf, in einem Schweizer Unternehmen und nicht in einer Konzerntochter eines globalen Players zu arbeiten. Unternehmerische Aspekte sind mir wichtig. Das macht den Reiz aus, in einem Schweizer KMU tätig zu sein.
Datencenter auf der grünen Wiese, wie in Ihrem Hause in Lupfig, sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Können Sie uns die zentralen Gründe benennen?
Lassen Sie mich einige zentrale Gründe dafür anführen. Zunächst sind wir in einer Übergangsphase. Viele Unternehmensverantwortliche merken, dass ihre eignen Rechenzentren nicht mehr den heutigen Anforderungen und Vorgaben entsprechen. Es geht dabei meist um die Themen Sicherheit und Verfügbarkeit. Wenn die Unternehmen dann vor dem Thema Ersatzinvestitionen stehen, entscheiden sie sich oft für eine Unterbringung der Daten in einem professionellen Datencenter.
Und damit gegen die eigenen Server in der heissen Besenkammer?
Ja, seit Netzwerkverbindungen preiswert und leistungsfähig sind, suchen viele Kunden professionellere Umgebungen. Zudem rechnet es sich, da man sehr viel flexibler ist und die Leistungen den Anforderungen laufend anpassen kann. Das benötigte Datenvolumen steigt jedes Jahr weiter an. Alles spricht von Big Data. Und Unternehmen suchen nach Lösungen, um das Potenzial auszuschöpfen. Dazu gehört nicht nur eine professionelle Pflege der Daten, sondern eben auch eine sichere Unterbringung. Unternehmen sind sich heute bewusst, was der Verlust von wertvollen Daten bedeutet. Professionelle Rechenzentren bieten hier den grösstmöglichen Schutz: Sie befinden sich an optimaler Lage abseits von Gefahrenherden und vor Naturereignissen gesichert, sind vor unberechtigten Zutritten geschützt und stellen die entscheidende Versorgung mit Strom, Glasfaser und Kühlung auf mehrfache Weise sicher. Wir stellen generell fest, dass das Vertrauen in die externe Datenhaltung gewachsen ist. Es gibt genügend etablierte Angebote und Kunden jeder Unternehmensgrösse werden persönlich betreut. Dieser Kontakt scheint mir wichtig, denn Vertrauen ist der Grundpfeiler unseres Geschäfts.
Es spricht nichts mehr für eine interne Lösung?
Wir würden nicht so wachsen, wenn unser Angebot nicht ein reales Bedürfnis treffen würde.
Wie ist solch ein Datencenter aufgebaut und organisiert? Es gibt bei green.ch unterschiedliche Datengefässe. Erstens geht es bei green.ch um virtuelle Server, das zweite Stichwort heisst Dedicated Server, und das dritte Stichwort heisst Colocation.
Man muss hier zwischen mehreren Möglichkeiten der Datenhaltung unterscheiden. Es gibt das klassische Rechenzentrumsgeschäft. Sie stellen dann als Anbieter Räumlichkeiten oder Teile von Räumlichkeiten zur Verfügung. Bei Colocation sprechen wir vom gleichen Prinzip, nur in einer kleineren Ausführung. Es geht dann nur um einzelne Schränke oder Teile eines Schrankes. Die Hardware bringt der Kunde und ist in der Regel auch für den Betrieb seiner IT weiterhin selber verantwortlich.
Das sind dann ein oder mehrere Racks?
Ja genau.
Jetzt gibt es heute ja viel mehr Dienstleistungen?
Das zweite grosse Themenstichwort heisst heute Cloud. Hier wollen Kunden keinen Serverraum mehr mieten oder eigene Hardware kaufen und warten, sondern nur die benötigten Dienstleistungen beziehen. Die Stichworte heissen Rechenleistung, Speicherplatz und Vernetzung. Dabei geht es immer darum, den aktuellen IT-Bedarf abdecken zu können, aber auch flexibel wieder anzupassen. Hier sind die Server virtuell, und die Hardware stellen wir. Gleichzeitig profitieren Sie bei green.ch aber weiterhin von einer Datenhaltung in Schweizer Rechenzentren. Insbesondere bei virtuellen Diensten wollen die Unternehmen heute wissen, ob die Daten noch im Inland gehalten werden.
