Interview mit Mathias F. Böhm von Niggi Freundlieb
Welche mittel- und langfristigen Folgen, die durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) Mitte Januar bekannt gegebene Aufhebung der Euro-Untergrenze für die Schweizer Wirtschaft entstanden sind, kann noch nicht abschliessend beurteilt werden. Erste Auswirkungen vor allem für die Exportindustrie, aber auch für Konsumgüterindustrie, Detailhandel oder Gastronomie sind allerdings bereits spürbar. Die Pro Innerstadt Basel, die grösste Detailhandelsvereinigung der Nordwestschweiz, warnt allerdings – ohne die Situation zu verharmlosen – vor Panikmache und legt den Fokus stattdessen auf die Innovationskraft und die Wandlungsfähigkeit des Detailhandels-Standortes Basel.
Die Pro Innerstadt Basel entstand Ende der 1970er-Jahre als lose Vereinigung und zählt heute rund 300 Mitglieder. Sie wird von Miriam Blocher, Inhaberin und Geschäftsführerin Läckerli Huus AG, präsidiert. Geschäftsführer ist seit Anfang 2012 Mathias F. Böhm.
Damit sich Basel als grösstes Erlebnis- und Einkaufszentrum der Region behauptet, ergreift die Pro Innerstadt Basel Massnahmen für ein besseres Stadtbild, sie betreibt im Interesse ihrer Mitglieder unter anderem aktiv Werbung sowie Öffentlichkeitsarbeit und führt ebenso Weiterbildungs- und Informationsanlässe durch. Die Pro Innerstadt Basel vertritt die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Behörden und arbeitet mit Organisationen ähnlicher Richtung zusammen. Eine Erfolgsgeschichte ist zudem der Pro-Innerstadt-Bon, der jährlich einen Umsatz von rund acht Millionen Franken generiert und der in diesem Jahr sein 40-Jahr-Jubiläum feiert.
Im Interview mit dem GESCHÄFTSFÜHRER warnt Mathias F. Böhm, Geschäftsführer der Pro Innerstadt Basel, davor, den Detailhandels-Standort Basel, der aufgrund seiner Grenznähe besonders vom starken Franken betroffen ist, deswegen schlechtzureden, und spricht über die Notwendigkeit, sich durch Wandel den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.
GESCHÄFTSFÜHRER: Was war Ihre erste Reaktion, als Sie Mitte Januar vom Entscheid der Nationalbank erfuhren, die Euro-Untergrenze von Fr. 1.20 gegenüber dem Euro aufzuheben?
Mathias F. Böhm: Die SNB hat ja immer gesagt, dass diese Untergrenze nur temporär begrenzt ist und dass die Unternehmen lediglich Zeit bekommen, sich anzupassen. Allerdings hat uns dann der Zeitpunkt doch überrascht. Ich möchte den Schritt der SNB und den Zeitpunkt nicht weiter kommentieren, gehe aber davon aus, dass die SNB aufgrund ihres Wissenstandes, über den wir nicht verfügen, gute Gründe für ihren Entscheid hatte.
Können Sie abschätzen, inwieweit nun die Aufhebung der Euro-Untergrenze den regionalen Detailhandel – Stichwort Einkaufstourismus – bereits beeinflusst hat?
Die Euro-Anbindung der letzten Jahre hat ja den Einkaufstourismus nicht reduzieren können. Und als nach dem SNB-Entscheid auch im schweizerischen Detailhandel teilweise Preisreduktionen wirksam geworden sind, hat sich die Situation ein wenig stabilisiert. Es ist ja auch so, dass viele der Detaillisten Ware aus dem Euroraum importieren, welche dementsprechend günstiger eingekauft werden können.
Aber unbestreitbar ist das Einkaufen im grenznahen Ausland wegen der tieferen Preise nach wie vor attraktiv?
Ich bestreite dies nicht und möchte auch nicht die damit zusammenhängenden Herausforderungen kleinreden. Aber es ist absolut nicht zukunftsgerichtet, wenn sich unsere Detailhandels-Unternehmen allein über den Preis definieren beziehungsweise einen tiefen Preis als Hauptargument dafür ansehen, dass man bei ihnen einkaufen sollte.
