Wer ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt, kann zu seinem Vorteil in die Pensionskasse nachzahlen. Doch bereits bei einem durchschnittlichen Einkommen können Nachzahlungen sinnlos werden. Grund: Der Staat garantiert durch Ergänzungsleistungen oft höhere verfügbare Einkommen, als die Renten aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Pensionskasse. Besonders betroffen sind Schweizerinnen und Schweizer in Gemeinden mit hohen Steuern.
Zur Aufbesserung ihrer künftigen Rente können viele Erwerbstätige freiwillig bis zu einem einkommensabhängigen Betrag steuerbegünstigte Nachzahlungen in die Pensionskasse leisten. «Solche Nachzahlungen lohnen sich aber nicht für jedes Einkommen. Der Staat garantiert oft durch Ergänzungsleistungen ein höheres Minimaleinkommen, als durch die maximal möglichen Einzahlungen in die 1. und 2. Säule erzielbar wäre», warnt Comparis-Vorsorgeexperte Leo Hug.
Sogar maximale AHV- und PK-Renten liegen unter dem Existenzminimum
Comparis hat nachgerechnet: Wie viel muss ein 40-jähriger, lediger Mann und Mieter mit 30’000 Franken Vermögen jährlich verdienen, um im AHV-Alter als Rentner nach Steuern mehr Geld zur Verfügung zu haben, als in der jeweiligen Gemeinde durch Ergänzungsleistungen (EL) garantiert ist? Bei dieser Berechnung werden nur Versicherte berücksichtigt, die im Rahmen des BVG-Obligatoriums sparen. Das bedeutet ein Bruttoeinkommen unter 85’320 Franken und ein Anrecht auf den maximalen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent. Anlass dieser Berechnungen sind die höheren EL-Maximalbeiträge an die Mieten, die ab Januar 2021 gelten.
In Bern, Neuenburg und Lausanne ist es für Personen ohne nennenswertes Vermögen ab nächstem Jahr selbst mit dem maximalen BVG-Salär nicht mehr möglich, für Renteneinnahmen zu sparen, die das EL-Minimum übersteigen. Berücksichtigt man zudem, dass EL-Empfänger auch von den TV-Gebühren befreit sind, lohnen sich Nachzahlungen ins BVG-Obligatorium auch in Basel und Biel nicht mehr. Etwas tiefer liegen die Schwellenwerte in Zürich und Genf. In diesen beiden Städten ist der Steuersatz auf geringe Einkommen sehr tief. Deshalb liegt dort das Renteneinkommen schon ab einem Erwerbseinkommen von 77’000 Franken (Zürich) beziehungsweise 79’000 Franken (Genf) über dem garantierten EL-Einkommen.
PK-Nachzahlungen in der ländlichen Ostschweiz am attraktivsten
Nachträgliche Einzahlungen in die Pensionskasse lohnen sich tendenziell eher auf dem Land. In Trun GR in der Surselva beispielsweise steigt die voraussichtliche Rente schon bei einem Einkommen von 71’000 Franken über das Existenzminimum. In den Hochsteuergebieten der Romandie hingegen liegt diese Schwelle auch auf dem Land weit höher. So etwa in Bonfol JU, einer ländlichen Gemeinde der Ajoie. Dort benötigt man ein Jahreseinkommen von 79’000 Franken, um später nicht doch noch weniger Renteneinkommen zu haben als durch EL-Leistungen garantiert ist. Zum Vergleich: Das schweizerische Durchschnitts-Bruttoeinkommen beträgt gemäss dem Bundesamt für Statistik rund 78’000 Franken.
EL-Leistungen kapern AHV und BVG-Obligatorium
Nachzahlungen in die Pensionskasse ja oder nein? Das hängt wesentlich von der Gemeinde ab, in der man die Alters-Rentnerzeit verbringen will. Aber auch der Umwandlungssatz im Zeitpunkt der Pensionierung spielt eine Rolle. Dieser dürfte in absehbarer Zeit von 6,8 auf sechs Prozent gesenkt werden. Im überobligatorischen Bereich ist der Umwandlungssatz meist heute schon tiefer. Absehbar ist zudem, dass die ebenfalls für EL berücksichtigten Krankenkassenprämien steigen werden.
Das durch Steuergelder finanzierte und dem Bürger garantierten Minimaleinkommen dürfte darum schon in wenigen Jahren für einen grossen Teil der Bevölkerung höher sein, als er mit AHV und Pensionskassen-Obligatorium (maximal 85’320 Franken Einkommen) erzielen kann. «Ein immer grösserer Teil der im BVG-Obligatorium Versicherten erhält als Rentner genau gleich viel wie jemand, der nie gearbeitet hat. Faktisch werden AHV und das BVG-Obligatorium durch eine als EL-Leistungen kaschierte Volkspension ersetzt», stellt Hug fest. «Das ist umso bedenklicher, als das Volk 1972 die Initiative für eine Volkspension mit 78,6 Prozent deutlich verworfen hat.»