Bei den Dedicated-Servern geht es um Kunden, die nicht einen Teil eines Servers wollen, sondern einen, der ihnen alleine gehört.
Wer Ihr Gebäude gesehen hat, ist beeindruckt. Viele KMU-Verantwortliche sagen dann aber sicher, das ist doch nur etwas für grosse Unternehmen. Sie können diese Argumentation sicher widerlegen?
Das ist ein Missverständnis. Solche Angebote kommen nicht nur für grosse Kunden in Frage. Ein KMU hat im Normalfall nicht die Möglichkeit, sprich das Kapital, solch eine moderne Infrastruktur für die Datenhaltung zu erbauen. Wir haben das Gebäude und seine Infrastruktur darauf ausgelegt, dass alle Daten von grossen und kleinen Unternehmen 24 Stunden sicher zur Verfügung stehen. Das hat sich auch bei vielen Unternehmensverantwortlichen von kleinen Unternehmen herumgesprochen, die wir als Kunden gewinnen konnten.
Daten und Datensicherheit bekommt immer mehr eine politische Dimension. So hat der Europäische Gerichtshof dem «Safe-Harbor-Abkommen» einen Riegel vorgeschoben. Was bedeutet dies für Schweizer Unternehmer, die im Export tätig sind?
Man muss sich zunächst im Klaren sein, ob Sie als Unternehmen Personendaten mit den USA austauschen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Sie mit einer US-Tochtergesellschaft gemeinsamen Zugriff auf Kundendaten haben. In diesem Fall lohnt es sich, überlegt zu agieren. Zurzeit gibt es keine vollständige Rechtssicherheit, wie dieser Datenaustausch zu handhaben ist.
Insbesondere bei Personendaten ist die Datenunterbringung kritisch zu hinterfragen, und Schweizer Datenstandorte sind vorzuziehen. Ansonsten müssten gegebenenfalls zusätzliche rechtliche Abklärungen getroffen und Garantien eingeholt werden.
Viele KMU-Verantwortliche sind noch in der ISDN-Ära. Die Swisscom will 2017 abschalten. Welche strategischen Tipps können Sie hier den Verantwortlichen mitgeben?
Der wichtigste Rat lautet: Warten Sie nicht bis zum Schluss. Bei vielen KMU ist die Umstellung auf den ersten Blick keine grosse Angelegenheit. Die Fallstricke lauern aber im Detail. Wenn es noch Geräte gibt, die mit klassisch geschalteten Telefonieleitungen funktionieren, ist dies beispielsweise der Fall. Am einfachsten kontaktieren Sie einen Provider und planen mit ihm die Umstellung durch.
Ihr Haus ist am Expandieren. Bei green.ch drehen sich aktuell die Baukräne. Noch dieses Jahr soll der «Innovation Tower» bezugsfertig sein. Wer und was werden dort einziehen?
Wir wollen zunächst als Firma selbst unsere gesamten Aktivitäten in Lupfig bündeln. Es macht Sinn, neben den direkten Angestellten im Datacenter auch unsere anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dorthin zügeln zu lassen.
Es gibt ein siebenstöckiges Gebäude, das im Herbst bezugsfertig ist. Ein grosser Nutzer ist wie gesagt green.ch selbst, aber auch andere Firmen aus der IT-Branche zeigen Interesse, auch ein Fitnesscenter und Kunden für unser Angebot an Notfallarbeitsplätzen konnten wir bereits gewinnen. Weitere angrenzende Dienstleistungsunternehmen sind in Planung.
Wird aus dem Bauerndorf Lupfig ein ICT-Cluster in der Schweiz?
Wir werden Lupfig nicht zum Silicon Valley umbauen. Aber der Grossraum Brugg hat und bietet interessante Standorte für innovative Unternehmen im Hightech-Bereich. Die Nähe zur Fachhochschule Nordwestschweiz ist ein Pluspunkt der Region. So gelingt der Brückenschlag zwischen Lehre, Forschung und Entwicklung, und die Voraussetzungen für ein neues Cluster in den Bereichen Life Science, Informatik und Wirtschaft sind sehr gut. Hinzu kommt, dass Lupfig zentral liegt und gut erschlossen ist, aber nicht die urbanen Preise wie beispielsweise in Zürich hat.
Weitere Informationen: www.green.ch