Die Schweiz ist die innovativste Volkswirtschaft der Welt. Im neunten Jahr in Folge führt sie die Rangliste des Global Innovation Index an. Ihre grosse Innovationskraft verdankt sie auch der attraktiven Ausgestaltung ihres Arbeitsmarkts. Hier hat die Schweiz einen bunten Strauss zu bieten, der im optimalen Zusammenspiel seiner Blüten seine volle Pracht entfaltet. Doch wir müssen stets umsichtig sein, einzelne Blüten nicht zu zerdrücken. Vor diesem Hintergrund beunruhigt die aktuelle Entwicklung der Zuwanderung: Sie war im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zur Vorjahresperiode erneut rückläufig. Und trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums wanderten selbst 2018 nur 55’000 Personen mehr in die Schweiz ein, als abwanderten. Im Rekordjahr 2008 waren es mit 100’000 noch fast doppelt so viele.
Gleichzeitig sinkt der Anteil der arbeitenden Bevölkerung in der Schweiz wegen der alternden Gesellschaft. Ohne Migration verzeichnet der Arbeitsmarkt mittlerweile mehr Aus- als Eintritte. Die Unternehmen sehen sich mit einem Fachkräftemangel konfrontiert, der sich bald stark akzentuieren wird: In den 2020er-Jahren rollt die Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge. Sie allein führt laut Studien der UBS dazu, dass dem Schweizer Arbeitsmarkt bereits in wenigen Jahren Personal im Umfang von bis zu einer halben Million Vollzeitstellen fehlen wird.
Auch der internationale Wettbewerb um Fachkräfte wird intensiver, denn der Trend der demografischen Alterung macht nicht vor Grenzen halt. KMU sind besonders stark betroffen. Sie verfügen meist nicht über die Ressourcen grosser Unternehmen, um etwa bei den Löhnen mithalten zu können. Bei Nischenplayern gestaltet es sich zusätzlich schwierig, im eigenen Marktsegment passende Profile zu finden. Und bei regional verankerten Unternehmen kommt oft der Standortnachteil ausserhalb der Zentren erschwerend hinzu. Laut der KMU-Studie der Credit Suisse hat mehr als die Hälfte der rekrutierenden KMU Mühe, geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden.
Besonders ausgeprägt ist der Mangel bei Führungspositionen. Immer mehr Manager der Babyboom-Generation gehen in Rente. Das erklärt auch, weshalb die Bedeutung ausländischer Manager in den Geschäftsleitungen von Schweizer Unternehmen zunimmt. Das zeigen Daten aus dem schillingreport: 2015 betrug ihr Anteil unter den Geschäftsleitungsmitgliedern 41 Prozent, inzwischen liegt er bereits bei 45 Prozent. Der steigende Bedarf an ausländischen Führungskräften wird getrieben vom zunehmenden Fachkräftemangel und von der positiven Wirtschaftsentwicklung. Der höhere Anteil ausländischer Topmanager sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch sie nicht mehr so einfach zu rekrutieren sind. Denn mit Weitsicht haben wir einen Grossteil von ihnen in den letzten Jahren bereits auf tieferer Stufe in die Schweiz geholt und sie gezielt intern weiterentwickelt.
Wegen der schrumpfenden Verfügbarkeit von hoch qualifizierten Arbeitskräften droht der Schweizer Firmenstandort laut einer Studie der Unternehmensberater von McKinsey & Company einen grossen Trumpf aus der Hand zu geben. Will sie ihren internationalen Spitzenplatz verteidigen, muss die Schweizer Volkswirtschaft den Zustrom der Besten sichern. Für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist sie, nebst allen Anstrengungen, das inländische Fachkräftepotenzial besser zu nutzen, auf einen barrierefreien Zugang zum europäischen Fachkräftemarkt angewiesen.