… sondern?
Die Stärken des Einkaufsstandortes Basel müssen gesamthaft betrachtet werden: Breite und Vielfältigkeit des Warenangebots, kundenorientierter Servicegedanke, qualifiziertes Personal, kurze Wege, dazu ein hervorragendes Umfeld mit attraktiven Kultur- und Freizeitangeboten, welche das Einkaufen auch zum Erlebnis machen. Nicht umsonst verknüpft die Pro Innerstadt Basel ihre neue Kampagne mit den vier Hauptaussagen «Basel einkaufen», «Basel staunen», «Basel geniessen» und «Basel erleben».
Gehört dazu auch das neue Verkehrskonzept?
Grundsätzlich steigert eine fussgängerfreundliche Innenstadt die Attraktivität des Einkaufstandortes Basel, das ist unbestritten. In Bezug auf das neue Verkehrskonzept möchte ich aber die Vorgehensweise zur Umsetzung und teilweise mangelnden Pragmatismus monieren. Meiner Meinung nach hätte man die Regelungen für die Zufahrten besser überdenken und praxisnaher gestalten, bauliche Veränderungen oder Strassensanierungen realisieren und Parkraum schaffen müssen, bevor das neue Regime in Kraft tritt.
Immer wieder hört man das Wort «Lädelisterben» oder – zum Beispiel in der Freien Strasse – von einer Verdrängung einheimischer Geschäfte durch internationale Ketten, wie kommentieren Sie das?
Natürlich gibt es immer wieder Geschäfte, die verschwinden oder an neue Standorte ziehen, aber von einem «Lädelisterben» kann man nicht reden. Aufs Ganze bezogen hat sich in den letzten Jahren das Angebot in allen Segmenten vergrössert. Und betrachten wir doch auch die Entwicklung gerade in der Freien Strasse aus einem anderen Blickwinkel: Basels Einkaufsmeile Nummer eins erlebt eine grosse Nachfrage. International tätige Unternehmen und Top-Marken siedeln sich hier an und bieten ein Angebot, wie wir es noch nie hatten. Was die Mietpreise anbelangt, liegt Basel hinter Zürich und Genf, was ein zusätzlicher Anreiz für Firmen ist, an Basels Top-Adressen präsent zu sein, allerdings fehlt es an genügend Flächen. Dies hat allerdings den positiven Effekt, dass sich auch in den Vorstädten, also in der Spalen, im Gundeli oder im St. Johann, immer mehr neue Läden und Geschäfte ansiedeln, was die Stadt als Einkaufsstandort mit einem sehr guten Angebots-Mix zusätzlich attraktiv macht.
Der Detailhandel befindet sich auch in einem strukturellen Wandel – Stichwort Multi Channel –, wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ich denke, der Detailhandel steht inmitten einer Entwicklung, welche unumkehrbar ist und enorme Veränderungen bringt, die allerdings auch als grosse Chance für neue Ideen verstanden werden müssen. Die Kunden kaufen anders ein als früher, sie informieren sich im Internet und tätigen auch dort immer mehr Einkäufe. Den Kunden von morgen muss man deshalb mehr als einfach ein Warenangebot unterbreiten. Neben einer ausgeprägten Service- und Dienstleistungskultur muss man ihnen zu regelrechten Einkaufserlebnissen, zum Beispiel gekoppelt mit gastronomischen oder kulturellen Angeboten in attraktiver Umgebung, verhelfen. Weiter braucht es eine stärkere Zusammenarbeit und Vernetzung von Unternehmen, Läden, Institutionen, aber auch der Verwaltung, wie dies die Pro Innerstadt Basel schon seit Langem erkannt hat und diesbezügliche Inputs laufend in die verschiedensten Gremien einbringt. Dementsprechend fordern wir auch von der Verwaltung und der Politik weniger Vorschriften und starre Regulatorien, welche die freie und kreative Entwicklung der Unternehmen bremsen und behindern.
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