Die Automobilindustrie ist eine Wachstumsindustrie. Doch Klimawandel, Technologiegiganten und eine fortschreitende Digitalisierung setzen Autohersteller zunehmend unter Druck. Davon profitieren Zulieferer, denn die Nachfrage nach IT-Wissen und hoch technologischen Autoteilen steigt. Das zeigt sich auch an den Umsätzen der Schweizer Zulieferindustrie.
Die Automobilindustrie hat sich seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise von einer stagnierenden zu einer rasch wachsenden Industrie gewandelt. Unterstützt durch die Niedrigzinspolitik und Liquiditätsspritzen der führenden Zentralbanken sowie durch die fortschreitende Globalisierung und die Wachstumsdynamik ist der globale Absatz von Personenwagen und Leichtnutzfahrzeugen im vergangenen Jahr auf über 80 Millionen Fahrzeuge angestiegen. Langfristprognosen von PwC sehen die 100-Millionen-Grenze bis 2020 überschritten, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von gut 3.5 Prozent entspricht. Dabei liegen die Wachstumspotenziale vor allem in China und Indien. China wird als Produktionsstandort, auch wegen des wachsenden Binnenmarktes, noch an Bedeutung gewinnen. Aber auch die Regionen ASEAN und NAFTA werden wachsen. Davon profitieren auch die Hersteller von Automobilteilen. Sie werden für die Autohersteller immer wichtiger. Die grössten Anbieter erwirtschafteten 2014 eine Rendite von durchschnittlich 6.8 Prozent. Der Gesamtumsatz der Branche liegt aktuell etwa bei 1.4 Billionen Euro.
Dennoch wird die Automobilbranche in den kommenden Jahren einem starken Wandel unterliegen. Neue Rahmenbedingungen und Branchentrends sind die Treiber grundlegender Veränderungen.
Klimawandel, Digitalisierung und globale Konkurrenz
Ende September 2015 platzte die Bombe. Volkswagen, Aushängeschild des deutschen Automobilsektors, gab zu, mit gefälschten Abgastests jahrelang gegen Umweltgesetze verstossen zu haben. Dies befeuerte die Diskussion über alternative Antriebstechnologien.
Der Klimawandel zwingt die Automobilbauer bereits seit Längerem, den Schadstoffausstoss massiv zu reduzieren und alternative Antriebslösungen, vorwiegend Elektromobile, zu fördern. Setzten sich noch vor ungefähr acht Jahren die Bestandteile eines Personenwagens aus etwa zwei Drittel Stahl und Eisenwerkstoffen, knapp einem Fünftel aus Kunststoffen (Polymere) und dem Rest aus Buntmetallen (zum Beispiel Kupfer oder Aluminium) und sonstigen Werkstoffen (Glas, Gummi) zusammen, so haben sich die Gewichte deutlich in Richtung rezyklierbare Faserstoffe (Armatur und Innenverkleidung), Naturprodukte wie Leder und Akkuantriebe (Hybride) hin verschoben. Darüber hinaus wurden verstärkte Anstrengungen in der Reduktion des Luftwiderstandes (Senkung des Cw-Wertes) und des Schadstoffausstosses unternommen (Verkleinerung der Motorkubatur), womit man erhebliche Einsparungen an Material und Energie erzielt hat.
In der Automobilindustrie zeichnen sich zudem grundlegende technologische Veränderungen ab, welche die Branche tiefgreifend verändern. Vernetzung und digitale Lösungen werden immer wichtiger. Damit drängen neue Wettbewerber auf den Markt: Technologiegiganten wie Apple und Google verunsichern die Automobilindustrie mit ihrer Vision autonomer Elektrofahrzeuge. Über kurz oder lang werden sie zu einer echten Konkurrenz.
Zulieferer gewinnen an Gewicht
Die Marktveränderungen führen dazu, dass heute der Fokus auf neuen Antriebstechnologien oder, auch aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Luxus, auf der Ausgestaltung des Interieurs liegt. Dies zeigt sich auch in der Investitionssumme 2014 für Forschung und Entwicklung der 100 grössten Unternehmen der Auto-mobilindustrie. Diese betrug über 40 Milliarden Euro.
Die Zulieferer sind für die Automobilhersteller unverzichtbar geworden, was natürlich die Machtverhältnisse bedeutend verändert hat. Die Zeiten, in denen die Automobilbauer das Sagen hatten und die Preise diktieren konnten, sind vorbei. Die Wertschöpfung hat sich kontinuierlich hin zu den Zulieferern verlagert. Damit stehen die Chancen gut, dass die Zulieferindu-strie, darunter auch Schweizer Firmen, weltweit noch stärker wachsen kann als die Automobilhersteller.
