Auf der Veranstaltung Ihres Hauses «Performance of Swiss Private Banks» wurden aus meiner Sicht die Dimensionen der Umwälzungen deutlich. Man kann hier nicht mehr nur über Herausforderungen sprechen. Turbulenzen sind wohl das bessere Stichwort. Sie sprechen von «Success and failure in the new normal». Wie sieht diese ungemütliche Normalität aus?
Die Profitabilität ist in den letzten Jahren gesunken. Der Prozess begann im Zeichen der Finanzkrise im Jahr 2008, der ja gleichzeitig mit einigen Finanzskandalen verknüpft war. Zudem gab es den Zusammenbruch der Lehman Brothers. Das sind nur wenige Stichworte, die einen Vertrauensverlust der Branche einläuteten. Dazu kommt politischer Druck von der OECD und einzelnen Ländern, wie den USA, was das Thema Steuerehrlichkeit betrifft. Im Nachgang zur Finanzkrise wurden die regulatorischen Massnahmen verstärkt, insbesondere im Bereich von Cross Border Banking. Einerseits sind die Erträge gesunken, da die Kunden sehr viel konservativer und misstrauischer geworden sind und andererseits haben wir es mit einem Anstieg der Kosten zu tun. Grund ist eine höhere Komplexität. Dazu konnten auch die Personalkosten nicht gesenkt werden.
Das ist eine echte Zwickmühle. Inzwischen lichten sich die Reihen. Die Anzahl der Banken schrumpft. Sie sprechen in Ihrer Studie von einem Drittel der Privatbanken in der Schweiz, die Verluste schreiben.
Ja, das ist die Konsequenz aus den geschilderten Vorgängen. Viele Banken agieren schlicht nicht mehr profitabel. Viele Verantwortliche stellen sich die Frage, ob es im Rahmen dieser neuen Normalität überhaupt möglich ist, ein profitables Geschäft zu betreiben. Auch viele ausländische Banken haben in den letzten Jahren den Schweizer Markt verlassen.
Wirtschaftstheoretisch geht das in Richtung einer Zerstörungswelle à la Schumpeter. Sie haben das auf der Medienveranstaltung mit dem Sprichwort «Es trennt sich die Spreu vom Weizen » zusammengefasst. Wer steckt denn hinter dem Weizen?
Grössere Player können sich besser auf die neue Situation einstellen. Es ist ihnen gelungen, die Kosten besser im Griff zu behalten. Zudem haben sie die Ressourcen, sich auf die zusätzlichen regulatorischen Massnahmen und den externen Druck einzustellen. Es gelingt ihnen auch tendenziell eher, neue Kunden zu akquirieren.
Wo kommen diese neue Kunden her, wenn sich der Markt doch so konservativ entwickelt hat?
In erster Linie kommen die Kunden aus den Schwellenländern, die in den letzten Jahren im Vergleich, beispielsweise zur EU, eine bessere volkswirtschaftliche Performance entwickelt haben. Die Treiber des Marktes kommen aus Asien, dem mittleren Osten oder Südamerika. Die Akteure haben ein Kundenportfolio für das der Schweizer Markt sehr interessant sein kann.
Kommen wir nochmals zum schwierigen volkswirtschaftlichen Umfeld in Europa. Trotz niedrigster Zinsen sitzen die Leute auf dem Geld. Investiert wird kaum. Obwohl einige volkswirtschaftliche Daten in Europa seit einigen Jahren wieder deutlich nach oben zeigen. Wie lässt sich die Situation aus Ihrer Sicht skizzieren?
Das ist eine schwierige Situation. Fast alle Banken haben gehofft, dass wenn die Märkte wieder robuster, auch die Kunden wieder aktiver werden würden. Das würde dann auch die Erträge wieder erhöhen. Dieses positive Szenario ist so nicht eingetreten. Bei vielen Anlegern sitzt der Schock der Finanzkrise immer noch tief. Viele haben daher auch die positiven Entwicklungen an den Börsen, die in den letzten zwei Jahren zu beobachten waren, verpasst und erwarten jetzt wieder einen Rückschlag. Für viele sind die Bewertungen schon wieder zu hoch. Die konservativen Handlungsoptionen prägen immer noch das Gesamtbild.
