Blended Learning steht für die Verknüpfung von E-Learning und Präsenzunterricht. Die Covid-19-Pandemie hat dieser Methode Auftrieb gegeben. Sie bietet sich allerdings auch nach der Pandemie als effiziente, flexible und nachhaltige Lernmethode an. Funktioniert sie auch für Erste-Hilfe-Themen?
Ganz besonders in der Ersten Hilfe sind ein regelmässiges Training und das Auffrischen des Wissens wichtig. Einerseits verlernen wir rasch, was wir selten anwenden. Im Notfall müssen wir aber auf Automatismen zurückgreifen können, die stark verinnerlicht sind und ablaufen, ohne dass man sich viele Gedanken machen muss. Ein regelmässiges Auffrischen ist deshalb zentral. Andererseits laufen auch gewisse Zertifikate – beispielsweise jene des Interverbands für Rettungswesen (IVR) oder die BLS-AED-SRC-Zertifikate mit dem Schwerpunkt Reanimation – nach einer gewissen Zeit ab und müssen aufgefrischt werden.
Präsenzunterricht vs. E-Learning
Während der Pandemie war es schwierig, Wiederholungskurse durchzuführen. Zwar durften Erste-Hilfe-Kurse auch während der zweiten Covid-19-Welle und während des eingeschränkten Präsenzunterrichts stattfinden. Allerdings war es in manchen Betrieben untersagt, Kurse oder Termine ausser Haus wahrzunehmen. Selbst wenn dies erlaubt war, suchte nicht jeder betriebliche Ersthelfer oder jede Ersthelferin nach Kontakten, die ihn oder sie einem unnötigen Ansteckungsrisiko aussetzen könnten. Das entband die Arbeitgeber allerdings nicht von ihrer Pflicht, um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden besorgt zu sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe und die Aus- und Weiterbildung der Ersthelfer im Betrieb. So wie sich alle Meetings plötzlich telefonisch oder via Videokonferenzen abspielten, verlagerte sich auch die Aus- und Weiterbildung zeitweise vollständig ins Internet.
In der Ersten Hilfe gestaltete sich das jedoch etwas schwieriger. Das Erklären von theoretischen Aspekten und der Aufbau von Hintergrundwissen funktioniert. Aber eine erfolgreiche Reanimation, die Anwendung eines Defibrillators, das Stillen einer starken Blutung oder die Stabilisierung von Verunfallten lassen sich nur praktisch üben. Nur so kann man auf diese Erfahrungen im Notfall, unter Stress und emotionaler Erregung auch zurückgreifen. Aus genau diesen Gründen etablierte sich für Erste-Hilfe-Kurse das Konzept «Blended Learning».
Blended Learning für die Erste Hilfe
Dieses Konzept ist nicht neu. Bereits seit den Achtzigerjahren gibt es computerbasierte Trainingsanwendungen, die mit gelegentlichem Präsenzunterricht oder Prüfungen im Präsenzverfahren kombiniert werden. Die Frage ist nun vielmehr: Wie lässt sich diese Idee für die Vermittlung von Erste-Hilfe-Themen optimal nutzen? Für den Bildungsanbieter bot sich ein dreistufiges Modell an:
- In einem ersten Schritt können die Teilnehmenden verschiedene E-Learning-Module individuell absolvieren. Diese Module sprechen verschiedene Sinne und Lerntypen an, sind interaktiv gestaltet und beispielsweise mit Videosequenzen ergänzt. Kurze Tests stellen sicher, dass alles verstanden wurde, bevor es zum nächsten Modul geht. Die Module können die Teilnehmenden örtlich und zeitlich unabhängig absolvieren. Sie können die Schulung jederzeit unterbrechen und später wieder einsteigen. Es wird lediglich ein Zeitfenster definiert, in dem die Teilnehmenden auf diese Lernmodule zugreifen und sie absolvieren können – in der Regel werden dafür vier bis sechs Wochen reserviert. Das ist wichtig, damit alle Teilnehmenden koordiniert zum zweiten Schritt übergehen können.