Schweizer Unternehmen geben Gas
Die Schweiz hat einige Hersteller von Autokomponenten, auf die jeder Anleger einen Blick werfen sollte. Darunter auch einige bekanntere börsenkotierte Unternehmen wie zum Beispiel die EMS-Gruppe, welche rund 50 Prozent ihres Umsatzes im Automobilmarkt generiert. Zwei andere Schweizer Unternehmen, die in der Autobranche mitmischen, sind Georg Fischer und Autoneum Holding AG. GF Automotive ist eine der weltweit führenden Automobilzulieferinnen und Spezialistin für Leichtbau-Komponenten. Das auf Technologie für Akustik- und Wärmemanagement bei Fahrzeugen spezialisierte Unternehmen Autoneum Holding AG gehört zu den globalen Leadern in ihrem Bereich. Dessen Umsätze sind in den letzten Jahren bis auf das Jahr 2014 stetig gewachsen, und auch für die Zukunft erscheint das Unternehmen mit der Fokussierung auf leichtgewichtige Produkte und Komponenten, welche zu einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch und verminderten CO2-Emissionen führen, richtig aufgestellt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18 für das Jahr 2016 ist der Titel im Konkurrenzvergleich (das durchschnittliche KGV im Vergleichssektor liegt aktuell bei circa 12) zwar nicht mehr günstig bewertet, das solide Businessmodell und ein kompetentes Management rechtfertigen jedoch den Aufschlag.
Die Schweizer Industrie hat sich im fortwährenden Verdrängungskampf mehr und mehr gegen das obere Ende der Wertschöpfungskette hin bewegt. Von jeher ist die Schweiz ein rohstoffarmes Land. Umso mehr hat sie es verstanden, sich in puncto Fachwissen (Technologie) sowie Genauig-keit und folglich in Sachen Wertschöpfung, auf mannigfachen Gebieten hervorzutun. Über Jahrhunderte hat sich dank Präzision, Zuverlässigkeit und Qualitätsbewusstsein das Gütesiegel vom Schweizer Fabrikat (Swiss Made) in den Köpfen der Konsumenten festgesetzt. Zudem haben sich kleinere und mittlere Unternehmen geschickt als Nischenplayer entlang dieser Wertkette positioniert. Ihr Spezialwissen und die Fähigkeit, Werkstoffe auf höchstem Niveau zu veredeln, genügen den anspruchsvollsten Bedürfnissen der globalen Endverbraucher. Die bewusste Pflege der Schweizer Werte und Einstellung hat zu einem hohen Grad an Bekanntheit und Beliebtheit geführt. Dies ist der Grund, weshalb Schweizer Produkte vom Markt so gefragt sind. Es hilft, die Preissetzungsmacht in einem deflationären Umfeld zu stärken, eben gerade im Spezialsegment der Autozulieferer, zum Beispiel Autoneum oder Komax.
Vielleicht können wir uns bald schon wieder über ein Schweizer Auto freuen. Der legendäre Monteverdi plant für 2017 am Genfer Automobilsalon ein Comeback. Und auch wenn der neue Sportwagen wohl nicht in der Schweiz gebaut werden wird, so stünde dies doch stellvertretend für den Schweizer Innovationsgeist und das Schweizer Unternehmertum.
Die Nachfrage nach Rohstoffen stagniert
Fallende Rohstoff- und Erdölpreise sind Segen und Fluch zugleich. Für den Konsumenten bedeuten sie vorderhand tiefere Preise für den Erwerb und Betrieb eines Fahrzeugs. Anderseits führt ebendies zu Kapazitätskürzungen bei Rohstofffirmen und Ölmultis, was zum Verlust von Arbeitsplätzen führt und über Zweit- und Drittrunden-Effekte eine deflationäre Spirale in Bewegung setzt und schliesslich in eine Rezession münden kann.
Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der global schwachen Nachfrage nach Rohstoffen, besonders aus China, der Druck auf den Rohwaren noch einige Zeit anhalten wird, bis die Weltnachfrage erneut zulegt und diese Schwäche überwindet. Der Autokauf dürfte somit auf unabsehbare Zeit attraktiv bleiben.
Weitere Informationen: www.cic.ch