Ein Unternehmen zu übergeben ist kein einfacher Schritt. Zu gross ist oft die emotionale Bindung, zu komplex sind die Zahlen, Erwartungen und Risiken. Ein Punkt ist dabei wesentlich und beeinflusst die Folgeschritte und Erwartungshaltungen im Nachfolgeprozess: die Bewertung des Unternehmens. Wer den Unternehmenswert realistisch ermittelt, schafft die Basis für Vertrauen – und eine faire, nachhaltige Übergabe.
Doch wie gelingt diese realistische Bewertung in der Praxis? Was erwarten Käuferinnen – und worauf legen Verkäufer Wert? Ein Blick auf zwei fiktive Beispiele zeigt, wie unterschiedlich die Perspektiven sein können und worauf es wirklich ankommt.
Verkäuferperspektive: Der Fall von Herrn Keller
Herr Keller führt seit über 25 Jahren die Keller Elektro AG, ein KMU mit 30 Mitarbeitenden. Er möchte sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und das Unternehmen verkaufen.
Für Herrn Keller ist klar:
- Treue Stammkundschaft: Viele Kundinnen und Kunden sind seit Jahren dabei – ein stabiler Umsatzbringer.
- Technologische Vorreiterrolle: Das Unternehmen hat früh auf smarte Gebäudetechnik gesetzt und davon profitiert.
- Wertvolle Liegenschaft: Das Geschäftshaus gehört der Firma und ist zentral gelegen.
- Effiziente Abläufe: Prozesse sind klar dokumentiert, das Team ist eingespielt.
- Solide Erträge: Die letzten Jahre zeigen konstant gute Ergebnisse.
Für ihn zählt: Das Unternehmen soll in gute Hände kommen und die Bewertung muss den Wert seines Lebenswerks widerspiegeln.
Käuferperspektive: Frau Steiner prüft den Schritt ins Unternehmertum
Frau Steiner ist seit 8 Jahren für die Keller Elektro AG tätig, zunehmend in leitender Funktion. Jüngst hat sie eine kleine Erbschaft gemacht. Sie möchte die Firmenübernahme prüfen. Die Keller Elektro AG ist für Sie sehr interessant, aber sie sieht auch die Risiken.
Was sie beschäftigt:
- Ertragskraft auf dem Prüfstand: Wie nachhaltig sind die Gewinne ohne Herrn Keller an der Spitze oder als Rückhalt?
- Klumpenrisiko: Ein Drittel des Umsatzes stammt von zwei Grosskunden.
- Digitalisierungspotenzial: Zwar technologisch gut aufgestellt, aber ERP-Systeme und Online-Kanäle sind ausbaufähig.
- Wenig Schulungskonzepte: Viel Know-how liegt bei langjährigen Mitarbeitenden ohne klare Nachfolgeregelungen.
- Instandhaltungskosten der Liegenschaft: Die Immobilie ist werthaltig, aber auch instandhaltungsintensiv.
Frau Steiner möchte gerne eine unabhängige Meinung zum Unternehmenswert bekommen. Denn für sie steht fest: Nur eine realistische Einschätzung ist für Sie eine mögliche Basis für diesen grossen Schritt.

Welche Methoden kommen infrage?
Zwei bewährte Verfahren helfen bei der objektiven Wertermittlung:
- Ertragswertmethode: Diese Methode berechnet den Unternehmenswert auf Basis der nachhaltig erzielbaren Gewinne. Die bereinigten Durchschnittserträge werden mit einem Zinssatz kapitalisiert, der das Investitionsrisiko berücksichtigt. Sie eignet sich besonders für Unternehmen mit stabiler Ertragslage.
- Discounted Cashflow-Methode (DCF): Die DCF-Methode richtet den Blick noch konkreter in die Zukunft: Sie bewertet das Unternehmen anhand geplanter künftiger Geldflüsse der nächsten 3 – 5 Jahre, die auf den heutigen Wert abgezinst werden. Voraussetzung ist eine belastbare Finanzplanung.
Beide Methoden erfordern fundierte Finanzdaten, realistische Planungen und einen unabhängigen Blick von aussen.
Fünf Erfolgsfaktoren für eine aussagekräftige Unternehmensbewertung
- Datenqualität: Nur konsistente, vollständige Zahlen liefern eine verlässliche Wertbasis.
- Gründliche Dokumentation: Finanzdaten, Budgets und Businesspläne müssen nachvollziehbar und systematisch hergeleitet sein.
- Separater Blick auf Sondervermögen: Immobilien oder andere nicht betriebsnotwendige Werte sollten gesondert bewertet werden.
- Realistische Zukunftserwartungen: Nur nachhaltige Erträge zählen, einmalige Sondereffekte sind zu korrigieren.
- Unabhängige Bewertung: Ein externer Experte schafft Vertrauen auf beiden Seiten.
Der faire Unternehmenswert: Pflicht, nicht Zufall
Der Unternehmenswert ist mehr als eine Zahl. Er ist das Resultat von Vision, Leistung und Potenzial. Wer den Bewertungsprozess professionell angeht, legt den Grundstein für eine erfolgreiche Nachfolge. Denn nur wenn beide Seiten – Verkäufer und Käuferin – ein realistisches Bild haben, wird aus der Übergabe ein Neustart mit Zukunft.
Michael Sahli, BDO AG
Leiter Deal Advisory Mittelland
michael.sahli@bdo.ch
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