- Im zweiten Schritt stellen die Teilnehmenden via Webinar einem Dozenten ihre Fragen. Diese haben Erfahrungen im Rettungsdienst und lassen Praxisbeispiele einfliessen, um die theoretischen Inhalte mit tatsächlichen Vorfällen zu verknüpfen.
- Erst im dritten Schritt ist Präsenzunterricht nötig, um die Theorie anhand von praktischen Fallbeispielen zu festigen. Wenn möglich, sollte dies in der gewohnten Arbeitsumgebung der Teilnehmenden durchgeführt werden. Das hilft, die Automatismen für das wahrscheinliche Einsatzgebiet in einem Notfall auf- und auszubauen.
Vorteile gegenüber der traditionellen Präsenzschulung
Die Fallbeispiele der Dozenten ergänzen den Lernstoff optimal. Auch sonst bietet Blended Learning eine ganze Reihe von Vorteilen. Ein Hauptvorteil ist die Flexibilität. Der gesamte Theorieteil kann zu einer beliebigen Zeit im individuellen Lerntempo durchgearbeitet werden. Somit sparen die Teilnehmenden wertvolle Arbeitszeit und nutzen den Präsenzunterricht sehr effizient, da sie die Theorie bereits kennen. Durch die eingebaute Erfolgskontrolle im E-Learning ist sichergestellt, dass alle die Lernziele erreicht haben.
Die Staffelung über eine etwas längere Zeit hat zudem den Vorteil, dass das Gelernte mehrfach repetiert wird und somit besser hängen bleibt, also nachhaltiger gelernt wird. Die Wahl, wann jemand am besten lernt, die hohe Konzentration während der E-Learning-Module und das Ansprechen verschiedener Lerntypen mit unterschiedlichen Medien helfen zusätzlich. Tatsächlich kann diese Lernmethode sogar dazu beitragen, dass die Theorie deutlich besser in Erinnerung bleibt als durch reinen Präsenzunterricht. Auch erste – statistisch allerdings noch nicht gefestigte – Feedbacks aus Weiterbildungsinstitutionen zeigen, dass Zwischen- oder Abschlussprüfungen nach einem durchgängigen E-Learning- oder Blended-Learning-Modul eher besser als schlechter ausfallen.
Für einen via Blended Learning absolvierten BLS-AED-SRC-Kurs erhalten die Teilnehmenden nach Absolvierung aller drei Stufen ein offizielles Zertifikat.
Potenzial nach der Pandemie
Für Christian Konrad, Leiter Services der Raiffeisenbank Münchwilen-Tobel, steht rund um die Erste Hilfe nicht nur die Sicherheit der eigenen Mitarbeitenden im Fokus, sondern auch jene der Kunden und Kundinnen. «Vor der Pandemie absolvierten wir unsere Erste-Hilfe-Kurse an ein oder zwei Abenden mit dem örtlichen Samariterverein», sagt er. «Dafür war die Planung schwieriger. Mit Blended Learning ist das etwas einfacher.»
Für Christian Konrad war das Blended Learning ein Selbstläufer. Er erkannte auch, dass sich die Mitarbeitenden intensiv mit dem Thema auseinandersetzten und viele Fragen stellten. «Dass die Instruktoren von persönlichen Erfahrungen in der Praxis erzählten, hat den Teilnehmenden viele Hemmungen genommen», sagt Konrad.
Viele Anbieter entwickelten ihre E-Learning-Module und Blended-Learning-Konzepte aufgrund der Pandemie. Diese Konzepte und Lernformen haben aber so viele Vorteile, dass sie unabhängig von der Pandemie ein enormes Potenzial bieten und ihren Platz in der Bildungslandschaft wohl nicht mehr verlieren werden.