Aber auch die Bankverantwortlichen agieren bisher kaum. Sie reagieren nur. «Die Hoffnung stirbt zuletzt» scheint das Motto zu sein. Ich habe den Eindruck viele Verantwortliche agieren wie das Kaninchen vor der Schlange. Trifft das zu und wenn ja, was steckt dahinter?
Es ist einfach von aussen dieses passive Verhalten zu kritisieren. Es ist aber richtig, dass passive Verhaltensweisen die Situation prägen. Viele Banken reagieren nur und kommen kaum in einen aktiven Modus. Es gibt aber auch Verantwortliche, die sich der schwierigen Situation stellen und versuchen neue Modelle zu entwickeln.
Können Sie da ein positives Beispiel verraten?
Die erhöhten regulatorischen Anforderungen werden in die gesamten Prozesse integriert. Es gilt die Dienstleistungen spezifisch auf die Kundenbedürfnisse auszurichten. Die Frage, welche Kundensegmente eine Bank wirklich professionell und wettbewerbsfähig bearbeiten kann, gilt es zu beantworten. Hier ist eine Fokussierung und Differenzierung zwingend. An diesem Punkt ist es wichtig zu erwähnen, dass es auch einige kleine Banken gibt, die sehr erfolgreich sind, da sie in ihrer Marktnische erfolgreich agieren.
Die hohe Geschwindigkeit, in der die Anpassungen in der Finanzbranche erbracht werden müssen, gleicht der aus der IT-Branche. Von aussen sieht das schnell nach passiven Handlungsmustern aus. Jedoch kommt man schnell in eine Situation, in der man als Bank weit entfernt von dem Punkt ist, an dem man eigentlich sein sollte. Das Ausmass der Veränderung ist aber gross, da das gefahrene Modell noch vor wenigen Jahren sehr erfolgreich war.
Eine Herausforderung wurde hier noch nicht thematisiert. Das betrifft die neuen Kommunikationstechnologien und veränderte Formen der Kommunikation, insbesondere mit jüngeren Generationen. Die letzte Handelszeitung hat hier unter dem Stichwort Digital Finance folgenden Titel gewählt: «Ende der Behaglichkeit». Verstärkt das die bisher geschilderten Trends?
Das ist ein wichtiger Punkt und kumuliert in der folgenden Frage: Auf welche Inhalte, Fragen und Antworten hat der Kunde in welcher Form Zugriff. Hier gibt es ganz neue Potenziale, um Kunden zu beraten. Aber dazu braucht man auch eine entsprechende IT-Landschaft und eine Plattform, die den Kommunikationsanforderungen genügt. Da gibt es inzwischen hervorragende Tools. Sie können heute beispielsweise interaktiv mit dem Kunden an seinem Bildschirm arbeiten. Der Kunde bekommt so bessere Dienstleistungen und Produkte angeboten, die auf ihn angepasst sind. Oftmals sind diese neuen Technologien und die dazugehörende Firmenkultur jedoch eher Theorie als Praxis. Banken mit alten IT-Plattformen sind gar nicht in der Lage, viele dieser Möglichkeiten zu nutzen.
Die Branche braucht auch einen verlässlichen politischen Rahmen. In Bern, so mein Eindruck, hat man in den letzten Jahren auch eher reagiert als agiert. Täuscht dieses Bild?
Das Stichwort der unklaren Rahmenbedingungen kulminiert in einem Vorwurf, den man von einigen Bankenvertretern gerne hört. Wenn Sie das Bankgeheimnis nehmen, hat es dynamische Veränderungen gegeben, übrigens nicht nur in der Schweiz, deren Wucht unterschiedliche gesellschaftliche Akteure getroffen hat.
Spielen die Banken hier nur einen Schwarzen Peter weiter?
Die Politik war hier sicher nicht nur unterstützend. Auf der anderen Seite haben wir gesehen, dass Banken sehr unterschiedlich auf die neuen Vorgaben reagiert haben. Einige haben reagiert und die anderen haben ihr klassisches Geschäftsmodell weiter gefahren. Die erste Verfahrensweise war sicher erfolgreicher.